ten wir uns, der überfluthenden Brandung wegen, nicht mehr erhalten, sondern waren alsogleich sämmtlich auf die Masten geflüch- tet. Jch selbst und 6 Mann hiengen oben am Besaan-Mast; während die übrigen 8 Mann den großen Mast erklettert hatten. Ein Wunder wäre es wohl nicht gewesen, wenn wir Alle die Besinnung verloren ge- habt; indeß blieb mir doch soviel Gegen- wart des Geistes, daß ich unsre Lage richtig in's Auge fassen und den einzig möglichen Ausweg zu unsrer Errettung gewahr wer- den konnte. Jch stellte demnach meinen bei mir habenden Unglücksgefährten vor, wie unser Aller Heil darauf beruhe, daß wir unsre Schaluppe in unsre Gewalt bekämen. Einige von ihnen, die die Rüstigsten wären, sollten sich ein Herz erfassen, hernieder zu steigen und die Taue, woran dieselbe auf dem Verdeck festgebunden stehe, zu zerhauen, nachdem sie Ein oder mehrere längere Taue dran festgeknüpft haben würden, deren Enden wir Uebrigen oben am Maste sicher zu halten gedächten. Bräche dann gleich das Schiff und die Schaluppe würde über Bord ge- spült, so könnte sie uns dennoch von den Wellen nicht entführt werden. Oder möchte sie sich auch voll Wasser gefüllt, oder gar das Unterste nach oben gekehrt haben, so würden wir sie gleichwohl nahe zu uns her-
ten wir uns, der uͤberfluthenden Brandung wegen, nicht mehr erhalten, ſondern waren alſogleich ſaͤmmtlich auf die Maſten gefluͤch- tet. Jch ſelbſt und 6 Mann hiengen oben am Beſaan-Maſt; waͤhrend die uͤbrigen 8 Mann den großen Maſt erklettert hatten. Ein Wunder waͤre es wohl nicht geweſen, wenn wir Alle die Beſinnung verloren ge- habt; indeß blieb mir doch ſoviel Gegen- wart des Geiſtes, daß ich unſre Lage richtig in’s Auge faſſen und den einzig moͤglichen Ausweg zu unſrer Errettung gewahr wer- den konnte. Jch ſtellte demnach meinen bei mir habenden Ungluͤcksgefaͤhrten vor, wie unſer Aller Heil darauf beruhe, daß wir unſre Schaluppe in unſre Gewalt bekaͤmen. Einige von ihnen, die die Ruͤſtigſten waͤren, ſollten ſich ein Herz erfaſſen, hernieder zu ſteigen und die Taue, woran dieſelbe auf dem Verdeck feſtgebunden ſtehe, zu zerhauen, nachdem ſie Ein oder mehrere laͤngere Taue dran feſtgeknuͤpft haben wuͤrden, deren Enden wir Uebrigen oben am Maſte ſicher zu halten gedaͤchten. Braͤche dann gleich das Schiff und die Schaluppe wuͤrde uͤber Bord ge- ſpuͤlt, ſo koͤnnte ſie uns dennoch von den Wellen nicht entfuͤhrt werden. Oder moͤchte ſie ſich auch voll Waſſer gefuͤllt, oder gar das Unterſte nach oben gekehrt haben, ſo wuͤrden wir ſie gleichwohl nahe zu uns her-
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ten wir uns, der uͤberfluthenden Brandung
wegen, nicht mehr erhalten, ſondern waren
alſogleich ſaͤmmtlich auf die Maſten gefluͤch-
tet. Jch ſelbſt und 6 Mann hiengen oben
am Beſaan-Maſt; waͤhrend die uͤbrigen 8
Mann den großen Maſt erklettert hatten.
Ein Wunder waͤre es wohl nicht geweſen,
wenn wir Alle die Beſinnung verloren ge-
habt; indeß blieb mir doch ſoviel Gegen-
wart des Geiſtes, daß ich unſre Lage richtig
in’s Auge faſſen und den einzig moͤglichen
Ausweg zu unſrer Errettung gewahr wer-
den konnte. Jch ſtellte demnach meinen bei
mir habenden Ungluͤcksgefaͤhrten vor, wie
unſer Aller Heil darauf beruhe, daß wir
unſre Schaluppe in unſre Gewalt bekaͤmen.
Einige von ihnen, die die Ruͤſtigſten waͤren,
ſollten ſich ein Herz erfaſſen, hernieder zu
ſteigen und die Taue, woran dieſelbe auf
dem Verdeck feſtgebunden ſtehe, zu zerhauen,
nachdem ſie Ein oder mehrere laͤngere Taue
dran feſtgeknuͤpft haben wuͤrden, deren Enden
wir Uebrigen oben am Maſte ſicher zu halten
gedaͤchten. Braͤche dann gleich das Schiff
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ſpuͤlt, ſo koͤnnte ſie uns dennoch von den
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/266>, abgerufen am 28.04.2024.
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