Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

ten wir uns, der überfluthenden Brandung
wegen, nicht mehr erhalten, sondern waren
alsogleich sämmtlich auf die Masten geflüch-
tet. Jch selbst und 6 Mann hiengen oben
am Besaan-Mast; während die übrigen 8
Mann den großen Mast erklettert hatten.
Ein Wunder wäre es wohl nicht gewesen,
wenn wir Alle die Besinnung verloren ge-
habt; indeß blieb mir doch soviel Gegen-
wart des Geistes, daß ich unsre Lage richtig
in's Auge fassen und den einzig möglichen
Ausweg zu unsrer Errettung gewahr wer-
den konnte. Jch stellte demnach meinen bei
mir habenden Unglücksgefährten vor, wie
unser Aller Heil darauf beruhe, daß wir
unsre Schaluppe in unsre Gewalt bekämen.
Einige von ihnen, die die Rüstigsten wären,
sollten sich ein Herz erfassen, hernieder zu
steigen und die Taue, woran dieselbe auf
dem Verdeck festgebunden stehe, zu zerhauen,
nachdem sie Ein oder mehrere längere Taue
dran festgeknüpft haben würden, deren Enden
wir Uebrigen oben am Maste sicher zu halten
gedächten. Bräche dann gleich das Schiff
und die Schaluppe würde über Bord ge-
spült, so könnte sie uns dennoch von den
Wellen nicht entführt werden. Oder möchte
sie sich auch voll Wasser gefüllt, oder gar
das Unterste nach oben gekehrt haben, so
würden wir sie gleichwohl nahe zu uns her-

ten wir uns, der uͤberfluthenden Brandung
wegen, nicht mehr erhalten, ſondern waren
alſogleich ſaͤmmtlich auf die Maſten gefluͤch-
tet. Jch ſelbſt und 6 Mann hiengen oben
am Beſaan-Maſt; waͤhrend die uͤbrigen 8
Mann den großen Maſt erklettert hatten.
Ein Wunder waͤre es wohl nicht geweſen,
wenn wir Alle die Beſinnung verloren ge-
habt; indeß blieb mir doch ſoviel Gegen-
wart des Geiſtes, daß ich unſre Lage richtig
in’s Auge faſſen und den einzig moͤglichen
Ausweg zu unſrer Errettung gewahr wer-
den konnte. Jch ſtellte demnach meinen bei
mir habenden Ungluͤcksgefaͤhrten vor, wie
unſer Aller Heil darauf beruhe, daß wir
unſre Schaluppe in unſre Gewalt bekaͤmen.
Einige von ihnen, die die Ruͤſtigſten waͤren,
ſollten ſich ein Herz erfaſſen, hernieder zu
ſteigen und die Taue, woran dieſelbe auf
dem Verdeck feſtgebunden ſtehe, zu zerhauen,
nachdem ſie Ein oder mehrere laͤngere Taue
dran feſtgeknuͤpft haben wuͤrden, deren Enden
wir Uebrigen oben am Maſte ſicher zu halten
gedaͤchten. Braͤche dann gleich das Schiff
und die Schaluppe wuͤrde uͤber Bord ge-
ſpuͤlt, ſo koͤnnte ſie uns dennoch von den
Wellen nicht entfuͤhrt werden. Oder moͤchte
ſie ſich auch voll Waſſer gefuͤllt, oder gar
das Unterſte nach oben gekehrt haben, ſo
wuͤrden wir ſie gleichwohl nahe zu uns her-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="262"/>
ten wir uns, der u&#x0364;berfluthenden Brandung<lb/>
wegen, nicht mehr erhalten, &#x017F;ondern waren<lb/>
al&#x017F;ogleich &#x017F;a&#x0364;mmtlich auf die Ma&#x017F;ten geflu&#x0364;ch-<lb/>
tet. Jch &#x017F;elb&#x017F;t und 6 Mann hiengen oben<lb/>
am Be&#x017F;aan-Ma&#x017F;t; wa&#x0364;hrend die u&#x0364;brigen 8<lb/>
Mann den großen Ma&#x017F;t erklettert hatten.<lb/>
Ein Wunder wa&#x0364;re es wohl nicht gewe&#x017F;en,<lb/>
wenn wir Alle die Be&#x017F;innung verloren ge-<lb/>
habt; indeß blieb mir doch &#x017F;oviel Gegen-<lb/>
wart des Gei&#x017F;tes, daß ich un&#x017F;re Lage richtig<lb/>
in&#x2019;s Auge fa&#x017F;&#x017F;en und den einzig mo&#x0364;glichen<lb/>
Ausweg zu un&#x017F;rer Errettung gewahr wer-<lb/>
den konnte. Jch &#x017F;tellte demnach meinen bei<lb/>
mir habenden Unglu&#x0364;cksgefa&#x0364;hrten vor, wie<lb/>
un&#x017F;er Aller Heil darauf beruhe, daß wir<lb/>
un&#x017F;re Schaluppe in un&#x017F;re Gewalt beka&#x0364;men.<lb/>
Einige von ihnen, die die Ru&#x0364;&#x017F;tig&#x017F;ten wa&#x0364;ren,<lb/>
&#x017F;ollten &#x017F;ich ein Herz erfa&#x017F;&#x017F;en, hernieder zu<lb/>
&#x017F;teigen und die Taue, woran die&#x017F;elbe auf<lb/>
dem Verdeck fe&#x017F;tgebunden &#x017F;tehe, zu zerhauen,<lb/>
nachdem &#x017F;ie Ein oder mehrere la&#x0364;ngere Taue<lb/>
dran fe&#x017F;tgeknu&#x0364;pft haben wu&#x0364;rden, deren Enden<lb/>
wir Uebrigen oben am Ma&#x017F;te &#x017F;icher zu halten<lb/>
geda&#x0364;chten. Bra&#x0364;che dann gleich das Schiff<lb/>
und die Schaluppe wu&#x0364;rde u&#x0364;ber Bord ge-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;lt, &#x017F;o ko&#x0364;nnte &#x017F;ie uns dennoch von den<lb/>
Wellen nicht entfu&#x0364;hrt werden. Oder mo&#x0364;chte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich auch voll Wa&#x017F;&#x017F;er gefu&#x0364;llt, oder gar<lb/>
das Unter&#x017F;te nach oben gekehrt haben, &#x017F;o<lb/>
wu&#x0364;rden wir &#x017F;ie gleichwohl nahe zu uns her-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0266] ten wir uns, der uͤberfluthenden Brandung wegen, nicht mehr erhalten, ſondern waren alſogleich ſaͤmmtlich auf die Maſten gefluͤch- tet. Jch ſelbſt und 6 Mann hiengen oben am Beſaan-Maſt; waͤhrend die uͤbrigen 8 Mann den großen Maſt erklettert hatten. Ein Wunder waͤre es wohl nicht geweſen, wenn wir Alle die Beſinnung verloren ge- habt; indeß blieb mir doch ſoviel Gegen- wart des Geiſtes, daß ich unſre Lage richtig in’s Auge faſſen und den einzig moͤglichen Ausweg zu unſrer Errettung gewahr wer- den konnte. Jch ſtellte demnach meinen bei mir habenden Ungluͤcksgefaͤhrten vor, wie unſer Aller Heil darauf beruhe, daß wir unſre Schaluppe in unſre Gewalt bekaͤmen. Einige von ihnen, die die Ruͤſtigſten waͤren, ſollten ſich ein Herz erfaſſen, hernieder zu ſteigen und die Taue, woran dieſelbe auf dem Verdeck feſtgebunden ſtehe, zu zerhauen, nachdem ſie Ein oder mehrere laͤngere Taue dran feſtgeknuͤpft haben wuͤrden, deren Enden wir Uebrigen oben am Maſte ſicher zu halten gedaͤchten. Braͤche dann gleich das Schiff und die Schaluppe wuͤrde uͤber Bord ge- ſpuͤlt, ſo koͤnnte ſie uns dennoch von den Wellen nicht entfuͤhrt werden. Oder moͤchte ſie ſich auch voll Waſſer gefuͤllt, oder gar das Unterſte nach oben gekehrt haben, ſo wuͤrden wir ſie gleichwohl nahe zu uns her-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/266
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/266>, abgerufen am 28.04.2024.