Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.Maske spricht oder tanzt, die er nicht kennet; zu großen Mittagsmahlen, wozu man alles, was vor- nehm und angesehen ist, bittet, um vier Stunden lange Weile zu haben, und zu feinen Abendmahlzei- ten, zu welchen man sich, mit leichtsinnigen und sit- tenlosen Leuten einschließt, um sich ein paar Stunden lang einzubilden, man sey verguügt gewesen. Die Gräfinn, die seit langen Jahren alle diese herrlichen Vergnügungen geschmeckt hatte, und davon sehr bald war gesättigt worden, trug kein Verlangen im Win- ter ihre Güter zu verlassen. Sie hatte gelernt, sich selbst genug zu seyn. Die Besorgung ihrer Angelegen- heiten, kleine weibliche Arbeiten, und die Lektur, konnten sehr wohl den größten Theil ihrer Zeit be- schäfftigen. Nur fehlte ihr noch eine Gesellschafterinn ihres Geschlechts, von unbescholtenen Sitten, und der es nicht an Verstande und Geiste fehle, die bey Spazier- gängen, (die sie auch in schönen Wintertagen nicht ver- absäumte,) und bey ihren wohlthätigen Besuchen ihrer Unterthanen, ihre Gefährtinn sey, in deren Gesellschaft sich der Geist, der in der Einsamkeit erschlafft, zu angenehmer Unterhaltung wieder anspannen könne. Eine solche Gesellschasterinn fand sie an Marianen, die ihr daher alle Tage werther ward. Maria-
Maſke ſpricht oder tanzt, die er nicht kennet; zu großen Mittagsmahlen, wozu man alles, was vor- nehm und angeſehen iſt, bittet, um vier Stunden lange Weile zu haben, und zu feinen Abendmahlzei- ten, zu welchen man ſich, mit leichtſinnigen und ſit- tenloſen Leuten einſchließt, um ſich ein paar Stunden lang einzubilden, man ſey verguuͤgt geweſen. Die Graͤfinn, die ſeit langen Jahren alle dieſe herrlichen Vergnuͤgungen geſchmeckt hatte, und davon ſehr bald war geſaͤttigt worden, trug kein Verlangen im Win- ter ihre Guͤter zu verlaſſen. Sie hatte gelernt, ſich ſelbſt genug zu ſeyn. Die Beſorgung ihrer Angelegen- heiten, kleine weibliche Arbeiten, und die Lektur, konnten ſehr wohl den groͤßten Theil ihrer Zeit be- ſchaͤfftigen. Nur fehlte ihr noch eine Geſellſchafterinn ihres Geſchlechts, von unbeſcholtenen Sitten, und der es nicht an Verſtande und Geiſte fehle, die bey Spazier- gaͤngen, (die ſie auch in ſchoͤnen Wintertagen nicht ver- abſaͤumte,) und bey ihren wohlthaͤtigen Beſuchen ihrer Unterthanen, ihre Gefaͤhrtinn ſey, in deren Geſellſchaft ſich der Geiſt, der in der Einſamkeit erſchlafft, zu angenehmer Unterhaltung wieder anſpannen koͤnne. Eine ſolche Geſellſchaſterinn fand ſie an Marianen, die ihr daher alle Tage werther ward. Maria-
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Maſke ſpricht oder tanzt, die er nicht kennet; zu
großen Mittagsmahlen, wozu man alles, was vor-
nehm und angeſehen iſt, bittet, um vier Stunden
lange Weile zu haben, und zu feinen Abendmahlzei-
ten, zu welchen man ſich, mit leichtſinnigen und ſit-
tenloſen Leuten einſchließt, um ſich ein paar Stunden
lang einzubilden, man ſey verguuͤgt geweſen. Die
Graͤfinn, die ſeit langen Jahren alle dieſe herrlichen
Vergnuͤgungen geſchmeckt hatte, und davon ſehr bald
war geſaͤttigt worden, trug kein Verlangen im Win-
ter ihre Guͤter zu verlaſſen. Sie hatte gelernt, ſich
ſelbſt genug zu ſeyn. Die Beſorgung ihrer Angelegen-
heiten, kleine weibliche Arbeiten, und die Lektur,
konnten ſehr wohl den groͤßten Theil ihrer Zeit be-
ſchaͤfftigen. Nur fehlte ihr noch eine Geſellſchafterinn
ihres Geſchlechts, von unbeſcholtenen Sitten, und der
es nicht an Verſtande und Geiſte fehle, die bey Spazier-
gaͤngen, (die ſie auch in ſchoͤnen Wintertagen nicht ver-
abſaͤumte,) und bey ihren wohlthaͤtigen Beſuchen ihrer
Unterthanen, ihre Gefaͤhrtinn ſey, in deren Geſellſchaft
ſich der Geiſt, der in der Einſamkeit erſchlafft, zu
angenehmer Unterhaltung wieder anſpannen koͤnne.
Eine ſolche Geſellſchaſterinn fand ſie an Marianen,
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