lings Augen gerichtet fand. Dieß, nebst der ge- druckten Zueignungsschrift, die ihr nicht verborgen bleiben konnte, schien sie von einer nähern Verbin- dung zwischen Säuglingen und dem Fräulein zu überzeugen, und erregte bey ihr eine kleine Eifersucht, welche zu verbergen, das Frauenzimmer gemeiniglich eine kalte Zurückhaltung am dienlichsten hält, und sie dadurch gemeiniglich am ersten verräth.
Auf der andern Seite, war Mariane auch dem Obersten in die Augen gefallen. Da er in seinem Herzen gar wohl für mehr als Eine Liebe Raum hatte, und er es, nach der hohen Meinung, die er von seiner eigenen Person hatte, nicht für möglich hielt, daß ihm ein Frauenzimmer sollte widerstehen können, so glaubte er, daß Mariane gar wohl ein flüchtiger Gegenstand seiner Neigung werden könne, und daß er bey ihr sehr bald seinen Zweck erreichen würde. Er griff sie in der zuversichtlichen Stellung eines Hofmanns an, wie ein kühner Eroberer eine Festung stürmt, ohne sie aufzufodern oder Laufgrä- ben zu eröffnen. Gleichwie aber ein Belagerer, wenn ihm ein zu früher Sturm abgeschlagen worden, oft nicht weiß, welche Miene er gegen den Belagerten an- nehmen soll; so war auch der Oberste, durch die kalte und verächtliche Art, mit der Mariane seine Liebes-
erbie-
L 4
lings Augen gerichtet fand. Dieß, nebſt der ge- druckten Zueignungsſchrift, die ihr nicht verborgen bleiben konnte, ſchien ſie von einer naͤhern Verbin- dung zwiſchen Saͤuglingen und dem Fraͤulein zu uͤberzeugen, und erregte bey ihr eine kleine Eiferſucht, welche zu verbergen, das Frauenzimmer gemeiniglich eine kalte Zuruͤckhaltung am dienlichſten haͤlt, und ſie dadurch gemeiniglich am erſten verraͤth.
Auf der andern Seite, war Mariane auch dem Oberſten in die Augen gefallen. Da er in ſeinem Herzen gar wohl fuͤr mehr als Eine Liebe Raum hatte, und er es, nach der hohen Meinung, die er von ſeiner eigenen Perſon hatte, nicht fuͤr moͤglich hielt, daß ihm ein Frauenzimmer ſollte widerſtehen koͤnnen, ſo glaubte er, daß Mariane gar wohl ein fluͤchtiger Gegenſtand ſeiner Neigung werden koͤnne, und daß er bey ihr ſehr bald ſeinen Zweck erreichen wuͤrde. Er griff ſie in der zuverſichtlichen Stellung eines Hofmanns an, wie ein kuͤhner Eroberer eine Feſtung ſtuͤrmt, ohne ſie aufzufodern oder Laufgraͤ- ben zu eroͤffnen. Gleichwie aber ein Belagerer, wenn ihm ein zu fruͤher Sturm abgeſchlagen worden, oft nicht weiß, welche Miene er gegen den Belagerten an- nehmen ſoll; ſo war auch der Oberſte, durch die kalte und veraͤchtliche Art, mit der Mariane ſeine Liebes-
erbie-
L 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0173"n="163"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><hirendition="#fr">lings</hi> Augen gerichtet fand. Dieß, nebſt der ge-<lb/>
druckten Zueignungsſchrift, die ihr nicht verborgen<lb/>
bleiben konnte, ſchien ſie von einer naͤhern Verbin-<lb/>
dung zwiſchen <hirendition="#fr">Saͤuglingen</hi> und dem Fraͤulein zu<lb/>
uͤberzeugen, und erregte bey ihr eine kleine Eiferſucht,<lb/>
welche zu verbergen, das Frauenzimmer gemeiniglich<lb/>
eine kalte Zuruͤckhaltung am dienlichſten haͤlt, und ſie<lb/>
dadurch gemeiniglich am erſten verraͤth.</p><lb/><p>Auf der andern Seite, war <hirendition="#fr">Mariane</hi> auch dem<lb/>
Oberſten in die Augen gefallen. Da er in ſeinem<lb/>
Herzen gar wohl fuͤr mehr als Eine Liebe Raum<lb/>
hatte, und er es, nach der hohen Meinung, die er<lb/>
von ſeiner eigenen Perſon hatte, nicht fuͤr moͤglich<lb/>
hielt, daß ihm ein Frauenzimmer ſollte widerſtehen<lb/>
koͤnnen, ſo glaubte er, daß <hirendition="#fr">Mariane</hi> gar wohl ein<lb/>
fluͤchtiger Gegenſtand ſeiner Neigung werden koͤnne,<lb/>
und daß er bey ihr ſehr bald ſeinen Zweck erreichen<lb/>
wuͤrde. Er griff ſie in der zuverſichtlichen Stellung<lb/>
eines Hofmanns an, wie ein kuͤhner Eroberer eine<lb/>
Feſtung ſtuͤrmt, ohne ſie aufzufodern oder Laufgraͤ-<lb/>
ben zu eroͤffnen. Gleichwie aber ein Belagerer, wenn<lb/>
ihm ein zu fruͤher Sturm abgeſchlagen worden, oft<lb/>
nicht weiß, welche Miene er gegen den Belagerten an-<lb/>
nehmen ſoll; ſo war auch der Oberſte, durch die kalte<lb/>
und veraͤchtliche Art, mit der <hirendition="#fr">Mariane</hi>ſeine Liebes-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">erbie-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[163/0173]
lings Augen gerichtet fand. Dieß, nebſt der ge-
druckten Zueignungsſchrift, die ihr nicht verborgen
bleiben konnte, ſchien ſie von einer naͤhern Verbin-
dung zwiſchen Saͤuglingen und dem Fraͤulein zu
uͤberzeugen, und erregte bey ihr eine kleine Eiferſucht,
welche zu verbergen, das Frauenzimmer gemeiniglich
eine kalte Zuruͤckhaltung am dienlichſten haͤlt, und ſie
dadurch gemeiniglich am erſten verraͤth.
Auf der andern Seite, war Mariane auch dem
Oberſten in die Augen gefallen. Da er in ſeinem
Herzen gar wohl fuͤr mehr als Eine Liebe Raum
hatte, und er es, nach der hohen Meinung, die er
von ſeiner eigenen Perſon hatte, nicht fuͤr moͤglich
hielt, daß ihm ein Frauenzimmer ſollte widerſtehen
koͤnnen, ſo glaubte er, daß Mariane gar wohl ein
fluͤchtiger Gegenſtand ſeiner Neigung werden koͤnne,
und daß er bey ihr ſehr bald ſeinen Zweck erreichen
wuͤrde. Er griff ſie in der zuverſichtlichen Stellung
eines Hofmanns an, wie ein kuͤhner Eroberer eine
Feſtung ſtuͤrmt, ohne ſie aufzufodern oder Laufgraͤ-
ben zu eroͤffnen. Gleichwie aber ein Belagerer, wenn
ihm ein zu fruͤher Sturm abgeſchlagen worden, oft
nicht weiß, welche Miene er gegen den Belagerten an-
nehmen ſoll; ſo war auch der Oberſte, durch die kalte
und veraͤchtliche Art, mit der Mariane ſeine Liebes-
erbie-
L 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/173>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.