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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

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Tausende von Neunaugen an dasselbe überall
festgesogen hatten, die sich ohne Zweifel in
dem süßen Stromwasser befanden und mit
unsern Feinden gemeinschaftliche Sache ge-
macht zu haben schienen, um uns dort zu-
rückzuhalten. Da indeß alles Losreissen mit
den Händen nicht genügte, uns von diesem
Ungeziefer zu befreien, so zogen wir endlich
einige Taue unter dem Boote durch, womit
wir dasselbe durch Hin- und Herziehen all-
mählig abstreiften.

Während ich nun mein Verkehr, bald mit
mehr, bald mit weniger Glück, an der Küste
fortsetzte und mich dabei immer weiter vom
Schiffe entfernte, begann mir allmählig das
frische Wasser zu mangeln, ohne daß ich des-
sen am Lande wieder hätte habhaft werden
können. Es schien mir demnach Zeit, mich
wieder nach dem Schiffe hinzuwenden; gleich-
wohl aber fand ich, in der Zwischenzeit von
13 Tagen, sammt meinen Gefährten und den
paar erhandelten Negern, überflüssige Zeit,
die steigenden Schrecknisse eines unauslösch-
lichen Durstes unter diesem glühenden Himmel
zu erproben. Wer es nicht selbst erfahren hat,
ist durchaus unfähig, sich dies Elend in seiner
ganzen Größe vorzustellen. Mit dem Mangel an
frischem Wasser wurden uns auch unsre trock-
nen Lebensvorräthe an Erbsen, Graupen
u. s. w unbrauchbar: denn mit Seewasser

Tauſende von Neunaugen an daſſelbe uͤberall
feſtgeſogen hatten, die ſich ohne Zweifel in
dem ſuͤßen Stromwaſſer befanden und mit
unſern Feinden gemeinſchaftliche Sache ge-
macht zu haben ſchienen, um uns dort zu-
ruͤckzuhalten. Da indeß alles Losreiſſen mit
den Haͤnden nicht genuͤgte, uns von dieſem
Ungeziefer zu befreien, ſo zogen wir endlich
einige Taue unter dem Boote durch, womit
wir daſſelbe durch Hin- und Herziehen all-
maͤhlig abſtreiften.

Waͤhrend ich nun mein Verkehr, bald mit
mehr, bald mit weniger Gluͤck, an der Kuͤſte
fortſetzte und mich dabei immer weiter vom
Schiffe entfernte, begann mir allmaͤhlig das
friſche Waſſer zu mangeln, ohne daß ich deſ-
ſen am Lande wieder haͤtte habhaft werden
koͤnnen. Es ſchien mir demnach Zeit, mich
wieder nach dem Schiffe hinzuwenden; gleich-
wohl aber fand ich, in der Zwiſchenzeit von
13 Tagen, ſammt meinen Gefaͤhrten und den
paar erhandelten Negern, uͤberfluͤſſige Zeit,
die ſteigenden Schreckniſſe eines unausloͤſch-
lichen Durſtes unter dieſem gluͤhenden Himmel
zu erproben. Wer es nicht ſelbſt erfahren hat,
iſt durchaus unfaͤhig, ſich dies Elend in ſeiner
ganzen Groͤße vorzuſtellen. Mit dem Mangel an
friſchem Waſſer wurden uns auch unſre trock-
nen Lebensvorraͤthe an Erbſen, Graupen
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[47/0051] Tauſende von Neunaugen an daſſelbe uͤberall feſtgeſogen hatten, die ſich ohne Zweifel in dem ſuͤßen Stromwaſſer befanden und mit unſern Feinden gemeinſchaftliche Sache ge- macht zu haben ſchienen, um uns dort zu- ruͤckzuhalten. Da indeß alles Losreiſſen mit den Haͤnden nicht genuͤgte, uns von dieſem Ungeziefer zu befreien, ſo zogen wir endlich einige Taue unter dem Boote durch, womit wir daſſelbe durch Hin- und Herziehen all- maͤhlig abſtreiften. Waͤhrend ich nun mein Verkehr, bald mit mehr, bald mit weniger Gluͤck, an der Kuͤſte fortſetzte und mich dabei immer weiter vom Schiffe entfernte, begann mir allmaͤhlig das friſche Waſſer zu mangeln, ohne daß ich deſ- ſen am Lande wieder haͤtte habhaft werden koͤnnen. Es ſchien mir demnach Zeit, mich wieder nach dem Schiffe hinzuwenden; gleich- wohl aber fand ich, in der Zwiſchenzeit von 13 Tagen, ſammt meinen Gefaͤhrten und den paar erhandelten Negern, uͤberfluͤſſige Zeit, die ſteigenden Schreckniſſe eines unausloͤſch- lichen Durſtes unter dieſem gluͤhenden Himmel zu erproben. Wer es nicht ſelbſt erfahren hat, iſt durchaus unfaͤhig, ſich dies Elend in ſeiner ganzen Groͤße vorzuſtellen. Mit dem Mangel an friſchem Waſſer wurden uns auch unſre trock- nen Lebensvorraͤthe an Erbſen, Graupen u. ſ. w unbrauchbar: denn mit Seewaſſer

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Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/51>, abgerufen am 21.11.2024.