Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.Verstand habe, die schwache Seite eines Frauenzim- mers zu finden, er unfehlbar über sie triumphiren werde. Da er sich nun Verstand in hohem Maße zutrauete, so ist leicht zu erachten, daß er überzeugt gewesen, kein Frauenzimmer könne ihm widerstehen. Er griff also auch ungesäumt Marianen an. Jhre son-
Verſtand habe, die ſchwache Seite eines Frauenzim- mers zu finden, er unfehlbar uͤber ſie triumphiren werde. Da er ſich nun Verſtand in hohem Maße zutrauete, ſo iſt leicht zu erachten, daß er uͤberzeugt geweſen, kein Frauenzimmer koͤnne ihm widerſtehen. Er griff alſo auch ungeſaͤumt Marianen an. Jhre ſon-
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Verſtand habe, die ſchwache Seite eines Frauenzim-
mers zu finden, er unfehlbar uͤber ſie triumphiren
werde. Da er ſich nun Verſtand in hohem Maße
zutrauete, ſo iſt leicht zu erachten, daß er uͤberzeugt
geweſen, kein Frauenzimmer koͤnne ihm widerſtehen.
Er griff alſo auch ungeſaͤumt Marianen an. Jhre
bisherige Zuruͤckhaltung hielt er fuͤr Stolz. Wenn
er dieſem ſchmeichelte, glaubte er, waͤre das meiſte
geſchehen. Er begegnete ihr mit der groͤßten Hoͤflich-
keit und Unterwuͤrfigkeit. Er erſuchte ſie, ſein Haus
als das ihrige anzuſehen, bis der Verwalter zuruͤck-
kaͤme, von dem er vorgab, daß er, wegen eines un-
vermutheten Geſchaͤfftes, eine Reiſe von einigen Mei-
len gethan haͤtte, und verſprach, daß er ſie allen-
falls in ſeiner eignen Kutſche weiter bringen wolle.
Mariane ließ ſich aber in dieſer Falle nicht fangen.
Sie beſtand darauf, unverzuͤglich auf dem erſten dem
beſten Bauerwagen, oder auch zu Fuße, weiter zu ge-
hen. Sie ſagte dieß ſo dreiſt und ernſthaft, daß er
ſeinen Angriff aͤnderte. Seine gluͤhende uͤberſchweng-
liche Liebe wurde vorgebracht; Mariane war die
Goͤttinn, die er anbetete, zu deren Fuͤßen er ſich und ſein
ganzes Vermoͤgen niederlegen wollte. Mariane,
voll edles Unwillens, wuͤrdigte ihn keiner Antwort,
ſon-
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