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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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diesem Beifalle war er vergnügt wie ein König.
Er ließ ihn auch nicht unbelohnt. Er setzte sich ans
Clavier, und spielte ungebeten einige der Oden mit
Melodien,
von denen er wuste, daß sie seiner Frau
am angenehmsten waren. Wilhelmine sang mit
frohem Herzen dazu, und gewöhnlich war ein solcher
Auftritt eine reiche Quelle guter Laune für diesen und
einige folgende Tage.

Gegen das Ende der erstern neun Monate ihres
Ehestandes, ward er mit einem Sohne gesegnet, dessen
sich der Hofmarschall aus alter Bekanntschaft beson-
ders annahm. Er ließ ihn oft zu sich in die Stadt
holen, beschenkte ihn, und konnte lachen, daß ihm der
Bauch schütterte, wenn der Junge, der von seiner ersten
Jugend an versprach, einst ein durchtriebener Kopf zu
werden, einen Umstehenden in die Waden zwickte, oder
sonst jemand einen kleinen Schabernack anthat. Als
der Knabe sechs Jahr alt war, so nahm er ihn ganz zu
sich, so, daß er seitdem seine Aeltern nur selten zu sehen
bekam. Jm vierzehnten Jahre war der Knabe so
weit gekommen, daß er die muthwillige Neckereyen,
die der Hofmarschall so oft in seiner ersten Kindheit
an ihm bewundert hatte, auch an seinem Wohlthäter
selbst auszuüben anfing. Dieser machte sich also nicht
so viel daraus, einen Knaben ferner um sich zu haben,

dessen



dieſem Beifalle war er vergnuͤgt wie ein Koͤnig.
Er ließ ihn auch nicht unbelohnt. Er ſetzte ſich ans
Clavier, und ſpielte ungebeten einige der Oden mit
Melodien,
von denen er wuſte, daß ſie ſeiner Frau
am angenehmſten waren. Wilhelmine ſang mit
frohem Herzen dazu, und gewoͤhnlich war ein ſolcher
Auftritt eine reiche Quelle guter Laune fuͤr dieſen und
einige folgende Tage.

Gegen das Ende der erſtern neun Monate ihres
Eheſtandes, ward er mit einem Sohne geſegnet, deſſen
ſich der Hofmarſchall aus alter Bekanntſchaft beſon-
ders annahm. Er ließ ihn oft zu ſich in die Stadt
holen, beſchenkte ihn, und konnte lachen, daß ihm der
Bauch ſchuͤtterte, wenn der Junge, der von ſeiner erſten
Jugend an verſprach, einſt ein durchtriebener Kopf zu
werden, einen Umſtehenden in die Waden zwickte, oder
ſonſt jemand einen kleinen Schabernack anthat. Als
der Knabe ſechs Jahr alt war, ſo nahm er ihn ganz zu
ſich, ſo, daß er ſeitdem ſeine Aeltern nur ſelten zu ſehen
bekam. Jm vierzehnten Jahre war der Knabe ſo
weit gekommen, daß er die muthwillige Neckereyen,
die der Hofmarſchall ſo oft in ſeiner erſten Kindheit
an ihm bewundert hatte, auch an ſeinem Wohlthaͤter
ſelbſt auszuuͤben anfing. Dieſer machte ſich alſo nicht
ſo viel daraus, einen Knaben ferner um ſich zu haben,

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[15/0035] dieſem Beifalle war er vergnuͤgt wie ein Koͤnig. Er ließ ihn auch nicht unbelohnt. Er ſetzte ſich ans Clavier, und ſpielte ungebeten einige der Oden mit Melodien, von denen er wuſte, daß ſie ſeiner Frau am angenehmſten waren. Wilhelmine ſang mit frohem Herzen dazu, und gewoͤhnlich war ein ſolcher Auftritt eine reiche Quelle guter Laune fuͤr dieſen und einige folgende Tage. Gegen das Ende der erſtern neun Monate ihres Eheſtandes, ward er mit einem Sohne geſegnet, deſſen ſich der Hofmarſchall aus alter Bekanntſchaft beſon- ders annahm. Er ließ ihn oft zu ſich in die Stadt holen, beſchenkte ihn, und konnte lachen, daß ihm der Bauch ſchuͤtterte, wenn der Junge, der von ſeiner erſten Jugend an verſprach, einſt ein durchtriebener Kopf zu werden, einen Umſtehenden in die Waden zwickte, oder ſonſt jemand einen kleinen Schabernack anthat. Als der Knabe ſechs Jahr alt war, ſo nahm er ihn ganz zu ſich, ſo, daß er ſeitdem ſeine Aeltern nur ſelten zu ſehen bekam. Jm vierzehnten Jahre war der Knabe ſo weit gekommen, daß er die muthwillige Neckereyen, die der Hofmarſchall ſo oft in ſeiner erſten Kindheit an ihm bewundert hatte, auch an ſeinem Wohlthaͤter ſelbſt auszuuͤben anfing. Dieſer machte ſich alſo nicht ſo viel daraus, einen Knaben ferner um ſich zu haben, deſſen

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/35>, abgerufen am 27.04.2024.