sammenschlugen, nicht so zu Sinne gewesen wäre, als müßt' ich eben jetzt auch Gut und Blut und die letzte Kraft meines Lebens für sie aufbieten. Nicht mit Reden und Schreiben, aber mit der That, dachte ich, sey hier zu helfen; -- Jeder auf seinem Posten, ohne sich erst lange, feig und klug, vor- und rückwärts umzusehen! Alle für Einen, und Einer für Alle -- Darauf war mein Sinn gestellt; und es hätte ja keine Ehre und Treue mehr unter meinen Landsleuten seyn müs- sen, meynte ich, wenn nicht Tausende mir gleich gefühlt hätten, ohne es ebensowenig, als ich, in lauten prahlenden Worten unter die Leute zu bringen.
Als nun Magdeburg und Stettin, die bei- den Herzen des Staates, gefallen waren und die ungestüme französische Windsbraut sich immer näher und drohender gegen die Weichsel heran- zog: da ließ sich's freilich wohl voraussehen, daß bald genug auch die Feste Colberg an die Reihe kommen würde, die dem Feinde zwar unbedeutend erscheinen mochte, aber ihm doch zu nahe in sei- nem Wege lag, als daß er sie ganz hätte über- sehen sollen. Das that er auch wirklich nicht: allein er hatte sich diese letzte Zeit her bei unsern Festungen eine Eroberungs-Manier angewöhnt, die kein Pulver, sondern nur glatte Worte ko- stet; und damit war er fürwahr auch noch früher bei der Hand, als ein Mensch es hätte erwarten sollen.
ſammenſchlugen, nicht ſo zu Sinne geweſen waͤre, als muͤßt’ ich eben jetzt auch Gut und Blut und die letzte Kraft meines Lebens fuͤr ſie aufbieten. Nicht mit Reden und Schreiben, aber mit der That, dachte ich, ſey hier zu helfen; — Jeder auf ſeinem Poſten, ohne ſich erſt lange, feig und klug, vor- und ruͤckwaͤrts umzuſehen! Alle fuͤr Einen, und Einer fuͤr Alle — Darauf war mein Sinn geſtellt; und es haͤtte ja keine Ehre und Treue mehr unter meinen Landsleuten ſeyn muͤſ- ſen, meynte ich, wenn nicht Tauſende mir gleich gefuͤhlt haͤtten, ohne es ebenſowenig, als ich, in lauten prahlenden Worten unter die Leute zu bringen.
Als nun Magdeburg und Stettin, die bei- den Herzen des Staates, gefallen waren und die ungeſtuͤme franzoͤſiſche Windsbraut ſich immer naͤher und drohender gegen die Weichſel heran- zog: da ließ ſich’s freilich wohl vorausſehen, daß bald genug auch die Feſte Colberg an die Reihe kommen wuͤrde, die dem Feinde zwar unbedeutend erſcheinen mochte, aber ihm doch zu nahe in ſei- nem Wege lag, als daß er ſie ganz haͤtte uͤber- ſehen ſollen. Das that er auch wirklich nicht: allein er hatte ſich dieſe letzte Zeit her bei unſern Feſtungen eine Eroberungs-Manier angewoͤhnt, die kein Pulver, ſondern nur glatte Worte ko- ſtet; und damit war er fuͤrwahr auch noch fruͤher bei der Hand, als ein Menſch es haͤtte erwarten ſollen.
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ſammenſchlugen, nicht ſo zu Sinne geweſen waͤre,
als muͤßt’ ich eben jetzt auch Gut und Blut und
die letzte Kraft meines Lebens fuͤr ſie aufbieten.
Nicht mit Reden und Schreiben, aber mit der
That, dachte ich, ſey hier zu helfen; — Jeder
auf ſeinem Poſten, ohne ſich erſt lange, feig und
klug, vor- und ruͤckwaͤrts umzuſehen! Alle fuͤr
Einen, und Einer fuͤr Alle — Darauf war mein
Sinn geſtellt; und es haͤtte ja keine Ehre und
Treue mehr unter meinen Landsleuten ſeyn muͤſ-
ſen, meynte ich, wenn nicht Tauſende mir gleich
gefuͤhlt haͤtten, ohne es ebenſowenig, als ich, in
lauten prahlenden Worten unter die Leute zu
bringen.
Als nun Magdeburg und Stettin, die bei-
den Herzen des Staates, gefallen waren und die
ungeſtuͤme franzoͤſiſche Windsbraut ſich immer
naͤher und drohender gegen die Weichſel heran-
zog: da ließ ſich’s freilich wohl vorausſehen, daß
bald genug auch die Feſte Colberg an die Reihe
kommen wuͤrde, die dem Feinde zwar unbedeutend
erſcheinen mochte, aber ihm doch zu nahe in ſei-
nem Wege lag, als daß er ſie ganz haͤtte uͤber-
ſehen ſollen. Das that er auch wirklich nicht:
allein er hatte ſich dieſe letzte Zeit her bei unſern
Feſtungen eine Eroberungs-Manier angewoͤhnt,
die kein Pulver, ſondern nur glatte Worte ko-
ſtet; und damit war er fuͤrwahr auch noch fruͤher
bei der Hand, als ein Menſch es haͤtte erwarten
ſollen.
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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