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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776.

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"finde, daß das Buch des weisen Sirach unter den
"apokryphischen, und ein anderes Buch, voll
"mystischer Bilder unter den kanonischen ste-
"het, -- kann ich mich enthalten zu zweifeln, zu un-
"tersuchen? Und was kann ich dazu brauchen, als
meine Vernunft, die auch eine Gabe Gottes ist.

,Wenn ich in einem dieser Bücher lese: *) "Wer
"übertritt
und bleibet nicht in der Lehre Christi,
"der hat keinen Gott. So jemand zu euch kommt,
"und bringet diese Lehre nicht, den nehmet nicht
"zu Hause,
und grüßet ihn nicht, denn, wer ihn
"grüßet, der macht sich theilhaftig seiner bösen
"Werke.
" ,Wenn ich in einem andern lese: **),
"Der HErr brachte um, die da nicht glaube-
"ten.
" -- -- ,Bin ich verfluchenswerth, weil ich
"nicht mit blindem Köhlerglauben alles annehme, wie
"es buchstäblich da stehet, sondern vermeine, daß in die-
"sen Büchern, vieles, nicht für die allgemeine Mensch-
"heit, nicht für mich, geschrieben sey, aber dennoch
"redlich, alle das Gute und Nützliche, das ich in die-
"sen Büchern finde, zu der Masse der Erkenntniß
"schlage, die ich aus Natur und Erfahrung geschöpft
"habe.'

"Wenn
*) 2 Brief Joh. v. 9-11.
**) Brief Juda v. 5.



„finde, daß das Buch des weiſen Sirach unter den
apokryphiſchen, und ein anderes Buch, voll
„myſtiſcher Bilder unter den kanoniſchen ſte-
„het, — kann ich mich enthalten zu zweifeln, zu un-
„terſuchen? Und was kann ich dazu brauchen, als
meine Vernunft, die auch eine Gabe Gottes iſt.

‚Wenn ich in einem dieſer Buͤcher leſe: *)Wer
„uͤbertritt
und bleibet nicht in der Lehre Chriſti,
der hat keinen Gott. So jemand zu euch kommt,
„und bringet dieſe Lehre nicht, den nehmet nicht
„zu Hauſe,
und gruͤßet ihn nicht, denn, wer ihn
„gruͤßet, der macht ſich theilhaftig ſeiner boͤſen
„Werke.
‟ ‚Wenn ich in einem andern leſe: **),
„Der HErr brachte um, die da nicht glaube-
„ten.
„ — — ‚Bin ich verfluchenswerth, weil ich
„nicht mit blindem Koͤhlerglauben alles annehme, wie
„es buchſtaͤblich da ſtehet, ſondern vermeine, daß in die-
„ſen Buͤchern, vieles, nicht fuͤr die allgemeine Menſch-
„heit, nicht fuͤr mich, geſchrieben ſey, aber dennoch
„redlich, alle das Gute und Nuͤtzliche, das ich in die-
„ſen Buͤchern finde, zu der Maſſe der Erkenntniß
„ſchlage, die ich aus Natur und Erfahrung geſchoͤpft
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*) 2 Brief Joh. v. 9-11.
**) Brief Juda v. 5.
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[64[63]/0072] „finde, daß das Buch des weiſen Sirach unter den „apokryphiſchen, und ein anderes Buch, voll „myſtiſcher Bilder unter den kanoniſchen ſte- „het, — kann ich mich enthalten zu zweifeln, zu un- „terſuchen? Und was kann ich dazu brauchen, als meine Vernunft, die auch eine Gabe Gottes iſt. ‚Wenn ich in einem dieſer Buͤcher leſe: *) „Wer „uͤbertritt und bleibet nicht in der Lehre Chriſti, „der hat keinen Gott. So jemand zu euch kommt, „und bringet dieſe Lehre nicht, den nehmet nicht „zu Hauſe, und gruͤßet ihn nicht, denn, wer ihn „gruͤßet, der macht ſich theilhaftig ſeiner boͤſen „Werke.‟ ‚Wenn ich in einem andern leſe: **), „Der HErr brachte um, die da nicht glaube- „ten.„ — — ‚Bin ich verfluchenswerth, weil ich „nicht mit blindem Koͤhlerglauben alles annehme, wie „es buchſtaͤblich da ſtehet, ſondern vermeine, daß in die- „ſen Buͤchern, vieles, nicht fuͤr die allgemeine Menſch- „heit, nicht fuͤr mich, geſchrieben ſey, aber dennoch „redlich, alle das Gute und Nuͤtzliche, das ich in die- „ſen Buͤchern finde, zu der Maſſe der Erkenntniß „ſchlage, die ich aus Natur und Erfahrung geſchoͤpft „habe.‛ „Wenn *) 2 Brief Joh. v. 9-11. **) Brief Juda v. 5.

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Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 3. Berlin u. a., 1776, S. 64[63]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker03_1776/72>, abgerufen am 09.11.2024.