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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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Sebaldus Zimmer geführt, bis man nach Tische
dem Alten diesen Vorgang berichten konnte.

Bey Tische war die ganze Gesellschaft nicht son-
derlich aufgeräumt. Alle suchten ihre innerliche Ver-
legenheit zu verbergen, und dachten ihren besondern
Entwürfen nach. Nach Tische zog der Freund der
Frau Gertrudtinn, den alten Säugling, in das
Fenster eines Nebenzimmers, wo sie bald in ein tie-
fes Gespräch über die Heurathssachr geriethen. Der
junge Säugling schlich sich, ohne daß jemand dar-
auf dachte, zu seiner Mariane, und die Frau
Gertrudtinn blieb mit Sebaldus auf einem Kanape
sitzen, weil sie heute sich vorgenommen hatte, mit
ihm, die wichtige Lehre von dem geistlichen Verder-
ben der menschlichen Natur, aus dem Grunde abzu-
handeln. Sebaldus hatte, in ihren vorigen Dispu-
ten, der menschlichen Natur Kräfte zur Besserung
zugestanden, die Frau Gertrudtinn aber, hatte
hierbey alles der Gnade zugeschrieben. Sie war
schon einige mahl vom Sebaldus mit verschiedenen
Argumenten ziemlich eingetrieben worden, heute
aber hatte Sie sich vorbereitet, ihn schlechterdings da-
nieder zu schlagen. Da das Geschnatter einer Re-
ligionscontroversistinn, zumahl, wenn es erst zu einer
gewissen Stärke gekommen, schwer zu überwältigen

ist,



Sebaldus Zimmer gefuͤhrt, bis man nach Tiſche
dem Alten dieſen Vorgang berichten konnte.

Bey Tiſche war die ganze Geſellſchaft nicht ſon-
derlich aufgeraͤumt. Alle ſuchten ihre innerliche Ver-
legenheit zu verbergen, und dachten ihren beſondern
Entwuͤrfen nach. Nach Tiſche zog der Freund der
Frau Gertrudtinn, den alten Saͤugling, in das
Fenſter eines Nebenzimmers, wo ſie bald in ein tie-
fes Geſpraͤch uͤber die Heurathsſachr geriethen. Der
junge Saͤugling ſchlich ſich, ohne daß jemand dar-
auf dachte, zu ſeiner Mariane, und die Frau
Gertrudtinn blieb mit Sebaldus auf einem Kanape
ſitzen, weil ſie heute ſich vorgenommen hatte, mit
ihm, die wichtige Lehre von dem geiſtlichen Verder-
ben der menſchlichen Natur, aus dem Grunde abzu-
handeln. Sebaldus hatte, in ihren vorigen Diſpu-
ten, der menſchlichen Natur Kraͤfte zur Beſſerung
zugeſtanden, die Frau Gertrudtinn aber, hatte
hierbey alles der Gnade zugeſchrieben. Sie war
ſchon einige mahl vom Sebaldus mit verſchiedenen
Argumenten ziemlich eingetrieben worden, heute
aber hatte Sie ſich vorbereitet, ihn ſchlechterdings da-
nieder zu ſchlagen. Da das Geſchnatter einer Re-
ligionscontroverſiſtinn, zumahl, wenn es erſt zu einer
gewiſſen Staͤrke gekommen, ſchwer zu uͤberwaͤltigen

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[141[140]/0155] Sebaldus Zimmer gefuͤhrt, bis man nach Tiſche dem Alten dieſen Vorgang berichten konnte. Bey Tiſche war die ganze Geſellſchaft nicht ſon- derlich aufgeraͤumt. Alle ſuchten ihre innerliche Ver- legenheit zu verbergen, und dachten ihren beſondern Entwuͤrfen nach. Nach Tiſche zog der Freund der Frau Gertrudtinn, den alten Saͤugling, in das Fenſter eines Nebenzimmers, wo ſie bald in ein tie- fes Geſpraͤch uͤber die Heurathsſachr geriethen. Der junge Saͤugling ſchlich ſich, ohne daß jemand dar- auf dachte, zu ſeiner Mariane, und die Frau Gertrudtinn blieb mit Sebaldus auf einem Kanape ſitzen, weil ſie heute ſich vorgenommen hatte, mit ihm, die wichtige Lehre von dem geiſtlichen Verder- ben der menſchlichen Natur, aus dem Grunde abzu- handeln. Sebaldus hatte, in ihren vorigen Diſpu- ten, der menſchlichen Natur Kraͤfte zur Beſſerung zugeſtanden, die Frau Gertrudtinn aber, hatte hierbey alles der Gnade zugeſchrieben. Sie war ſchon einige mahl vom Sebaldus mit verſchiedenen Argumenten ziemlich eingetrieben worden, heute aber hatte Sie ſich vorbereitet, ihn ſchlechterdings da- nieder zu ſchlagen. Da das Geſchnatter einer Re- ligionscontroverſiſtinn, zumahl, wenn es erſt zu einer gewiſſen Staͤrke gekommen, ſchwer zu uͤberwaͤltigen iſt,

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 141[140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/155>, abgerufen am 24.11.2024.