Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.nieren, vielmehr von ihren Pflichten gegen Gott und ihren Nebenmenschen, die Rede. Anstatt zu lehren, wie ein Schminkpflästerchen mit Coketterie zu legen, oder wie eine Affaire de Coeur am rechten Ende einzusädeln sey, worin die gute Mariane ohnedies sehr unwissend war, suchte sie ihnen viel- mehr einzuprägen, daß sie ihren Geist mit nützlichen Kenntnissen auszieren, und ihr Herz der Wohlthä- tigkeit und der Menschenliebe beständig offen erhalten müßten. Die Lettres d'une Religieuse portugaise wur- den daher sehr bald von Steelens Frauenzimmer- bibliothek und Hippolyte Comte de Douglas von der ganzen Pflicht des Menschen verdrungen. Hieraus ist leicht abzunehmen, daß überhaupt an- und M 2
nieren, vielmehr von ihren Pflichten gegen Gott und ihren Nebenmenſchen, die Rede. Anſtatt zu lehren, wie ein Schminkpflaͤſterchen mit Coketterie zu legen, oder wie eine Affaire de Cœur am rechten Ende einzuſaͤdeln ſey, worin die gute Mariane ohnedies ſehr unwiſſend war, ſuchte ſie ihnen viel- mehr einzupraͤgen, daß ſie ihren Geiſt mit nuͤtzlichen Kenntniſſen auszieren, und ihr Herz der Wohlthaͤ- tigkeit und der Menſchenliebe beſtaͤndig offen erhalten muͤßten. Die Lettres d’une Religieuſe portugaiſe wur- den daher ſehr bald von Steelens Frauenzimmer- bibliothek und Hippolyte Comte de Douglas von der ganzen Pflicht des Menſchen verdrungen. Hieraus iſt leicht abzunehmen, daß uͤberhaupt an- und M 2
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nieren, vielmehr von ihren Pflichten gegen
Gott und ihren Nebenmenſchen, die Rede.
Anſtatt zu lehren, wie ein Schminkpflaͤſterchen mit
Coketterie zu legen, oder wie eine Affaire de Cœur am
rechten Ende einzuſaͤdeln ſey, worin die gute Mariane
ohnedies ſehr unwiſſend war, ſuchte ſie ihnen viel-
mehr einzupraͤgen, daß ſie ihren Geiſt mit nuͤtzlichen
Kenntniſſen auszieren, und ihr Herz der Wohlthaͤ-
tigkeit und der Menſchenliebe beſtaͤndig offen erhalten
muͤßten. Die Lettres d’une Religieuſe portugaiſe wur-
den daher ſehr bald von Steelens Frauenzimmer-
bibliothek und Hippolyte Comte de Douglas von der
ganzen Pflicht des Menſchen verdrungen.
Hieraus iſt leicht abzunehmen, daß uͤberhaupt an-
ſtatt der gebotenen franzoͤſiſchen, ſehr oft die conter-
bande deutſche Lectur, insgeheim werde uͤberhand ge-
nommen haben. Mariane hatte freylich zu wenig
monde, um einzuſehen, daß jungen deutſchen Damen
die deutſche Sprache ganz unnoͤthig ſey. Sie hatte
noch keinen Begriff davon, daß man, um ſtandes-
maͤßig zu leben, in ſeinem eigenen Vaterlande fremde
werden muͤſſe. Wie konnte es auch anders ſeyn? Sie
kannte die große Welt ſo wenig, als die junge Fraͤu-
lein, die ſie unterrichten ſollte, und glaubte treuher-
zigerweiſe, man lebe nur, um ſelbſt beſſer zu werden,
und
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