Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite

gekocht, (wie wir es versuchten) blieben sie so
hart und waren zugleich von so bitterm Ge-
schmack, daß sie stets wie das heftigste Brech-
mittel wirkten. Ebensowenig konnten wir
unser Pökelfleisch ungewässert kochen und
verzehren, ohne unsern grausamen Durst
noch zu steigern; und selbst unsern trocknen
Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht
durch den ausgedörrten Hals zu würgen.

Jn diesem Drangsal erinnerte ich mich,
gehört zu haben, daß der sparsame Genuß
des Branntweins in solchen Fällen ein er-
probtes Mittel zur Linderung des Durstes
darbiete. Allein die kleine Probe, die wir
damit anstellten, bekam uns gar übel: denn
die Hitze dieses Getränks trieb uns soviel
Galle in den Magen, daß wir selbst den
Mund beständig voll davon hatten und dar-
über zum Sterben erkrankten. Trotz meiner
von jeher gleichsam eisernen Natur, befand
ich mich am elendesten unter Allen, und lag
bereits fast regungslos auf dem Verdeck dar-
nieder. Nur unsre Sklaven schienen im Gan-
zen von dieser Noth am wenigsten angefoch-
ten zu werden.

Jn der That aber war es mit derselben
bei uns schier auf das Höchste gestiegen, als
wir in der Ferne ein Segel ansichtig wurden
und um so freudiger darauf lossteuerten, da
wir es bald für ein holländisches erkannten.

Wir

gekocht, (wie wir es verſuchten) blieben ſie ſo
hart und waren zugleich von ſo bitterm Ge-
ſchmack, daß ſie ſtets wie das heftigſte Brech-
mittel wirkten. Ebenſowenig konnten wir
unſer Poͤkelfleiſch ungewaͤſſert kochen und
verzehren, ohne unſern grauſamen Durſt
noch zu ſteigern; und ſelbſt unſern trocknen
Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht
durch den ausgedoͤrrten Hals zu wuͤrgen.

Jn dieſem Drangſal erinnerte ich mich,
gehoͤrt zu haben, daß der ſparſame Genuß
des Branntweins in ſolchen Faͤllen ein er-
probtes Mittel zur Linderung des Durſtes
darbiete. Allein die kleine Probe, die wir
damit anſtellten, bekam uns gar uͤbel: denn
die Hitze dieſes Getraͤnks trieb uns ſoviel
Galle in den Magen, daß wir ſelbſt den
Mund beſtaͤndig voll davon hatten und dar-
uͤber zum Sterben erkrankten. Trotz meiner
von jeher gleichſam eiſernen Natur, befand
ich mich am elendeſten unter Allen, und lag
bereits faſt regungslos auf dem Verdeck dar-
nieder. Nur unſre Sklaven ſchienen im Gan-
zen von dieſer Noth am wenigſten angefoch-
ten zu werden.

Jn der That aber war es mit derſelben
bei uns ſchier auf das Hoͤchſte geſtiegen, als
wir in der Ferne ein Segel anſichtig wurden
und um ſo freudiger darauf losſteuerten, da
wir es bald fuͤr ein hollaͤndiſches erkannten.

Wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="48"/>
gekocht, (wie wir es ver&#x017F;uchten) blieben &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
hart und waren zugleich von &#x017F;o bitterm Ge-<lb/>
&#x017F;chmack, daß &#x017F;ie &#x017F;tets wie das heftig&#x017F;te Brech-<lb/>
mittel wirkten. Eben&#x017F;owenig konnten wir<lb/>
un&#x017F;er Po&#x0364;kelflei&#x017F;ch ungewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert kochen und<lb/>
verzehren, ohne un&#x017F;ern grau&#x017F;amen Dur&#x017F;t<lb/>
noch zu &#x017F;teigern; und &#x017F;elb&#x017F;t un&#x017F;ern trocknen<lb/>
Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht<lb/>
durch den ausgedo&#x0364;rrten Hals zu wu&#x0364;rgen.</p><lb/>
        <p>Jn die&#x017F;em Drang&#x017F;al erinnerte ich mich,<lb/>
geho&#x0364;rt zu haben, daß der &#x017F;par&#x017F;ame Genuß<lb/>
des Branntweins in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen ein er-<lb/>
probtes Mittel zur Linderung des Dur&#x017F;tes<lb/>
darbiete. Allein die kleine Probe, die wir<lb/>
damit an&#x017F;tellten, bekam uns gar u&#x0364;bel: denn<lb/>
die Hitze die&#x017F;es Getra&#x0364;nks trieb uns &#x017F;oviel<lb/>
Galle in den Magen, daß wir &#x017F;elb&#x017F;t den<lb/>
Mund be&#x017F;ta&#x0364;ndig voll davon hatten und dar-<lb/>
u&#x0364;ber zum Sterben erkrankten. Trotz meiner<lb/>
von jeher gleich&#x017F;am ei&#x017F;ernen Natur, befand<lb/><hi rendition="#g">ich</hi> mich am elende&#x017F;ten unter Allen, und lag<lb/>
bereits fa&#x017F;t regungslos auf dem Verdeck dar-<lb/>
nieder. Nur un&#x017F;re Sklaven &#x017F;chienen im Gan-<lb/>
zen von die&#x017F;er Noth am wenig&#x017F;ten angefoch-<lb/>
ten zu werden.</p><lb/>
        <p>Jn der That aber war es mit der&#x017F;elben<lb/>
bei uns &#x017F;chier auf das Ho&#x0364;ch&#x017F;te ge&#x017F;tiegen, als<lb/>
wir in der Ferne ein Segel an&#x017F;ichtig wurden<lb/>
und um &#x017F;o freudiger darauf los&#x017F;teuerten, da<lb/>
wir es bald fu&#x0364;r ein holla&#x0364;ndi&#x017F;ches erkannten.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0052] gekocht, (wie wir es verſuchten) blieben ſie ſo hart und waren zugleich von ſo bitterm Ge- ſchmack, daß ſie ſtets wie das heftigſte Brech- mittel wirkten. Ebenſowenig konnten wir unſer Poͤkelfleiſch ungewaͤſſert kochen und verzehren, ohne unſern grauſamen Durſt noch zu ſteigern; und ſelbſt unſern trocknen Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht durch den ausgedoͤrrten Hals zu wuͤrgen. Jn dieſem Drangſal erinnerte ich mich, gehoͤrt zu haben, daß der ſparſame Genuß des Branntweins in ſolchen Faͤllen ein er- probtes Mittel zur Linderung des Durſtes darbiete. Allein die kleine Probe, die wir damit anſtellten, bekam uns gar uͤbel: denn die Hitze dieſes Getraͤnks trieb uns ſoviel Galle in den Magen, daß wir ſelbſt den Mund beſtaͤndig voll davon hatten und dar- uͤber zum Sterben erkrankten. Trotz meiner von jeher gleichſam eiſernen Natur, befand ich mich am elendeſten unter Allen, und lag bereits faſt regungslos auf dem Verdeck dar- nieder. Nur unſre Sklaven ſchienen im Gan- zen von dieſer Noth am wenigſten angefoch- ten zu werden. Jn der That aber war es mit derſelben bei uns ſchier auf das Hoͤchſte geſtiegen, als wir in der Ferne ein Segel anſichtig wurden und um ſo freudiger darauf losſteuerten, da wir es bald fuͤr ein hollaͤndiſches erkannten. Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/52
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/52>, abgerufen am 24.11.2024.