Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



erfoderte. Sie sagte also mit einer etwas gezwun-
genen verbindlichen Miene: "Sie| verlangen von mir
"eine Sache, wider die ich gar nichts einzuwenden habe,
"sondern die bloß von dem Herrn von Hohenauf ab-
"hängt. Der ist Erb- Lehns- und Gerichts-Herr" --

"Nun mein gnädiger Herr von Hohenauf" --
sagte die Gräfinn, indem sie sich zu ihm wendete, "habe
"ich eine Fehlbitte gethan?"

Dieser, der mit einemmahl wieder tief frische
Lust schöpfte, welches er in einer halben Viertelstunde
nicht gethan hatte, machte einen sehr tiefen Reverenz,
und murmelte einige Worte her, die ob sie gleich un-
verständlich waren, doch nichts anders als seine Ein-
willigung bedeuten konnten.

Sobald die Gräfinn davon gewiß war, so riß sie
Säuglingen, der über den großen Lärmen voll To-
desangst da gestanden hatte, den Hut aus den Hän-
den, warf einige Carolinen hinein, und gab ihn ihm
zurück. Dieser, erfreut über den Wink ahmte ihr
nach, und ging mit dem Hute in der Hand zu allen an-
wesenden Gästen, in der ehrenvollen Beschäftigung
für bedürftige Unglückliche eine Beysteuer zu samm-
len, schämte sich auch nicht, aus Freuden über den
glücklichen Ausgang einer Sache, über die ihm von An-
fang an das Herz geklopft hatte, manche Thräne

fließen



erfoderte. Sie ſagte alſo mit einer etwas gezwun-
genen verbindlichen Miene: „Sie| verlangen von mir
„eine Sache, wider die ich gar nichts einzuwenden habe,
„ſondern die bloß von dem Herrn von Hohenauf ab-
„haͤngt. Der iſt Erb- Lehns- und Gerichts-Herr‟ —

„Nun mein gnaͤdiger Herr von Hohenauf‟ —
ſagte die Graͤfinn, indem ſie ſich zu ihm wendete, „habe
„ich eine Fehlbitte gethan?‟

Dieſer, der mit einemmahl wieder tief friſche
Luſt ſchoͤpfte, welches er in einer halben Viertelſtunde
nicht gethan hatte, machte einen ſehr tiefen Reverenz,
und murmelte einige Worte her, die ob ſie gleich un-
verſtaͤndlich waren, doch nichts anders als ſeine Ein-
willigung bedeuten konnten.

Sobald die Graͤfinn davon gewiß war, ſo riß ſie
Saͤuglingen, der uͤber den großen Laͤrmen voll To-
desangſt da geſtanden hatte, den Hut aus den Haͤn-
den, warf einige Carolinen hinein, und gab ihn ihm
zuruͤck. Dieſer, erfreut uͤber den Wink ahmte ihr
nach, und ging mit dem Hute in der Hand zu allen an-
weſenden Gaͤſten, in der ehrenvollen Beſchaͤftigung
fuͤr beduͤrftige Ungluͤckliche eine Beyſteuer zu ſamm-
len, ſchaͤmte ſich auch nicht, aus Freuden uͤber den
gluͤcklichen Ausgang einer Sache, uͤber die ihm von An-
fang an das Herz geklopft hatte, manche Thraͤne

fließen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="203"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
erfoderte. Sie &#x017F;agte al&#x017F;o mit einer etwas gezwun-<lb/>
genen verbindlichen Miene: &#x201E;Sie| verlangen von mir<lb/>
&#x201E;eine Sache, wider die ich gar nichts einzuwenden habe,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ondern die bloß von dem Herrn von <hi rendition="#fr">Hohenauf</hi> ab-<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;ngt. Der i&#x017F;t Erb- Lehns- und Gerichts-Herr&#x201F; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun mein gna&#x0364;diger Herr von <hi rendition="#fr">Hohenauf</hi>&#x201F; &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte die Gra&#x0364;finn, indem &#x017F;ie &#x017F;ich zu ihm wendete, &#x201E;habe<lb/>
&#x201E;ich eine Fehlbitte gethan?&#x201F;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er, der mit einemmahl wieder tief fri&#x017F;che<lb/>
Lu&#x017F;t &#x017F;cho&#x0364;pfte, welches er in einer halben Viertel&#x017F;tunde<lb/>
nicht gethan hatte, machte einen &#x017F;ehr tiefen Reverenz,<lb/>
und murmelte einige Worte her, die ob &#x017F;ie gleich un-<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich waren, doch nichts anders als &#x017F;eine Ein-<lb/>
willigung bedeuten konnten.</p><lb/>
          <p>Sobald die Gra&#x0364;finn davon gewiß war, &#x017F;o riß &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">Sa&#x0364;uglingen,</hi> der u&#x0364;ber den großen La&#x0364;rmen voll To-<lb/>
desang&#x017F;t da ge&#x017F;tanden hatte, den Hut aus den Ha&#x0364;n-<lb/>
den, warf einige Carolinen hinein, und gab ihn ihm<lb/>
zuru&#x0364;ck. Die&#x017F;er, erfreut u&#x0364;ber den Wink ahmte ihr<lb/>
nach, und ging mit dem Hute in der Hand zu allen an-<lb/>
we&#x017F;enden Ga&#x0364;&#x017F;ten, in der ehrenvollen Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung<lb/>
fu&#x0364;r bedu&#x0364;rftige Unglu&#x0364;ckliche eine Bey&#x017F;teuer zu &#x017F;amm-<lb/>
len, &#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich auch nicht, aus Freuden u&#x0364;ber den<lb/>
glu&#x0364;cklichen Ausgang einer Sache, u&#x0364;ber die ihm von An-<lb/>
fang an das Herz geklopft hatte, manche Thra&#x0364;ne<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fließen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0229] erfoderte. Sie ſagte alſo mit einer etwas gezwun- genen verbindlichen Miene: „Sie| verlangen von mir „eine Sache, wider die ich gar nichts einzuwenden habe, „ſondern die bloß von dem Herrn von Hohenauf ab- „haͤngt. Der iſt Erb- Lehns- und Gerichts-Herr‟ — „Nun mein gnaͤdiger Herr von Hohenauf‟ — ſagte die Graͤfinn, indem ſie ſich zu ihm wendete, „habe „ich eine Fehlbitte gethan?‟ Dieſer, der mit einemmahl wieder tief friſche Luſt ſchoͤpfte, welches er in einer halben Viertelſtunde nicht gethan hatte, machte einen ſehr tiefen Reverenz, und murmelte einige Worte her, die ob ſie gleich un- verſtaͤndlich waren, doch nichts anders als ſeine Ein- willigung bedeuten konnten. Sobald die Graͤfinn davon gewiß war, ſo riß ſie Saͤuglingen, der uͤber den großen Laͤrmen voll To- desangſt da geſtanden hatte, den Hut aus den Haͤn- den, warf einige Carolinen hinein, und gab ihn ihm zuruͤck. Dieſer, erfreut uͤber den Wink ahmte ihr nach, und ging mit dem Hute in der Hand zu allen an- weſenden Gaͤſten, in der ehrenvollen Beſchaͤftigung fuͤr beduͤrftige Ungluͤckliche eine Beyſteuer zu ſamm- len, ſchaͤmte ſich auch nicht, aus Freuden uͤber den gluͤcklichen Ausgang einer Sache, uͤber die ihm von An- fang an das Herz geklopft hatte, manche Thraͤne fließen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/229
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/229>, abgerufen am 21.11.2024.