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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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fließen zu lassen, worin ihm die Gräfinn und noch meh-
rere schöne Augen Gesellschaft leisteten. Jndem die-
ses geschahe, führte die Gräfinn die zitternde Fräulein
Adelheid zur völligen Versöhnung in ihrer Mutter
Umarmung, und erhielt auch mit einiger Mühe, für
Marianen die Erlaubniß, daß sie wieder erscheinen,
und durch Küssung des Rocks die Frau von Hohen-
auf
um Vergebung bitten durfte, daß sie menschlich
gedacht hatte.

Die Gesellschaft gieng darauf in den großen Saal,
um sich zum Spiele zu setzen. Säugling aber, der
sich ein viel süßeres Vergnügen vorbehalten hatte,
schlich nach dem Hinterhofe, ließ einen Wagen an-
spannen, erlösete den ganz betäubten Jacob aus dem
Gefängnisse, führte ihn selbst wieder zu seiner bisher
verlassenen Familie, und schüttete die ansehnliche
Summe, die er für sie gesammlet hatte, in den Schooß
der Hausmutter aus, die bey so vielem Glücke das
auf so viel Unglück so schnell folgte, vor Freuden stumm
war. Er genoß das Glück, das Haus des Elends
und des Klagens, in ein Haus der Freude verwan-
delt zu sehen, genoß den stammlenden Dank des Haus-
vaters und der Hausmutter, empfand den Druck der
kleinen Hände der beiden Kinder, die sich an seine
beiden Seiten hiengen und seine Hände mit ihren

Thrä-



fließen zu laſſen, worin ihm die Graͤfinn und noch meh-
rere ſchoͤne Augen Geſellſchaft leiſteten. Jndem die-
ſes geſchahe, fuͤhrte die Graͤfinn die zitternde Fraͤulein
Adelheid zur voͤlligen Verſoͤhnung in ihrer Mutter
Umarmung, und erhielt auch mit einiger Muͤhe, fuͤr
Marianen die Erlaubniß, daß ſie wieder erſcheinen,
und durch Kuͤſſung des Rocks die Frau von Hohen-
auf
um Vergebung bitten durfte, daß ſie menſchlich
gedacht hatte.

Die Geſellſchaft gieng darauf in den großen Saal,
um ſich zum Spiele zu ſetzen. Saͤugling aber, der
ſich ein viel ſuͤßeres Vergnuͤgen vorbehalten hatte,
ſchlich nach dem Hinterhofe, ließ einen Wagen an-
ſpannen, erloͤſete den ganz betaͤubten Jacob aus dem
Gefaͤngniſſe, fuͤhrte ihn ſelbſt wieder zu ſeiner bisher
verlaſſenen Familie, und ſchuͤttete die anſehnliche
Summe, die er fuͤr ſie geſammlet hatte, in den Schooß
der Hausmutter aus, die bey ſo vielem Gluͤcke das
auf ſo viel Ungluͤck ſo ſchnell folgte, vor Freuden ſtumm
war. Er genoß das Gluͤck, das Haus des Elends
und des Klagens, in ein Haus der Freude verwan-
delt zu ſehen, genoß den ſtammlenden Dank des Haus-
vaters und der Hausmutter, empfand den Druck der
kleinen Haͤnde der beiden Kinder, die ſich an ſeine
beiden Seiten hiengen und ſeine Haͤnde mit ihren

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[204/0230] fließen zu laſſen, worin ihm die Graͤfinn und noch meh- rere ſchoͤne Augen Geſellſchaft leiſteten. Jndem die- ſes geſchahe, fuͤhrte die Graͤfinn die zitternde Fraͤulein Adelheid zur voͤlligen Verſoͤhnung in ihrer Mutter Umarmung, und erhielt auch mit einiger Muͤhe, fuͤr Marianen die Erlaubniß, daß ſie wieder erſcheinen, und durch Kuͤſſung des Rocks die Frau von Hohen- auf um Vergebung bitten durfte, daß ſie menſchlich gedacht hatte. Die Geſellſchaft gieng darauf in den großen Saal, um ſich zum Spiele zu ſetzen. Saͤugling aber, der ſich ein viel ſuͤßeres Vergnuͤgen vorbehalten hatte, ſchlich nach dem Hinterhofe, ließ einen Wagen an- ſpannen, erloͤſete den ganz betaͤubten Jacob aus dem Gefaͤngniſſe, fuͤhrte ihn ſelbſt wieder zu ſeiner bisher verlaſſenen Familie, und ſchuͤttete die anſehnliche Summe, die er fuͤr ſie geſammlet hatte, in den Schooß der Hausmutter aus, die bey ſo vielem Gluͤcke das auf ſo viel Ungluͤck ſo ſchnell folgte, vor Freuden ſtumm war. Er genoß das Gluͤck, das Haus des Elends und des Klagens, in ein Haus der Freude verwan- delt zu ſehen, genoß den ſtammlenden Dank des Haus- vaters und der Hausmutter, empfand den Druck der kleinen Haͤnde der beiden Kinder, die ſich an ſeine beiden Seiten hiengen und ſeine Haͤnde mit ihren Thraͤ-

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/230>, abgerufen am 21.11.2024.