Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.ist, und da der gute Sebaldus ohnedem von Ma- rianens kritischer Lage den Kopf voll hatte, so ist leicht zu erachten, daß diesesmahl die Frau Ger- trudtinn leichter gewonnen Spiel haben konnte. Sie hieb also alle menschliche Tugenden unbarmher- zig nieder, um nachher der Gnade daraus ein Sie- geszeichen zu errichten. Sie erzählte, mit geläufi- ger Zunge, alle die Wunder die durch die Gnade, an unwiedergebohrnen Menschen, im Leben und auf dem Todbette, je haben sollen verrichtet worden seyn, sie plünderte die düstern Schriften einer Bourignon, eines Hans Engelbrechts, Gerbers, Reiz, Bo- gatzki und anderer, und zuletzt, weil doch ein jeder Heiliger, gern ein Wunder von seinem eignen Mach- werke zu haben pflegt, erzählte sie, daß in dem Wirthshause, ihrem Hause gegenüber, ein junger Kornet im Quartiere liege, der zwar immer ein na- türlich guter, aber doch ein unwiedergebohrner Mensch gewesen, nachdem er aber nun, seit länger als einem halben Jahre, die Erbauungsstunden, die sie in ihrem Hause halte, besucht habe, sey er von der Gnade auf eine so kräftige Art ergriffen worden, daß sie seine merkwürdige Bekehrungsgeschichte auf- gezeichnet habe, und sie nächstens nach Magdeburg schicken wolle, um, den Ungläubigen zur Beschä- mung
iſt, und da der gute Sebaldus ohnedem von Ma- rianens kritiſcher Lage den Kopf voll hatte, ſo iſt leicht zu erachten, daß dieſesmahl die Frau Ger- trudtinn leichter gewonnen Spiel haben konnte. Sie hieb alſo alle menſchliche Tugenden unbarmher- zig nieder, um nachher der Gnade daraus ein Sie- geszeichen zu errichten. Sie erzaͤhlte, mit gelaͤufi- ger Zunge, alle die Wunder die durch die Gnade, an unwiedergebohrnen Menſchen, im Leben und auf dem Todbette, je haben ſollen verrichtet worden ſeyn, ſie pluͤnderte die duͤſtern Schriften einer Bourignon, eines Hans Engelbrechts, Gerbers, Reiz, Bo- gatzki und anderer, und zuletzt, weil doch ein jeder Heiliger, gern ein Wunder von ſeinem eignen Mach- werke zu haben pflegt, erzaͤhlte ſie, daß in dem Wirthshauſe, ihrem Hauſe gegenuͤber, ein junger Kornet im Quartiere liege, der zwar immer ein na- tuͤrlich guter, aber doch ein unwiedergebohrner Menſch geweſen, nachdem er aber nun, ſeit laͤnger als einem halben Jahre, die Erbauungsſtunden, die ſie in ihrem Hauſe halte, beſucht habe, ſey er von der Gnade auf eine ſo kraͤftige Art ergriffen worden, daß ſie ſeine merkwuͤrdige Bekehrungsgeſchichte auf- gezeichnet habe, und ſie naͤchſtens nach Magdeburg ſchicken wolle, um, den Unglaͤubigen zur Beſchaͤ- mung
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rianens kritiſcher Lage den Kopf voll hatte, ſo iſt
leicht zu erachten, daß dieſesmahl die Frau Ger-
trudtinn leichter gewonnen Spiel haben konnte.
Sie hieb alſo alle menſchliche Tugenden unbarmher-
zig nieder, um nachher der Gnade daraus ein Sie-
geszeichen zu errichten. Sie erzaͤhlte, mit gelaͤufi-
ger Zunge, alle die Wunder die durch die Gnade,
an unwiedergebohrnen Menſchen, im Leben und auf
dem Todbette, je haben ſollen verrichtet worden ſeyn,
ſie pluͤnderte die duͤſtern Schriften einer Bourignon,
eines Hans Engelbrechts, Gerbers, Reiz, Bo-
gatzki und anderer, und zuletzt, weil doch ein jeder
Heiliger, gern ein Wunder von ſeinem eignen Mach-
werke zu haben pflegt, erzaͤhlte ſie, daß in dem
Wirthshauſe, ihrem Hauſe gegenuͤber, ein junger
Kornet im Quartiere liege, der zwar immer ein na-
tuͤrlich guter, aber doch ein unwiedergebohrner
Menſch geweſen, nachdem er aber nun, ſeit laͤnger
als einem halben Jahre, die Erbauungsſtunden, die
ſie in ihrem Hauſe halte, beſucht habe, ſey er von
der Gnade auf eine ſo kraͤftige Art ergriffen worden,
daß ſie ſeine merkwuͤrdige Bekehrungsgeſchichte auf-
gezeichnet habe, und ſie naͤchſtens nach Magdeburg
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