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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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voll Liebe und Beständigkeit schreiben möchte, als der
Ritter v. C. und sie versprach sich, daß sie ihm mit
eben so viel Jnbrunst und Sehnsucht antworten
wollte, als die zärtliche Nonne. Sie sahe in die-
sem Briefwechsel eine so anmuthige Beschäftigung vor-
aus, daß sie die Zeit nicht erwarten konnte bis er
seinen Anfang nehmen würde. Es waren schon einige
Wochen verlaufen, und sie hatte schon alle zärtliche
Gründe erschöpft, um das Stillschweigen ihres Ge-
liebten zu entschuldigen, als ihr das Kammermädchen
Säuglings Heroide, mit einem prosaischen Briefe
begleitet, übergab, worin er alles was er bey ihrer
beyderseitigen Trennung empfand, ausgedrückt hatte,
und sie beschwor, ihm wenigstens schriftlich zu sagen,
daß sie gegen seine Zärtlichkeit nicht unempfindlich
sey, wozu er ihr das Kammermädgen als ein sicheres
Werkzeug empfahl.

Die verliebte Mariane las beide Sendschreiben
mit heftiger Begierde, und überlas sie fünf oder
sechsmahl mit noch innigerm Vergnügen. Als sie sich
aber niedersetzen wollte, um sie zu beantworten, empfand
sie die unaussprechliche Empfindung eines wohlgezoge-
nen Frauenzimmers, die immer mit gewissenhafter
Strenge ihre Pflichten beobachtet, und noch noch nie
einen Schritt gethan gethan hat den sie hätte ver-

heelen



voll Liebe und Beſtaͤndigkeit ſchreiben moͤchte, als der
Ritter v. C. und ſie verſprach ſich, daß ſie ihm mit
eben ſo viel Jnbrunſt und Sehnſucht antworten
wollte, als die zaͤrtliche Nonne. Sie ſahe in die-
ſem Briefwechſel eine ſo anmuthige Beſchaͤftigung vor-
aus, daß ſie die Zeit nicht erwarten konnte bis er
ſeinen Anfang nehmen wuͤrde. Es waren ſchon einige
Wochen verlaufen, und ſie hatte ſchon alle zaͤrtliche
Gruͤnde erſchoͤpft, um das Stillſchweigen ihres Ge-
liebten zu entſchuldigen, als ihr das Kammermaͤdchen
Saͤuglings Heroide, mit einem proſaiſchen Briefe
begleitet, uͤbergab, worin er alles was er bey ihrer
beyderſeitigen Trennung empfand, ausgedruͤckt hatte,
und ſie beſchwor, ihm wenigſtens ſchriftlich zu ſagen,
daß ſie gegen ſeine Zaͤrtlichkeit nicht unempfindlich
ſey, wozu er ihr das Kammermaͤdgen als ein ſicheres
Werkzeug empfahl.

Die verliebte Mariane las beide Sendſchreiben
mit heftiger Begierde, und uͤberlas ſie fuͤnf oder
ſechsmahl mit noch innigerm Vergnuͤgen. Als ſie ſich
aber niederſetzen wollte, um ſie zu beantworten, empfand
ſie die unausſprechliche Empfindung eines wohlgezoge-
nen Frauenzimmers, die immer mit gewiſſenhafter
Strenge ihre Pflichten beobachtet, und noch noch nie
einen Schritt gethan gethan hat den ſie haͤtte ver-

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[223/0249] voll Liebe und Beſtaͤndigkeit ſchreiben moͤchte, als der Ritter v. C. und ſie verſprach ſich, daß ſie ihm mit eben ſo viel Jnbrunſt und Sehnſucht antworten wollte, als die zaͤrtliche Nonne. Sie ſahe in die- ſem Briefwechſel eine ſo anmuthige Beſchaͤftigung vor- aus, daß ſie die Zeit nicht erwarten konnte bis er ſeinen Anfang nehmen wuͤrde. Es waren ſchon einige Wochen verlaufen, und ſie hatte ſchon alle zaͤrtliche Gruͤnde erſchoͤpft, um das Stillſchweigen ihres Ge- liebten zu entſchuldigen, als ihr das Kammermaͤdchen Saͤuglings Heroide, mit einem proſaiſchen Briefe begleitet, uͤbergab, worin er alles was er bey ihrer beyderſeitigen Trennung empfand, ausgedruͤckt hatte, und ſie beſchwor, ihm wenigſtens ſchriftlich zu ſagen, daß ſie gegen ſeine Zaͤrtlichkeit nicht unempfindlich ſey, wozu er ihr das Kammermaͤdgen als ein ſicheres Werkzeug empfahl. Die verliebte Mariane las beide Sendſchreiben mit heftiger Begierde, und uͤberlas ſie fuͤnf oder ſechsmahl mit noch innigerm Vergnuͤgen. Als ſie ſich aber niederſetzen wollte, um ſie zu beantworten, empfand ſie die unausſprechliche Empfindung eines wohlgezoge- nen Frauenzimmers, die immer mit gewiſſenhafter Strenge ihre Pflichten beobachtet, und noch noch nie einen Schritt gethan gethan hat den ſie haͤtte ver- heelen

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/249>, abgerufen am 21.11.2024.