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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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und neuen zu erfinden. Sie gebrauchte sich dieses
Talents auch jetzt. Wenn ihre Fräulein besonders
fleißig und gehorsam waren, so belohnte sie ihren Fleiß
mit einem nach neuer Mode gestecktem Kopfzeuge,
oder anderm Frauenzimmerputz, den sie so zu wählen
wuste, daß dadurch derselben natürliche gute Leibesge-
stalt mehr erhoben ward. Jn kurzer Zeit war ihr
ganzer alter Putz mit neuem nach dem besten Geschma-
cke verwechselt. Den scharfsinnigen Augen der Frau
von Hohenauf konnte diese Veränderung nicht ent-
gehen, und sie bemerkte sie mit so großem Wohlgefal-
len, daß sie es Marianen, wegen ihrer Geschicklich-
keit im Putzmachen zu vergeben anfing, daß sie
die Seelen ihrer Fräulein bilden wolte. Noch
grösser ward die Gunst, als Mariane, durch
so glücklichen Erfolg aufgemuntert, es wagte, für die
Frau von Hohenauf selbst zu arbeiten, die bisher
ihren sämtlichen Putz aus der ersten Quelle, aus Pa-
ris,
verschrieben hatte. Sie brachte eine Comete aux
Zephyrs
*) zustande, die in der nächsten Assemblee ein

großes
*) Unmodischen Lesern und Leserinnen sey kund, daß dies eine Art
eines kleinen Kopfzeuges ist, das, glaubwürdigen Nachrichten
zufolge, im Winter wieder sehr stark getragen wird.
Es ist zu hoffen, niemand in Deutschland werde so
barbarisch-unwissend seyn, nicht zu wissen, daß ein Comet
ein
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und neuen zu erfinden. Sie gebrauchte ſich dieſes
Talents auch jetzt. Wenn ihre Fraͤulein beſonders
fleißig und gehorſam waren, ſo belohnte ſie ihren Fleiß
mit einem nach neuer Mode geſtecktem Kopfzeuge,
oder anderm Frauenzimmerputz, den ſie ſo zu waͤhlen
wuſte, daß dadurch derſelben natuͤrliche gute Leibesge-
ſtalt mehr erhoben ward. Jn kurzer Zeit war ihr
ganzer alter Putz mit neuem nach dem beſten Geſchma-
cke verwechſelt. Den ſcharfſinnigen Augen der Frau
von Hohenauf konnte dieſe Veraͤnderung nicht ent-
gehen, und ſie bemerkte ſie mit ſo großem Wohlgefal-
len, daß ſie es Marianen, wegen ihrer Geſchicklich-
keit im Putzmachen zu vergeben anfing, daß ſie
die Seelen ihrer Fraͤulein bilden wolte. Noch
groͤſſer ward die Gunſt, als Mariane, durch
ſo gluͤcklichen Erfolg aufgemuntert, es wagte, fuͤr die
Frau von Hohenauf ſelbſt zu arbeiten, die bisher
ihren ſaͤmtlichen Putz aus der erſten Quelle, aus Pa-
ris,
verſchrieben hatte. Sie brachte eine Comete aux
Zephyrs
*) zuſtande, die in der naͤchſten Aſſemblee ein

großes
*) Unmodiſchen Leſern und Leſerinnen ſey kund, daß dies eine Art
eines kleinen Kopfzeuges iſt, das, glaubwuͤrdigen Nachrichten
zufolge, im Winter wieder ſehr ſtark getragen wird.
Es iſt zu hoffen, niemand in Deutſchland werde ſo
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ein
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[183/0209] und neuen zu erfinden. Sie gebrauchte ſich dieſes Talents auch jetzt. Wenn ihre Fraͤulein beſonders fleißig und gehorſam waren, ſo belohnte ſie ihren Fleiß mit einem nach neuer Mode geſtecktem Kopfzeuge, oder anderm Frauenzimmerputz, den ſie ſo zu waͤhlen wuſte, daß dadurch derſelben natuͤrliche gute Leibesge- ſtalt mehr erhoben ward. Jn kurzer Zeit war ihr ganzer alter Putz mit neuem nach dem beſten Geſchma- cke verwechſelt. Den ſcharfſinnigen Augen der Frau von Hohenauf konnte dieſe Veraͤnderung nicht ent- gehen, und ſie bemerkte ſie mit ſo großem Wohlgefal- len, daß ſie es Marianen, wegen ihrer Geſchicklich- keit im Putzmachen zu vergeben anfing, daß ſie die Seelen ihrer Fraͤulein bilden wolte. Noch groͤſſer ward die Gunſt, als Mariane, durch ſo gluͤcklichen Erfolg aufgemuntert, es wagte, fuͤr die Frau von Hohenauf ſelbſt zu arbeiten, die bisher ihren ſaͤmtlichen Putz aus der erſten Quelle, aus Pa- ris, verſchrieben hatte. Sie brachte eine Comete aux Zephyrs *) zuſtande, die in der naͤchſten Aſſemblee ein großes *) Unmodiſchen Leſern und Leſerinnen ſey kund, daß dies eine Art eines kleinen Kopfzeuges iſt, das, glaubwuͤrdigen Nachrichten zufolge, im Winter [FORMEL] wieder ſehr ſtark getragen wird. Es iſt zu hoffen, niemand in Deutſchland werde ſo barbariſch-unwiſſend ſeyn, nicht zu wiſſen, daß ein Comet ein M 4

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/209>, abgerufen am 14.05.2024.