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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

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die eben abgespeist hatten, und nach Tische noch
bey einem Glase Wein, von alten Geschichten, von
der Convention von Closter-Seven und von dem
Atheismus der in den Brandenburgischen Landen,
statt der symbolischen Bücher eingeführt werden solte,
u. d. gl. sich unterhielten. Sie nöthigten ihn aufs freund-
lichste hinein, so bald er aber von ihnen den ganzen
Vorgang erfahren hatte, setzte er sich alles Nöthigens
ohngeachtet wieder zu Pferde, und ritt nach dem ihm
bezeichneten Bauerhause.

Hier fand er den traurigsten Anblick. Das Kind
im Sarge, die Mutter erblasset, die Tochter halb ohn-
mächtig, den Vater vor Schmerz betäubt, den gut-
herzigen Bauer, der anfing ihnen Trost zuzuspre-
chen, da er selbst Trost nöthig gehabt hätte. Beym
Anblicke des Hieronymus ergoß sich das weiche Herz
der Mariane in einen Thränenstrom. Sie zeigte
auf die Leiche ihrer Mutter nnd Schwester, ihre Blicke
sagten mehr, als ihre gestamleten Worte. Hierony-
mus
brachte auch Thränen anstatt Worte herfür.
Mariane fiel vor Thränen erschöpft in seinen Armen
in Ohnmacht. Er brachte sie mit Hülfe des guther-
zigen Bauers wieder zu sich. Nun ging seine Sorge
auf Sebaldus, der, starre Blicke auf beide geliebte
Leichen geheftet, ohne alle Empfindung dessen, was

um



die eben abgeſpeiſt hatten, und nach Tiſche noch
bey einem Glaſe Wein, von alten Geſchichten, von
der Convention von Cloſter-Seven und von dem
Atheismus der in den Brandenburgiſchen Landen,
ſtatt der ſymboliſchen Buͤcher eingefuͤhrt werden ſolte,
u. d. gl. ſich unterhielten. Sie noͤthigten ihn aufs freund-
lichſte hinein, ſo bald er aber von ihnen den ganzen
Vorgang erfahren hatte, ſetzte er ſich alles Noͤthigens
ohngeachtet wieder zu Pferde, und ritt nach dem ihm
bezeichneten Bauerhauſe.

Hier fand er den traurigſten Anblick. Das Kind
im Sarge, die Mutter erblaſſet, die Tochter halb ohn-
maͤchtig, den Vater vor Schmerz betaͤubt, den gut-
herzigen Bauer, der anfing ihnen Troſt zuzuſpre-
chen, da er ſelbſt Troſt noͤthig gehabt haͤtte. Beym
Anblicke des Hieronymus ergoß ſich das weiche Herz
der Mariane in einen Thraͤnenſtrom. Sie zeigte
auf die Leiche ihrer Mutter nnd Schweſter, ihre Blicke
ſagten mehr, als ihre geſtamleten Worte. Hierony-
mus
brachte auch Thraͤnen anſtatt Worte herfuͤr.
Mariane fiel vor Thraͤnen erſchoͤpft in ſeinen Armen
in Ohnmacht. Er brachte ſie mit Huͤlfe des guther-
zigen Bauers wieder zu ſich. Nun ging ſeine Sorge
auf Sebaldus, der, ſtarre Blicke auf beide geliebte
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[68/0092] die eben abgeſpeiſt hatten, und nach Tiſche noch bey einem Glaſe Wein, von alten Geſchichten, von der Convention von Cloſter-Seven und von dem Atheismus der in den Brandenburgiſchen Landen, ſtatt der ſymboliſchen Buͤcher eingefuͤhrt werden ſolte, u. d. gl. ſich unterhielten. Sie noͤthigten ihn aufs freund- lichſte hinein, ſo bald er aber von ihnen den ganzen Vorgang erfahren hatte, ſetzte er ſich alles Noͤthigens ohngeachtet wieder zu Pferde, und ritt nach dem ihm bezeichneten Bauerhauſe. Hier fand er den traurigſten Anblick. Das Kind im Sarge, die Mutter erblaſſet, die Tochter halb ohn- maͤchtig, den Vater vor Schmerz betaͤubt, den gut- herzigen Bauer, der anfing ihnen Troſt zuzuſpre- chen, da er ſelbſt Troſt noͤthig gehabt haͤtte. Beym Anblicke des Hieronymus ergoß ſich das weiche Herz der Mariane in einen Thraͤnenſtrom. Sie zeigte auf die Leiche ihrer Mutter nnd Schweſter, ihre Blicke ſagten mehr, als ihre geſtamleten Worte. Hierony- mus brachte auch Thraͤnen anſtatt Worte herfuͤr. Mariane fiel vor Thraͤnen erſchoͤpft in ſeinen Armen in Ohnmacht. Er brachte ſie mit Huͤlfe des guther- zigen Bauers wieder zu ſich. Nun ging ſeine Sorge auf Sebaldus, der, ſtarre Blicke auf beide geliebte Leichen geheftet, ohne alle Empfindung deſſen, was um

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/92>, abgerufen am 21.11.2024.