Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Rapport von der entsandten Verstärkung ein-
gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und
Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den
Wall hinunter.

Von einem Pulverwagen, der mir in den
Weg kam, strängte ich ein Zugpferd ab, warf
mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin-
aus. Die Nacht war stockfinster geworden. Als
ich über die sogenannte Kuhbrücke kam, stutzte
mein Gaul, hob sich und wollte, trotz all mei-
nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward
ich gewahr, daß er sich vor einem Soldaten
scheute, der sich, dicht vor seinen Füßen, queer
über den Weg gelagert hatte. Der Bursche hatte
geschlafen; und mit ihm ward es auf Einmal
rund um mich her wach und laut, und ein Du-
tzend Baßkehlen rief: "Holla! holla! Nur sachte!"
-- Mit Einem Blicke übersah ich nun die saubre
Schlaf-Compagnie, die sich hier meist in's Gras
gestreckt hatte, anstatt den bedrängten Cameraden
weiter vorwärts Luft zu machen.

Jm bittern Unmuth meines Herzens stürmte
ich auf sie ein, und rief: "Jhr seyd mir schöne
Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen könnt
und schnarchen!" -- Beschämt wichen sie mir zu
beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und
nun auch auf ihren edlen Anführer stieß, der sich
sein Ruheplätzchen hart am Heckenzaune ausge-
sucht hatte, den Kopf nur so eben aus dem
Mantel hervorstreckte und mir einen guten Mor-

Rapport von der entſandten Verſtaͤrkung ein-
gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und
Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den
Wall hinunter.

Von einem Pulverwagen, der mir in den
Weg kam, ſtraͤngte ich ein Zugpferd ab, warf
mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin-
aus. Die Nacht war ſtockfinſter geworden. Als
ich uͤber die ſogenannte Kuhbruͤcke kam, ſtutzte
mein Gaul, hob ſich und wollte, trotz all mei-
nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward
ich gewahr, daß er ſich vor einem Soldaten
ſcheute, der ſich, dicht vor ſeinen Fuͤßen, queer
uͤber den Weg gelagert hatte. Der Burſche hatte
geſchlafen; und mit ihm ward es auf Einmal
rund um mich her wach und laut, und ein Du-
tzend Baßkehlen rief: „Holla! holla! Nur ſachte!‟
— Mit Einem Blicke uͤberſah ich nun die ſaubre
Schlaf-Compagnie, die ſich hier meiſt in’s Gras
geſtreckt hatte, anſtatt den bedraͤngten Cameraden
weiter vorwaͤrts Luft zu machen.

Jm bittern Unmuth meines Herzens ſtuͤrmte
ich auf ſie ein, und rief: „Jhr ſeyd mir ſchoͤne
Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen koͤnnt
und ſchnarchen!‟ — Beſchaͤmt wichen ſie mir zu
beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und
nun auch auf ihren edlen Anfuͤhrer ſtieß, der ſich
ſein Ruheplaͤtzchen hart am Heckenzaune ausge-
ſucht hatte, den Kopf nur ſo eben aus dem
Mantel hervorſtreckte und mir einen guten Mor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0197" n="181"/>
Rapport von der ent&#x017F;andten Ver&#x017F;ta&#x0364;rkung ein-<lb/>
gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und<lb/>
Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den<lb/>
Wall hinunter.</p><lb/>
        <p>Von einem Pulverwagen, der mir in den<lb/>
Weg kam, &#x017F;tra&#x0364;ngte ich ein Zugpferd ab, warf<lb/>
mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin-<lb/>
aus. Die Nacht war &#x017F;tockfin&#x017F;ter geworden. Als<lb/>
ich u&#x0364;ber die &#x017F;ogenannte Kuhbru&#x0364;cke kam, &#x017F;tutzte<lb/>
mein Gaul, hob &#x017F;ich und wollte, trotz all mei-<lb/>
nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward<lb/>
ich gewahr, daß er &#x017F;ich vor einem Soldaten<lb/>
&#x017F;cheute, der &#x017F;ich, dicht vor &#x017F;einen Fu&#x0364;ßen, queer<lb/>
u&#x0364;ber den Weg gelagert hatte. Der Bur&#x017F;che hatte<lb/>
ge&#x017F;chlafen; und mit ihm ward es auf Einmal<lb/>
rund um mich her wach und laut, und ein Du-<lb/>
tzend Baßkehlen rief: &#x201E;Holla! holla! Nur &#x017F;achte!&#x201F;<lb/>
&#x2014; Mit Einem Blicke u&#x0364;ber&#x017F;ah ich nun die &#x017F;aubre<lb/>
Schlaf-Compagnie, die &#x017F;ich hier mei&#x017F;t in&#x2019;s Gras<lb/>
ge&#x017F;treckt hatte, an&#x017F;tatt den bedra&#x0364;ngten Cameraden<lb/>
weiter vorwa&#x0364;rts Luft zu machen.</p><lb/>
        <p>Jm bittern Unmuth meines Herzens &#x017F;tu&#x0364;rmte<lb/>
ich auf &#x017F;ie ein, und rief: &#x201E;Jhr &#x017F;eyd mir &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen ko&#x0364;nnt<lb/>
und &#x017F;chnarchen!&#x201F; &#x2014; Be&#x017F;cha&#x0364;mt wichen &#x017F;ie mir zu<lb/>
beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und<lb/>
nun auch auf ihren edlen Anfu&#x0364;hrer &#x017F;tieß, der &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ein Ruhepla&#x0364;tzchen hart am Heckenzaune ausge-<lb/>
&#x017F;ucht hatte, den Kopf nur &#x017F;o eben aus dem<lb/>
Mantel hervor&#x017F;treckte und mir einen guten Mor-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0197] Rapport von der entſandten Verſtaͤrkung ein- gieng. Jch erbot mich, Nachricht an Ort und Stelle einzuziehen, und eilte von dannen, den Wall hinunter. Von einem Pulverwagen, der mir in den Weg kam, ſtraͤngte ich ein Zugpferd ab, warf mich hinauf und trabte zum Gelder-Thore hin- aus. Die Nacht war ſtockfinſter geworden. Als ich uͤber die ſogenannte Kuhbruͤcke kam, ſtutzte mein Gaul, hob ſich und wollte, trotz all mei- nem Treiben, nicht von der Stelle. Endlich ward ich gewahr, daß er ſich vor einem Soldaten ſcheute, der ſich, dicht vor ſeinen Fuͤßen, queer uͤber den Weg gelagert hatte. Der Burſche hatte geſchlafen; und mit ihm ward es auf Einmal rund um mich her wach und laut, und ein Du- tzend Baßkehlen rief: „Holla! holla! Nur ſachte!‟ — Mit Einem Blicke uͤberſah ich nun die ſaubre Schlaf-Compagnie, die ſich hier meiſt in’s Gras geſtreckt hatte, anſtatt den bedraͤngten Cameraden weiter vorwaͤrts Luft zu machen. Jm bittern Unmuth meines Herzens ſtuͤrmte ich auf ſie ein, und rief: „Jhr ſeyd mir ſchoͤne Helden! Pfui euch an, daß ihr hier liegen koͤnnt und ſchnarchen!‟ — Beſchaͤmt wichen ſie mir zu beiden Seiten aus, bis ich weiterhin kam und nun auch auf ihren edlen Anfuͤhrer ſtieß, der ſich ſein Ruheplaͤtzchen hart am Heckenzaune ausge- ſucht hatte, den Kopf nur ſo eben aus dem Mantel hervorſtreckte und mir einen guten Mor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/197
Zitationshilfe: Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/197>, abgerufen am 23.11.2024.