Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

ähnliches Abentheuer geben. Denn indem ich
mich von dem Jammerbilde nach einer andern
Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen,
und auf dasselbe hingestreckt ein Mensch, der noth-
wendig auch eine Militair-Person seyn mußte,
da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem
Portepee niederhieng. Mein Gesicht mochte bei
diesem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen
aussehen: denn unaufgefordert, erklärten mir
meine Freunde, die hier Bescheid wußten: Es
sey der Lieutenant ***, der sich zu gütlich gethan
und in diesem, ihm gewöhnlichen Zustande so sei-
nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe.
Das war mir ein Greuel mit anzuhören! Jch
riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: "Herr,
plagt Sie ... Was haben Sie hier zu schaf-
fen? Heraus, und auf Jhren Posten! Hören
Sie den Geschützdonner nicht?"

Brummend taumelte er empor, und sich mit
Mühe auf den Füßen haltend, tobte der Jämmer-
liche: "Warum wird das verfluchte Loch nicht
übergeben, damit man nur Einmal aus dem mi-
serablen Neste herauskäme!" -- Jch traute mei-
nen eignen Ohren nicht, und hätte mich warlich
an dem Elenden thätlich vergriffen, wenn meine
gelasseneren Freunde mir nicht in den Arm ge-
fallen wären; während Jener wieder auf sein
Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein-
flaschen er heute schon den Hals gebrochen.

Beide Auftritte waren indeß zu öffentlich und

(12 *)

aͤhnliches Abentheuer geben. Denn indem ich
mich von dem Jammerbilde nach einer andern
Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen,
und auf daſſelbe hingeſtreckt ein Menſch, der noth-
wendig auch eine Militair-Perſon ſeyn mußte,
da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem
Portepee niederhieng. Mein Geſicht mochte bei
dieſem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen
ausſehen: denn unaufgefordert, erklaͤrten mir
meine Freunde, die hier Beſcheid wußten: Es
ſey der Lieutenant ***, der ſich zu guͤtlich gethan
und in dieſem, ihm gewoͤhnlichen Zuſtande ſo ſei-
nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe.
Das war mir ein Greuel mit anzuhoͤren! Jch
riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: „Herr,
plagt Sie … Was haben Sie hier zu ſchaf-
fen? Heraus, und auf Jhren Poſten! Hoͤren
Sie den Geſchuͤtzdonner nicht?‟

Brummend taumelte er empor, und ſich mit
Muͤhe auf den Fuͤßen haltend, tobte der Jaͤmmer-
liche: „Warum wird das verfluchte Loch nicht
uͤbergeben, damit man nur Einmal aus dem mi-
ſerablen Neſte herauskaͤme!‟ — Jch traute mei-
nen eignen Ohren nicht, und haͤtte mich warlich
an dem Elenden thaͤtlich vergriffen, wenn meine
gelaſſeneren Freunde mir nicht in den Arm ge-
fallen waͤren; waͤhrend Jener wieder auf ſein
Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein-
flaſchen er heute ſchon den Hals gebrochen.

Beide Auftritte waren indeß zu oͤffentlich und

(12 *)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="179"/>
a&#x0364;hnliches Abentheuer geben. Denn indem ich<lb/>
mich von dem Jammerbilde nach einer andern<lb/>
Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen,<lb/>
und auf da&#x017F;&#x017F;elbe hinge&#x017F;treckt ein Men&#x017F;ch, der noth-<lb/>
wendig auch eine Militair-Per&#x017F;on &#x017F;eyn mußte,<lb/>
da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem<lb/>
Portepee niederhieng. Mein Ge&#x017F;icht mochte bei<lb/>
die&#x017F;em Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen<lb/>
aus&#x017F;ehen: denn unaufgefordert, erkla&#x0364;rten mir<lb/>
meine Freunde, die hier Be&#x017F;cheid wußten: Es<lb/>
&#x017F;ey der Lieutenant ***, der &#x017F;ich zu gu&#x0364;tlich gethan<lb/>
und in die&#x017F;em, ihm gewo&#x0364;hnlichen Zu&#x017F;tande &#x017F;o &#x017F;ei-<lb/>
nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe.<lb/>
Das war mir ein Greuel mit anzuho&#x0364;ren! Jch<lb/>
riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: &#x201E;Herr,<lb/>
plagt Sie &#x2026; Was haben Sie <hi rendition="#g">hier</hi> zu &#x017F;chaf-<lb/>
fen? Heraus, und auf Jhren Po&#x017F;ten! Ho&#x0364;ren<lb/>
Sie den Ge&#x017F;chu&#x0364;tzdonner nicht?&#x201F;</p><lb/>
        <p>Brummend taumelte er empor, und &#x017F;ich mit<lb/>
Mu&#x0364;he auf den Fu&#x0364;ßen haltend, tobte der Ja&#x0364;mmer-<lb/>
liche: &#x201E;Warum wird das verfluchte Loch nicht<lb/>
u&#x0364;bergeben, damit man nur Einmal aus dem mi-<lb/>
&#x017F;erablen Ne&#x017F;te herauska&#x0364;me!&#x201F; &#x2014; Jch traute mei-<lb/>
nen eignen Ohren nicht, und ha&#x0364;tte mich warlich<lb/>
an dem Elenden tha&#x0364;tlich vergriffen, wenn meine<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;eneren Freunde mir nicht in den Arm ge-<lb/>
fallen wa&#x0364;ren; wa&#x0364;hrend Jener wieder auf &#x017F;ein<lb/>
Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein-<lb/>
fla&#x017F;chen er heute &#x017F;chon den Hals gebrochen.</p><lb/>
        <p>Beide Auftritte waren indeß zu o&#x0364;ffentlich und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(12 *)</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0195] aͤhnliches Abentheuer geben. Denn indem ich mich von dem Jammerbilde nach einer andern Seite wende, fiel mir ein Feldbette in die Augen, und auf daſſelbe hingeſtreckt ein Menſch, der noth- wendig auch eine Militair-Perſon ſeyn mußte, da unter der Bettdecke hervor ein Degen mit dem Portepee niederhieng. Mein Geſicht mochte bei dieſem Anblicke wohl wie ein großes Fragzeichen ausſehen: denn unaufgefordert, erklaͤrten mir meine Freunde, die hier Beſcheid wußten: Es ſey der Lieutenant ***, der ſich zu guͤtlich gethan und in dieſem, ihm gewoͤhnlichen Zuſtande ſo ſei- nen Aus- und Eingang im Weinkeller habe. Das war mir ein Greuel mit anzuhoͤren! Jch riß ihm die Bettdecke vom Leibe, und rief: „Herr, plagt Sie … Was haben Sie hier zu ſchaf- fen? Heraus, und auf Jhren Poſten! Hoͤren Sie den Geſchuͤtzdonner nicht?‟ Brummend taumelte er empor, und ſich mit Muͤhe auf den Fuͤßen haltend, tobte der Jaͤmmer- liche: „Warum wird das verfluchte Loch nicht uͤbergeben, damit man nur Einmal aus dem mi- ſerablen Neſte herauskaͤme!‟ — Jch traute mei- nen eignen Ohren nicht, und haͤtte mich warlich an dem Elenden thaͤtlich vergriffen, wenn meine gelaſſeneren Freunde mir nicht in den Arm ge- fallen waͤren; waͤhrend Jener wieder auf ſein Lager niedertorkelte und prahlte, wieviel Wein- flaſchen er heute ſchon den Hals gebrochen. Beide Auftritte waren indeß zu oͤffentlich und (12 *)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/195
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/195>, abgerufen am 17.05.2024.