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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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"Lehrmeinung nicht überzeugen kann, deshalb auch
"aller bürgerlichen Gemeinschaft entsagen? Darf
"man, ohne den genauesten Glauben an theologische
"Formulare, nicht die alten Sprachen oder die Geo-
"graphie lehren? Macht ein Verdacht des Pelagia-
"nismus, auch eine astronomische Rechnung unrich-
"tig, oder eine Leibrentenberechnung unsicher? Wie
"weit wird endlich die Einschränkung durch Bekennt-
"nißbücher gehen? Fragt man nicht fast schon, wenn
"man einen Bälgeträter, Pedell oder Einheizer
"braucht, ob er auch rechtsinnig sey. Endlich wird
"man nicht Luft schöpfen, oder einen Tritt ins Land
"thun dürfen, wenn man nicht erst die symbolischen
"Bücher unterschreibt!'

,Nein!' versetzte der Kaufmann, ,da geht ihr zu
"weit, mein lieber Meister! Unsere hochmögen-
"den
und edelmögenden Herren, dulden in den sie-
"ben vereinigten Provinzen
jedermann, weß Glau-
"bens er auch sey. Nur freilich uusere ehrwürdi-
"gen
Herren, examiniren diejenigen genauer, die sich
"in den Häusern der Rechtsinnigen aufhalten.
"Wenn Jhr nicht in meinem Hause wäret, könntet
"Jhr glauben, was Jhr wolltet -- Aber, ich gestehe
"es Euch, da Euch die Domine anklagen, kann ich

"euch
Dritter Theil. C



„Lehrmeinung nicht uͤberzeugen kann, deshalb auch
„aller buͤrgerlichen Gemeinſchaft entſagen? Darf
„man, ohne den genaueſten Glauben an theologiſche
„Formulare, nicht die alten Sprachen oder die Geo-
„graphie lehren? Macht ein Verdacht des Pelagia-
„niſmus, auch eine aſtronomiſche Rechnung unrich-
„tig, oder eine Leibrentenberechnung unſicher? Wie
„weit wird endlich die Einſchraͤnkung durch Bekennt-
„nißbuͤcher gehen? Fragt man nicht faſt ſchon, wenn
„man einen Baͤlgetraͤter, Pedell oder Einheizer
„braucht, ob er auch rechtſinnig ſey. Endlich wird
„man nicht Luft ſchoͤpfen, oder einen Tritt ins Land
„thun duͤrfen, wenn man nicht erſt die ſymboliſchen
„Buͤcher unterſchreibt!‛

‚Nein!‛ verſetzte der Kaufmann, ‚da geht ihr zu
„weit, mein lieber Meiſter! Unſere hochmoͤgen-
„den
und edelmoͤgenden Herren, dulden in den ſie-
„ben vereinigten Provinzen
jedermann, weß Glau-
„bens er auch ſey. Nur freilich uuſere ehrwuͤrdi-
„gen
Herren, examiniren diejenigen genauer, die ſich
„in den Haͤuſern der Rechtſinnigen aufhalten.
„Wenn Jhr nicht in meinem Hauſe waͤret, koͤnntet
„Jhr glauben, was Jhr wolltet — Aber, ich geſtehe
„es Euch, da Euch die Domine anklagen, kann ich

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Dritter Theil. C
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[31[30]/0039] „Lehrmeinung nicht uͤberzeugen kann, deshalb auch „aller buͤrgerlichen Gemeinſchaft entſagen? Darf „man, ohne den genaueſten Glauben an theologiſche „Formulare, nicht die alten Sprachen oder die Geo- „graphie lehren? Macht ein Verdacht des Pelagia- „niſmus, auch eine aſtronomiſche Rechnung unrich- „tig, oder eine Leibrentenberechnung unſicher? Wie „weit wird endlich die Einſchraͤnkung durch Bekennt- „nißbuͤcher gehen? Fragt man nicht faſt ſchon, wenn „man einen Baͤlgetraͤter, Pedell oder Einheizer „braucht, ob er auch rechtſinnig ſey. Endlich wird „man nicht Luft ſchoͤpfen, oder einen Tritt ins Land „thun duͤrfen, wenn man nicht erſt die ſymboliſchen „Buͤcher unterſchreibt!‛ ‚Nein!‛ verſetzte der Kaufmann, ‚da geht ihr zu „weit, mein lieber Meiſter! Unſere hochmoͤgen- „den und edelmoͤgenden Herren, dulden in den ſie- „ben vereinigten Provinzen jedermann, weß Glau- „bens er auch ſey. Nur freilich uuſere ehrwuͤrdi- „gen Herren, examiniren diejenigen genauer, die ſich „in den Haͤuſern der Rechtſinnigen aufhalten. „Wenn Jhr nicht in meinem Hauſe waͤret, koͤnntet „Jhr glauben, was Jhr wolltet — Aber, ich geſtehe „es Euch, da Euch die Domine anklagen, kann ich „euch Dritter Theil. C

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 31[30]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/39>, abgerufen am 21.11.2024.