Kaum war nemlich Stettin übergegangen, so machte sich von dorther, aus einer Entfernung von 16 Meilen, ein französischer Officier, als Parlamentair, auf den Weg und erschien (am 8. Nov.) bei uns in Colberg, um die Festung zur Uebergabe aufzufordern. Gleichzeitig ward der königliche Domainen-Beamte, der auf der Altstadt, unter den Kanonen des Platzes, wohnte, entboten, in Stettin zu erscheinen und dem fran- zösischen Gouvernement den Huldigungs-Eid zu leisten. Auf beiderlei Ansinnen (das mindestens für unsern Festungs-Commandanten als eine Ehrenrührigkeit hätte gelten können) erfolgte zwar eine abschlägige Antwort: allein es ist wohl sehr gewiß, daß der Franzose, anstatt allein zu kommen, nur einige wenige Hunderte zur Be- gleitung hätte haben dürfen, um in diesem Au- genblicke unaufgehalten zu unsern Thoren einzu- ziehen. Dies scheint unglaublich und ist doch buchstäbliche Wahrheit! Jch, der ich nicht Sol- dat bin, und mir's also eben so wenig heraus- nehme, über militairische Gegenstände zu ent- scheiden, als ich mich klüglich hüten werde, hier eine kunstgerechte Beschreibung der Belagerung Colbergs zu unternehmen, kann und will nur urtheilen, soweit ein gesundes Paar Augen und mein schlichter Menschenverstand ausreicht; -- Das Uebrige mag dem Ermessen des geneigten Lesers anheimgestellt bleiben.
Denke sich derselbe diesen Ort als ein mä-
Kaum war nemlich Stettin uͤbergegangen, ſo machte ſich von dorther, aus einer Entfernung von 16 Meilen, ein franzoͤſiſcher Officier, als Parlamentair, auf den Weg und erſchien (am 8. Nov.) bei uns in Colberg, um die Feſtung zur Uebergabe aufzufordern. Gleichzeitig ward der koͤnigliche Domainen-Beamte, der auf der Altſtadt, unter den Kanonen des Platzes, wohnte, entboten, in Stettin zu erſcheinen und dem fran- zoͤſiſchen Gouvernement den Huldigungs-Eid zu leiſten. Auf beiderlei Anſinnen (das mindeſtens fuͤr unſern Feſtungs-Commandanten als eine Ehrenruͤhrigkeit haͤtte gelten koͤnnen) erfolgte zwar eine abſchlaͤgige Antwort: allein es iſt wohl ſehr gewiß, daß der Franzoſe, anſtatt allein zu kommen, nur einige wenige Hunderte zur Be- gleitung haͤtte haben duͤrfen, um in dieſem Au- genblicke unaufgehalten zu unſern Thoren einzu- ziehen. Dies ſcheint unglaublich und iſt doch buchſtaͤbliche Wahrheit! Jch, der ich nicht Sol- dat bin, und mir’s alſo eben ſo wenig heraus- nehme, uͤber militairiſche Gegenſtaͤnde zu ent- ſcheiden, als ich mich kluͤglich huͤten werde, hier eine kunſtgerechte Beſchreibung der Belagerung Colbergs zu unternehmen, kann und will nur urtheilen, ſoweit ein geſundes Paar Augen und mein ſchlichter Menſchenverſtand ausreicht; — Das Uebrige mag dem Ermeſſen des geneigten Leſers anheimgeſtellt bleiben.
Denke ſich derſelbe dieſen Ort als ein maͤ-
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Kaum war nemlich Stettin uͤbergegangen,
ſo machte ſich von dorther, aus einer Entfernung
von 16 Meilen, ein franzoͤſiſcher Officier, als
Parlamentair, auf den Weg und erſchien (am
8. Nov.) bei uns in Colberg, um die Feſtung
zur Uebergabe aufzufordern. Gleichzeitig ward
der koͤnigliche Domainen-Beamte, der auf der
Altſtadt, unter den Kanonen des Platzes, wohnte,
entboten, in Stettin zu erſcheinen und dem fran-
zoͤſiſchen Gouvernement den Huldigungs-Eid zu
leiſten. Auf beiderlei Anſinnen (das mindeſtens
fuͤr unſern Feſtungs-Commandanten als eine
Ehrenruͤhrigkeit haͤtte gelten koͤnnen) erfolgte
zwar eine abſchlaͤgige Antwort: allein es iſt wohl
ſehr gewiß, daß der Franzoſe, anſtatt allein zu
kommen, nur einige wenige Hunderte zur Be-
gleitung haͤtte haben duͤrfen, um in dieſem Au-
genblicke unaufgehalten zu unſern Thoren einzu-
ziehen. Dies ſcheint unglaublich und iſt doch
buchſtaͤbliche Wahrheit! Jch, der ich nicht Sol-
dat bin, und mir’s alſo eben ſo wenig heraus-
nehme, uͤber militairiſche Gegenſtaͤnde zu ent-
ſcheiden, als ich mich kluͤglich huͤten werde, hier
eine kunſtgerechte Beſchreibung der Belagerung
Colbergs zu unternehmen, kann und will nur
urtheilen, ſoweit ein geſundes Paar Augen und
mein ſchlichter Menſchenverſtand ausreicht; —
Das Uebrige mag dem Ermeſſen des geneigten
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Denke ſich derſelbe dieſen Ort als ein maͤ-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/53>, abgerufen am 16.02.2025.
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