Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.sten Gelegenheiten, sich mit Marianen zu unterhal- ten, vorbeygehen lassen. Dieser Zwang war ihm so peinlich, daß wenn An einem der ersten heitern Maytage gieng Ma- "Es ist heute wirklich recht sehr schönes Wetter!" "Die
ſten Gelegenheiten, ſich mit Marianen zu unterhal- ten, vorbeygehen laſſen. Dieſer Zwang war ihm ſo peinlich, daß wenn An einem der erſten heitern Maytage gieng Ma- „Es iſt heute wirklich recht ſehr ſchoͤnes Wetter!‟ „Die
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ſten Gelegenheiten, ſich mit Marianen zu unterhal-
ten, vorbeygehen laſſen.
Dieſer Zwang war ihm ſo peinlich, daß wenn
er ſich nicht noch durch Versmachen haͤtte Luft ſchaf-
fen koͤnnen, ſeine Seele, die ohnedis nicht die ſtaͤrkſte
war, unter der Laſt des Stillſchweigens wuͤrde un-
terdruͤckt worden ſeyn. Dies Stillſchweigen ward ihm
taͤglich unertraͤglicher, daher nahm er ſich vor, es
bey der erſten Gelegenheit zu brechen.
An einem der erſten heitern Maytage gieng Ma-
riane Mittags nach Tiſche in den Garten. Saͤug-
ling folgte ihr von weitem nach, und als er vom Hauſe
ſo weit entfernt war, daß er nicht bemerkt zu werden
glaubte, eilte er ihr nach, um ſie einzuholen. Er
ſahe dies fuͤr die beſte Gelegenheit an, ſeine ſo lange
verſchwiegene Liebe zu offenbaren. Sein Herz klopfte
ihm uͤber dieſem muthigen Vorhaben; je naͤher er zu
ihr kam, deſto mehr goß ſich ein zaͤrtliches Schau-
dern durch alle ſeine Glieder, und da er ſie endlich er-
reichte, und ſie ſtehen blieb um ihn zu bewillkom-
men, ſahe er ſtarr in ihre hellblauen Augen, die
Zunge ſtammlete, der Athem fehlte ihm, und nach-
dem er anderthalb Minuten ſtillgeſchwiegen hatte,
ſagte er:
„Es iſt heute wirklich recht ſehr ſchoͤnes Wetter!‟
„Die
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