Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

ganz übergienge und dadurch gleichsam stillschwei-
gend zurücknähme. Daß ich nicht gerne davon
spreche, wird man mir glauben; indeß stehe hier
meine treue und einfältige Erzählung!

Jn einer Nacht, wo es scharf über die Stadt
hergieng, (es war zwischen dem 1. und 2. Jul.)
befand ich mich auf dem Markte, neben dem
Sprützenhause, um sofort bei der Hand zu seyn,
wenn irgend etwa eine Bombe zündete. Hier
eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und
die weisse Schlafmütze in's Angesicht gezogen,
mit weiten Schritten an mir vorüber, und verlor
sich in einen Weinkeller, den man für bomben-
fest hielt und wohin sich deswegen bereits meh-
rere alte Männer, Frauen und Kinder, zusammt
einigen furchtsamen Bürgern, vor dem feindlichen
Geschoß geflüchtet hatten. Gleich nachher aber
stürmte aus eben diesem Keller der Haufe in
größter Verwirrung hervor; und indem ich mich
nach der Veranlassung erkundige, erfahre ich: Es
sey eine Granate durch das Gewölbe hineinge-
drungen. Jch steige hinunter, um mich zu über-
zeugen, ob Schaden geschehen und Hülfe nöthig
sey. Davon zeigt sich indeß nirgend eine Spur;
man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver-
lassenen Zufluchtsort zurück, und drei meiner Be-
kannten, rechtliche Männer, fordern mich auf,
noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas
Wein mit ihnen zu trinken.

Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-

3. Bändchen. (12)

ganz uͤbergienge und dadurch gleichſam ſtillſchwei-
gend zuruͤcknaͤhme. Daß ich nicht gerne davon
ſpreche, wird man mir glauben; indeß ſtehe hier
meine treue und einfaͤltige Erzaͤhlung!

Jn einer Nacht, wo es ſcharf uͤber die Stadt
hergieng, (es war zwiſchen dem 1. und 2. Jul.)
befand ich mich auf dem Markte, neben dem
Spruͤtzenhauſe, um ſofort bei der Hand zu ſeyn,
wenn irgend etwa eine Bombe zuͤndete. Hier
eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und
die weiſſe Schlafmuͤtze in’s Angeſicht gezogen,
mit weiten Schritten an mir voruͤber, und verlor
ſich in einen Weinkeller, den man fuͤr bomben-
feſt hielt und wohin ſich deswegen bereits meh-
rere alte Maͤnner, Frauen und Kinder, zuſammt
einigen furchtſamen Buͤrgern, vor dem feindlichen
Geſchoß gefluͤchtet hatten. Gleich nachher aber
ſtuͤrmte aus eben dieſem Keller der Haufe in
groͤßter Verwirrung hervor; und indem ich mich
nach der Veranlaſſung erkundige, erfahre ich: Es
ſey eine Granate durch das Gewoͤlbe hineinge-
drungen. Jch ſteige hinunter, um mich zu uͤber-
zeugen, ob Schaden geſchehen und Huͤlfe noͤthig
ſey. Davon zeigt ſich indeß nirgend eine Spur;
man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver-
laſſenen Zufluchtsort zuruͤck, und drei meiner Be-
kannten, rechtliche Maͤnner, fordern mich auf,
noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas
Wein mit ihnen zu trinken.

Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-

3. Baͤndchen. (12)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="177"/>
ganz u&#x0364;bergienge und dadurch gleich&#x017F;am &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
gend zuru&#x0364;ckna&#x0364;hme. Daß ich nicht <hi rendition="#g">gerne</hi> davon<lb/>
&#x017F;preche, wird man mir glauben; indeß &#x017F;tehe hier<lb/>
meine treue und einfa&#x0364;ltige Erza&#x0364;hlung!</p><lb/>
        <p>Jn einer Nacht, wo es &#x017F;charf u&#x0364;ber die Stadt<lb/>
hergieng, (es war zwi&#x017F;chen dem 1. und 2. Jul.)<lb/>
befand ich mich auf dem Markte, neben dem<lb/>
Spru&#x0364;tzenhau&#x017F;e, um &#x017F;ofort bei der Hand zu &#x017F;eyn,<lb/>
wenn irgend etwa eine Bombe zu&#x0364;ndete. Hier<lb/>
eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und<lb/>
die wei&#x017F;&#x017F;e Schlafmu&#x0364;tze in&#x2019;s Ange&#x017F;icht gezogen,<lb/>
mit weiten Schritten an mir voru&#x0364;ber, und verlor<lb/>
&#x017F;ich in einen Weinkeller, den man fu&#x0364;r bomben-<lb/>
fe&#x017F;t hielt und wohin &#x017F;ich deswegen bereits meh-<lb/>
rere alte Ma&#x0364;nner, Frauen und Kinder, zu&#x017F;ammt<lb/>
einigen furcht&#x017F;amen Bu&#x0364;rgern, vor dem feindlichen<lb/>
Ge&#x017F;choß geflu&#x0364;chtet hatten. Gleich nachher aber<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmte aus eben die&#x017F;em Keller der Haufe in<lb/>
gro&#x0364;ßter Verwirrung hervor; und indem ich mich<lb/>
nach der Veranla&#x017F;&#x017F;ung erkundige, erfahre ich: Es<lb/>
&#x017F;ey eine Granate durch das Gewo&#x0364;lbe hineinge-<lb/>
drungen. Jch &#x017F;teige hinunter, um mich zu u&#x0364;ber-<lb/>
zeugen, ob Schaden ge&#x017F;chehen und Hu&#x0364;lfe no&#x0364;thig<lb/>
&#x017F;ey. Davon zeigt &#x017F;ich indeß nirgend eine Spur;<lb/>
man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;enen Zufluchtsort zuru&#x0364;ck, und drei meiner Be-<lb/>
kannten, rechtliche Ma&#x0364;nner, fordern mich auf,<lb/>
noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas<lb/>
Wein mit ihnen zu trinken.</p><lb/>
        <p>Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3. Ba&#x0364;ndchen. (12)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0193] ganz uͤbergienge und dadurch gleichſam ſtillſchwei- gend zuruͤcknaͤhme. Daß ich nicht gerne davon ſpreche, wird man mir glauben; indeß ſtehe hier meine treue und einfaͤltige Erzaͤhlung! Jn einer Nacht, wo es ſcharf uͤber die Stadt hergieng, (es war zwiſchen dem 1. und 2. Jul.) befand ich mich auf dem Markte, neben dem Spruͤtzenhauſe, um ſofort bei der Hand zu ſeyn, wenn irgend etwa eine Bombe zuͤndete. Hier eilte nun ein Mann im grauen Regenmantel und die weiſſe Schlafmuͤtze in’s Angeſicht gezogen, mit weiten Schritten an mir voruͤber, und verlor ſich in einen Weinkeller, den man fuͤr bomben- feſt hielt und wohin ſich deswegen bereits meh- rere alte Maͤnner, Frauen und Kinder, zuſammt einigen furchtſamen Buͤrgern, vor dem feindlichen Geſchoß gefluͤchtet hatten. Gleich nachher aber ſtuͤrmte aus eben dieſem Keller der Haufe in groͤßter Verwirrung hervor; und indem ich mich nach der Veranlaſſung erkundige, erfahre ich: Es ſey eine Granate durch das Gewoͤlbe hineinge- drungen. Jch ſteige hinunter, um mich zu uͤber- zeugen, ob Schaden geſchehen und Huͤlfe noͤthig ſey. Davon zeigt ſich indeß nirgend eine Spur; man faßt nun wieder Muth, kehrt in den ver- laſſenen Zufluchtsort zuruͤck, und drei meiner Be- kannten, rechtliche Maͤnner, fordern mich auf, noch einige Augenblicke zu verweilen und ein Glas Wein mit ihnen zu trinken. Jndem ich mir nun hierbei die bunte Ver- 3. Baͤndchen. (12)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/193
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/193>, abgerufen am 23.11.2024.