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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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dem er schuldig geworden, erst mit einem
vollen Monatsgelde auslösen; doch gerade
darauf mochte der Kerl speculirt haben:
denn kaum war er mit mir auf der Straße,
so zeigte er eine so entschiedene Neigung, mir
wieder zu entlaufen, daß ich hinter ihm
drein schreien mußte, bis er von andern
Leuten festgehalten wurde, ich mich seiner ver-
sichern und ihn in meine nahe liegende und
mit vier Mann besetzte Schaluppe bringen
lassen konnte.

Es war begreiflich, daß der Mensch sich,
unter diesen Umständen, auf meinem Schiffe
wohl nicht sonderlich gefallen mochte. Das
bewies er auch am nächsten |Morgen, wo
wir in See gehen wollten, indem er sich die
Länge lang auf's Verdeck streckte, nicht ar-
beiten mochte und krank zu seyn vorgab;
was sich aber, bei näherer Untersuchung, als
falsch befand. Nun bequemte er sich endlich,
auf ernstliche Bedrohung, mit Hand anzu-
legen und seinen störrigen Sinn fahren zu
lassen. Dennoch sollt' ich von ihm, wie
man in der Folge sehen wird, noch sehr
ernsthaften Verdruß erleben.

Als wir zum Tajo herausgekommen wa-
ren, machten wir die unangenehme Entdek-
kung, daß unser Schiff viel Wasser einließ.
Anfangs meynten wir, daß, da wir mit
demselben so lange ledig gelegen und hohen

dem er ſchuldig geworden, erſt mit einem
vollen Monatsgelde ausloͤſen; doch gerade
darauf mochte der Kerl ſpeculirt haben:
denn kaum war er mit mir auf der Straße,
ſo zeigte er eine ſo entſchiedene Neigung, mir
wieder zu entlaufen, daß ich hinter ihm
drein ſchreien mußte, bis er von andern
Leuten feſtgehalten wurde, ich mich ſeiner ver-
ſichern und ihn in meine nahe liegende und
mit vier Mann beſetzte Schaluppe bringen
laſſen konnte.

Es war begreiflich, daß der Menſch ſich,
unter dieſen Umſtaͤnden, auf meinem Schiffe
wohl nicht ſonderlich gefallen mochte. Das
bewies er auch am naͤchſten |Morgen, wo
wir in See gehen wollten, indem er ſich die
Laͤnge lang auf’s Verdeck ſtreckte, nicht ar-
beiten mochte und krank zu ſeyn vorgab;
was ſich aber, bei naͤherer Unterſuchung, als
falſch befand. Nun bequemte er ſich endlich,
auf ernſtliche Bedrohung, mit Hand anzu-
legen und ſeinen ſtoͤrrigen Sinn fahren zu
laſſen. Dennoch ſollt’ ich von ihm, wie
man in der Folge ſehen wird, noch ſehr
ernſthaften Verdruß erleben.

Als wir zum Tajo herausgekommen wa-
ren, machten wir die unangenehme Entdek-
kung, daß unſer Schiff viel Waſſer einließ.
Anfangs meynten wir, daß, da wir mit
demſelben ſo lange ledig gelegen und hohen

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[252/0256] dem er ſchuldig geworden, erſt mit einem vollen Monatsgelde ausloͤſen; doch gerade darauf mochte der Kerl ſpeculirt haben: denn kaum war er mit mir auf der Straße, ſo zeigte er eine ſo entſchiedene Neigung, mir wieder zu entlaufen, daß ich hinter ihm drein ſchreien mußte, bis er von andern Leuten feſtgehalten wurde, ich mich ſeiner ver- ſichern und ihn in meine nahe liegende und mit vier Mann beſetzte Schaluppe bringen laſſen konnte. Es war begreiflich, daß der Menſch ſich, unter dieſen Umſtaͤnden, auf meinem Schiffe wohl nicht ſonderlich gefallen mochte. Das bewies er auch am naͤchſten |Morgen, wo wir in See gehen wollten, indem er ſich die Laͤnge lang auf’s Verdeck ſtreckte, nicht ar- beiten mochte und krank zu ſeyn vorgab; was ſich aber, bei naͤherer Unterſuchung, als falſch befand. Nun bequemte er ſich endlich, auf ernſtliche Bedrohung, mit Hand anzu- legen und ſeinen ſtoͤrrigen Sinn fahren zu laſſen. Dennoch ſollt’ ich von ihm, wie man in der Folge ſehen wird, noch ſehr ernſthaften Verdruß erleben. Als wir zum Tajo herausgekommen wa- ren, machten wir die unangenehme Entdek- kung, daß unſer Schiff viel Waſſer einließ. Anfangs meynten wir, daß, da wir mit demſelben ſo lange ledig gelegen und hohen

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/256>, abgerufen am 28.04.2024.