Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.wuste, da seine Dichtkunst die erwartete Hülfe nicht leistete, nur bloß zu bittern Thränen seine Zuflucht nehmen. Rambold aber, der zwar weniger Zärt- lichkeit, aber etwas mehr Erfahrung besaß, und dem überdies das Kammermädchen in ihrem Antwortsschrei- ben einen gewissen Wink gegeben hatte, that keck den Vorschlag, daß Säugling in seiner Gesellschaft, ins- geheim nach dem Gute der Frau von Hohenauf rei- ten, und Marianen besuchen sollte. Säugling erschrak vor diesem Vorschlage, sowohl wegen dessen Folgen, als wegen der Beschwerlichkeit eines Ritts von fünf Meilen. Rambold aber wuste diese Be- denklichkeiten mit seinem gewöhnlichen Witze lächer- lich zu machen, so daß Säugling anfing, diesen Vorschlag nur von der angenehmen Seite zu betrach- ten, und darin willigte. Sie ritten also an einem schönen Sommermorgen andern Erster Theil. P
wuſte, da ſeine Dichtkunſt die erwartete Huͤlfe nicht leiſtete, nur bloß zu bittern Thraͤnen ſeine Zuflucht nehmen. Rambold aber, der zwar weniger Zaͤrt- lichkeit, aber etwas mehr Erfahrung beſaß, und dem uͤberdies das Kammermaͤdchen in ihrem Antwortsſchrei- ben einen gewiſſen Wink gegeben hatte, that keck den Vorſchlag, daß Saͤugling in ſeiner Geſellſchaft, ins- geheim nach dem Gute der Frau von Hohenauf rei- ten, und Marianen beſuchen ſollte. Saͤugling erſchrak vor dieſem Vorſchlage, ſowohl wegen deſſen Folgen, als wegen der Beſchwerlichkeit eines Ritts von fuͤnf Meilen. Rambold aber wuſte dieſe Be- denklichkeiten mit ſeinem gewoͤhnlichen Witze laͤcher- lich zu machen, ſo daß Saͤugling anfing, dieſen Vorſchlag nur von der angenehmen Seite zu betrach- ten, und darin willigte. Sie ritten alſo an einem ſchoͤnen Sommermorgen andern Erſter Theil. P
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wuſte, da ſeine Dichtkunſt die erwartete Huͤlfe nicht
leiſtete, nur bloß zu bittern Thraͤnen ſeine Zuflucht
nehmen. Rambold aber, der zwar weniger Zaͤrt-
lichkeit, aber etwas mehr Erfahrung beſaß, und dem
uͤberdies das Kammermaͤdchen in ihrem Antwortsſchrei-
ben einen gewiſſen Wink gegeben hatte, that keck den
Vorſchlag, daß Saͤugling in ſeiner Geſellſchaft, ins-
geheim nach dem Gute der Frau von Hohenauf rei-
ten, und Marianen beſuchen ſollte. Saͤugling
erſchrak vor dieſem Vorſchlage, ſowohl wegen deſſen
Folgen, als wegen der Beſchwerlichkeit eines Ritts
von fuͤnf Meilen. Rambold aber wuſte dieſe Be-
denklichkeiten mit ſeinem gewoͤhnlichen Witze laͤcher-
lich zu machen, ſo daß Saͤugling anfing, dieſen
Vorſchlag nur von der angenehmen Seite zu betrach-
ten, und darin willigte.
Sie ritten alſo an einem ſchoͤnen Sommermorgen
aus, und Saͤugling, uͤber ſeinen eigenen Muth
erſtaunt, kam ſich, nachdem er eine Meile gerit-
ten hatte, und die Beſchwerlichkeiten der Reiſe zu
empfinden anfieng, als ein anderer Leander vor,
der durch die Gefahr der wilden Wellen zu ſeiner Ge-
liebten Hero eilte. Sie kamen des Abends ſehr er-
muͤdet auf einem Vorwerke an, das etwa zweyhun-
dert Schritte von dem Dorfe entlegen war. Des
andern
Erſter Theil. P
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