Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775."symbolischen Deutung, und zugleich einen gro- "ßen Theil ihrer Gravität. Jn der allgemeinen "Sorglosigkeit gegen alle bestimmten äußerlichen Zei- "chen, wurden die Mäntel immer schmäler, leichter "und kürzer,*) und hiengen als eine zwecklose Verzie- "rung den Rücken herunter; die Perücken, die sonst in "gravitätischer Zierde den Rücken herab wallten, "oder auf den Schultern in sanften Seiteulocken ru- "heten, gewannen täglich ein weltlicheres Ansehen, "hoben sich in Taubenflügeln und gesteckten Lo- "cken in die Höhe, und endlich trugen Prediger kein "Bedenken, ohne alle Amtskleidung,**) in blauen, "grauen und braunen Röcken auf der Straße und in "Gesellschaften zu erscheinen, und sich keiner gleich- "gültigen Handlung zu entziehen, die ein jeder an- "derer unbescholtener Bürger auch verrichten darf." ,Und nun fragte Herr F. lächelnd: Was sagen Sie ,Jch sage, antwortete Sebaldus sehr ernsthaft, "wich- *) Fig. 7. **) Fig. 8.
”ſymboliſchen Deutung, und zugleich einen gro- ”ßen Theil ihrer Gravitaͤt. Jn der allgemeinen ”Sorgloſigkeit gegen alle beſtimmten aͤußerlichen Zei- ”chen, wurden die Maͤntel immer ſchmaͤler, leichter ”und kuͤrzer,*) und hiengen als eine zweckloſe Verzie- ”rung den Ruͤcken herunter; die Peruͤcken, die ſonſt in ”gravitaͤtiſcher Zierde den Ruͤcken herab wallten, ”oder auf den Schultern in ſanften Seiteulocken ru- ”heten, gewannen taͤglich ein weltlicheres Anſehen, ”hoben ſich in Taubenfluͤgeln und geſteckten Lo- ”cken in die Hoͤhe, und endlich trugen Prediger kein ”Bedenken, ohne alle Amtskleidung,**) in blauen, ”grauen und braunen Roͤcken auf der Straße und in ”Geſellſchaften zu erſcheinen, und ſich keiner gleich- ”guͤltigen Handlung zu entziehen, die ein jeder an- ”derer unbeſcholtener Buͤrger auch verrichten darf.‟ ‚Und nun fragte Herr F. laͤchelnd: Was ſagen Sie ‚Jch ſage, antwortete Sebaldus ſehr ernſthaft, ”wich- *) Fig. 7. **) Fig. 8.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0106" n="98"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ”<hi rendition="#fr">ſymboliſchen Deutung,</hi> und zugleich einen gro-<lb/> ”ßen Theil ihrer <hi rendition="#fr">Gravitaͤt.</hi> Jn der allgemeinen<lb/> ”Sorgloſigkeit gegen alle beſtimmten aͤußerlichen Zei-<lb/> ”chen, wurden die Maͤntel immer ſchmaͤler, leichter<lb/> ”und kuͤrzer,<note place="foot" n="*)">Fig. 7.</note> und hiengen als eine zweckloſe Verzie-<lb/> ”rung den Ruͤcken herunter; die Peruͤcken, die ſonſt in<lb/> ”gravitaͤtiſcher Zierde den Ruͤcken herab wallten,<lb/> ”oder auf den Schultern in ſanften Seiteulocken ru-<lb/> ”heten, gewannen taͤglich ein weltlicheres Anſehen,<lb/> ”hoben ſich in <hi rendition="#fr">Taubenfluͤgeln und geſteckten Lo-<lb/> ”cken</hi> in die Hoͤhe, und endlich trugen Prediger kein<lb/> ”Bedenken, ohne alle Amtskleidung,<note place="foot" n="**)">Fig. 8.</note> in blauen,<lb/> ”grauen und braunen Roͤcken auf der Straße und in<lb/> ”Geſellſchaften zu erſcheinen, und ſich keiner gleich-<lb/> ”guͤltigen Handlung zu entziehen, die ein jeder an-<lb/> ”derer unbeſcholtener Buͤrger auch verrichten darf.‟</p><lb/> <p>‚Und nun fragte Herr <hi rendition="#fr">F.</hi> laͤchelnd: Was ſagen Sie<lb/> ”zu dieſen Veraͤnderungen der Kleidertracht, die doch<lb/> ”offenbar mit gewiſſen Veraͤnderungen in den Glau-<lb/> ”bensgeſinnungen Schritt gehalten haben?‛</p><lb/> <p>‚Jch ſage, antwortete <hi rendition="#fr">Sebaldus</hi> ſehr ernſthaft,<lb/> ”daß ſie nur merkwuͤrdig werden, wenn ſie merkwuͤr-<lb/> ”dige Folgen haben, und die haben ſie nur, wenn<lb/> ”man ſie fuͤr merkwuͤrdig haͤlt. Macht man ein un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">”wich-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0106]
”ſymboliſchen Deutung, und zugleich einen gro-
”ßen Theil ihrer Gravitaͤt. Jn der allgemeinen
”Sorgloſigkeit gegen alle beſtimmten aͤußerlichen Zei-
”chen, wurden die Maͤntel immer ſchmaͤler, leichter
”und kuͤrzer, *) und hiengen als eine zweckloſe Verzie-
”rung den Ruͤcken herunter; die Peruͤcken, die ſonſt in
”gravitaͤtiſcher Zierde den Ruͤcken herab wallten,
”oder auf den Schultern in ſanften Seiteulocken ru-
”heten, gewannen taͤglich ein weltlicheres Anſehen,
”hoben ſich in Taubenfluͤgeln und geſteckten Lo-
”cken in die Hoͤhe, und endlich trugen Prediger kein
”Bedenken, ohne alle Amtskleidung, **) in blauen,
”grauen und braunen Roͤcken auf der Straße und in
”Geſellſchaften zu erſcheinen, und ſich keiner gleich-
”guͤltigen Handlung zu entziehen, die ein jeder an-
”derer unbeſcholtener Buͤrger auch verrichten darf.‟
‚Und nun fragte Herr F. laͤchelnd: Was ſagen Sie
”zu dieſen Veraͤnderungen der Kleidertracht, die doch
”offenbar mit gewiſſen Veraͤnderungen in den Glau-
”bensgeſinnungen Schritt gehalten haben?‛
‚Jch ſage, antwortete Sebaldus ſehr ernſthaft,
”daß ſie nur merkwuͤrdig werden, wenn ſie merkwuͤr-
”dige Folgen haben, und die haben ſie nur, wenn
”man ſie fuͤr merkwuͤrdig haͤlt. Macht man ein un-
”wich-
*) Fig. 7.
**) Fig. 8.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |