Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite



tät verspart werden könne: so bestand die Unterwei-
sung des jungen Heinz Mackligius beynahe bloß
darinn, daß er wechselsweise ein Pensum aus Diete-
rici Institutionibus catecheticis,
aus Rheni Grammatica
latina,
und aus Welleri Grammatica graeca auswendig
lernen mußte, und nebenher ein wenig Hebräisch buch-
stabierte. Nun hatte Heinz Mackligius (der, nach
dem, was man in frühen Jugendjahren an ihm be-
merkt hat, zu urtheilen, gewiß noch ein Pfeiler der or-
thodoxen Kirche werden muß,) eine so glückliche Ga-
be, Regeln, die er nicht verstand, auswendig zu
lernen, daß er seinem Lehrmeister beynahe gar keine
Mühe machte. Sein Vater hatte daher dessen Un-
terricht, neben seinem Predigtamte, Gartenbaue und
Hühnerfütterung, ganz gemächlich abwarten können;
würde also auch wohl nicht daran gedacht haben, für
denselben einen Hofmeister anzunehmen, wenn ihm
nicht, bey herannahendem Alter, das Predigen in sei-
nem Filiale allzubeschwerlich geworden wäre. Der
Weg war weit, und wenn er, nach geendigter Pre-
digt, in der Sakristey den Klingebeutel ausschüttete, so
schien er ihm nicht halb bezahlt zu seyn. Er ward
darüber so verdrießlich, daß er einst das Filial ganz
aufgeben wollte. Nachdem er aber überlegt hatte,
daß die Artikel des Beichtgeldes, der Taufen, Trauun-

gen



taͤt verſpart werden koͤnne: ſo beſtand die Unterwei-
ſung des jungen Heinz Mackligius beynahe bloß
darinn, daß er wechſelsweiſe ein Penſum aus Diete-
rici Inſtitutionibus catecheticis,
aus Rheni Grammatica
latina,
und aus Welleri Grammatica graeca auswendig
lernen mußte, und nebenher ein wenig Hebraͤiſch buch-
ſtabierte. Nun hatte Heinz Mackligius (der, nach
dem, was man in fruͤhen Jugendjahren an ihm be-
merkt hat, zu urtheilen, gewiß noch ein Pfeiler der or-
thodoxen Kirche werden muß,) eine ſo gluͤckliche Ga-
be, Regeln, die er nicht verſtand, auswendig zu
lernen, daß er ſeinem Lehrmeiſter beynahe gar keine
Muͤhe machte. Sein Vater hatte daher deſſen Un-
terricht, neben ſeinem Predigtamte, Gartenbaue und
Huͤhnerfuͤtterung, ganz gemaͤchlich abwarten koͤnnen;
wuͤrde alſo auch wohl nicht daran gedacht haben, fuͤr
denſelben einen Hofmeiſter anzunehmen, wenn ihm
nicht, bey herannahendem Alter, das Predigen in ſei-
nem Filiale allzubeſchwerlich geworden waͤre. Der
Weg war weit, und wenn er, nach geendigter Pre-
digt, in der Sakriſtey den Klingebeutel ausſchuͤttete, ſo
ſchien er ihm nicht halb bezahlt zu ſeyn. Er ward
daruͤber ſo verdrießlich, daß er einſt das Filial ganz
aufgeben wollte. Nachdem er aber uͤberlegt hatte,
daß die Artikel des Beichtgeldes, der Taufen, Trauun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0234" n="222"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ta&#x0364;t ver&#x017F;part werden ko&#x0364;nne: &#x017F;o be&#x017F;tand die Unterwei-<lb/>
&#x017F;ung des jungen <hi rendition="#fr">Heinz Mackligius</hi> beynahe bloß<lb/>
darinn, daß er wech&#x017F;elswei&#x017F;e ein Pen&#x017F;um aus <hi rendition="#aq">Diete-<lb/>
rici In&#x017F;titutionibus catecheticis,</hi> aus <hi rendition="#aq">Rheni Grammatica<lb/>
latina,</hi> und aus <hi rendition="#aq">Welleri Grammatica graeca</hi> auswendig<lb/>
lernen mußte, und nebenher ein wenig Hebra&#x0364;i&#x017F;ch buch-<lb/>
&#x017F;tabierte. Nun hatte <hi rendition="#fr">Heinz Mackligius</hi> (der, nach<lb/>
dem, was man in fru&#x0364;hen Jugendjahren an ihm be-<lb/>
merkt hat, zu urtheilen, gewiß noch ein Pfeiler der or-<lb/>
thodoxen Kirche werden muß,) eine &#x017F;o glu&#x0364;ckliche Ga-<lb/>
be, Regeln, die er nicht ver&#x017F;tand, auswendig zu<lb/>
lernen, daß er &#x017F;einem Lehrmei&#x017F;ter beynahe gar keine<lb/>
Mu&#x0364;he machte. Sein Vater hatte daher de&#x017F;&#x017F;en Un-<lb/>
terricht, neben &#x017F;einem Predigtamte, Gartenbaue und<lb/>
Hu&#x0364;hnerfu&#x0364;tterung, ganz gema&#x0364;chlich abwarten ko&#x0364;nnen;<lb/>
wu&#x0364;rde al&#x017F;o auch wohl nicht daran gedacht haben, fu&#x0364;r<lb/>
den&#x017F;elben einen Hofmei&#x017F;ter anzunehmen, wenn ihm<lb/>
nicht, bey herannahendem Alter, das Predigen in &#x017F;ei-<lb/>
nem Filiale allzube&#x017F;chwerlich geworden wa&#x0364;re. Der<lb/>
Weg war weit, und wenn er, nach geendigter Pre-<lb/>
digt, in der Sakri&#x017F;tey den Klingebeutel aus&#x017F;chu&#x0364;ttete, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chien er ihm nicht halb bezahlt zu &#x017F;eyn. Er ward<lb/>
daru&#x0364;ber &#x017F;o verdrießlich, daß er ein&#x017F;t das Filial ganz<lb/>
aufgeben wollte. Nachdem er aber u&#x0364;berlegt hatte,<lb/>
daß die Artikel des Beichtgeldes, der Taufen, Trauun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0234] taͤt verſpart werden koͤnne: ſo beſtand die Unterwei- ſung des jungen Heinz Mackligius beynahe bloß darinn, daß er wechſelsweiſe ein Penſum aus Diete- rici Inſtitutionibus catecheticis, aus Rheni Grammatica latina, und aus Welleri Grammatica graeca auswendig lernen mußte, und nebenher ein wenig Hebraͤiſch buch- ſtabierte. Nun hatte Heinz Mackligius (der, nach dem, was man in fruͤhen Jugendjahren an ihm be- merkt hat, zu urtheilen, gewiß noch ein Pfeiler der or- thodoxen Kirche werden muß,) eine ſo gluͤckliche Ga- be, Regeln, die er nicht verſtand, auswendig zu lernen, daß er ſeinem Lehrmeiſter beynahe gar keine Muͤhe machte. Sein Vater hatte daher deſſen Un- terricht, neben ſeinem Predigtamte, Gartenbaue und Huͤhnerfuͤtterung, ganz gemaͤchlich abwarten koͤnnen; wuͤrde alſo auch wohl nicht daran gedacht haben, fuͤr denſelben einen Hofmeiſter anzunehmen, wenn ihm nicht, bey herannahendem Alter, das Predigen in ſei- nem Filiale allzubeſchwerlich geworden waͤre. Der Weg war weit, und wenn er, nach geendigter Pre- digt, in der Sakriſtey den Klingebeutel ausſchuͤttete, ſo ſchien er ihm nicht halb bezahlt zu ſeyn. Er ward daruͤber ſo verdrießlich, daß er einſt das Filial ganz aufgeben wollte. Nachdem er aber uͤberlegt hatte, daß die Artikel des Beichtgeldes, der Taufen, Trauun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/234
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/234>, abgerufen am 24.11.2024.