daß und wie Pisander besungen hat daß Aeneas mit einem Theil der Troer, nach dem Unglück der Stadt, sich ret- tete, und fortzog: aber Folgerungen wegen der ferneren Uebereinstimmung seiner Fabel mit der virgilischen sind unbefugt. Pisanders Zeitalter, wenn er der Kamiräer war, ist ganz unbestimmt, vom Hesiodischen herab bis zur drey und dreyßigsten Olympiade.
Aber Stesichorus sang von Aeneas Auswanderung fast wie Virgil; denn die Darstellungen der ilischen Tafel scheinen Vertrauen zu verdienen. Hier findet sich die Rettung des Vaters und der Heiligthümer, -- etwas ver- schieden von der Virgilischen Dichtung, -- und die Ein- schiffung Aeneas und der Seinigen nach Hesperien. Ste- sichorns, der in der sechs und funfzigsten Olympiade starb, lebte in der andern Hälfte des zweyten Jahrhunderts: doch von unbestimmter Erzählung daß Aeneas Troer nach Hesperien geführt habe, bis zu der daß er eine Co- lonie in Latium gestiftet, ist allerdings noch ein weiter Schritt: und es ist sehr zweifelhaft, ob Stesichorus an dieses äußerste Ziel trat.
Bey Arktinus wenigstens war Rettung des Palladi- ums die Hauptthat des Heros: unter den Heiligthümern bey Stesichorus war dieses sicher auch der köstlichste Schatz: dieses Palladium aber glaubten die Griechen bey der Troischen Colonie zu Siris in Oenotrien geborgen; an der Küste wohin sie so viele troische Erinnerungen ver- setzten, Philoktetes zu Petelia, Epeus zu Lagaria, Pylier zu Metapontum. Auch sie war im Umfang Hesperiens, und diesseits dem furchtbaren Fabellande Sicilien; die
Erster Theil. J
daß und wie Piſander beſungen hat daß Aeneas mit einem Theil der Troer, nach dem Ungluͤck der Stadt, ſich ret- tete, und fortzog: aber Folgerungen wegen der ferneren Uebereinſtimmung ſeiner Fabel mit der virgiliſchen ſind unbefugt. Piſanders Zeitalter, wenn er der Kamiraͤer war, iſt ganz unbeſtimmt, vom Heſiodiſchen herab bis zur drey und dreyßigſten Olympiade.
Aber Steſichorus ſang von Aeneas Auswanderung faſt wie Virgil; denn die Darſtellungen der iliſchen Tafel ſcheinen Vertrauen zu verdienen. Hier findet ſich die Rettung des Vaters und der Heiligthuͤmer, — etwas ver- ſchieden von der Virgiliſchen Dichtung, — und die Ein- ſchiffung Aeneas und der Seinigen nach Heſperien. Ste- ſichorns, der in der ſechs und funfzigſten Olympiade ſtarb, lebte in der andern Haͤlfte des zweyten Jahrhunderts: doch von unbeſtimmter Erzaͤhlung daß Aeneas Troer nach Heſperien gefuͤhrt habe, bis zu der daß er eine Co- lonie in Latium geſtiftet, iſt allerdings noch ein weiter Schritt: und es iſt ſehr zweifelhaft, ob Steſichorus an dieſes aͤußerſte Ziel trat.
Bey Arktinus wenigſtens war Rettung des Palladi- ums die Hauptthat des Heros: unter den Heiligthuͤmern bey Steſichorus war dieſes ſicher auch der koͤſtlichſte Schatz: dieſes Palladium aber glaubten die Griechen bey der Troiſchen Colonie zu Siris in Oenotrien geborgen; an der Kuͤſte wohin ſie ſo viele troiſche Erinnerungen ver- ſetzten, Philoktetes zu Petelia, Epeus zu Lagaria, Pylier zu Metapontum. Auch ſie war im Umfang Heſperiens, und dieſſeits dem furchtbaren Fabellande Sicilien; die
Erſter Theil. J
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0151"n="129"/>
daß und wie Piſander beſungen hat daß Aeneas mit einem<lb/>
Theil der Troer, nach dem Ungluͤck der Stadt, ſich ret-<lb/>
tete, und fortzog: aber Folgerungen wegen der ferneren<lb/>
Uebereinſtimmung ſeiner Fabel mit der virgiliſchen ſind<lb/>
unbefugt. Piſanders Zeitalter, wenn er der Kamiraͤer<lb/>
war, iſt ganz unbeſtimmt, vom Heſiodiſchen herab bis<lb/>
zur drey und dreyßigſten Olympiade.</p><lb/><p>Aber Steſichorus ſang von Aeneas Auswanderung<lb/>
faſt wie Virgil; denn die Darſtellungen der iliſchen Tafel<lb/>ſcheinen Vertrauen zu verdienen. Hier findet ſich die<lb/>
Rettung des Vaters und der Heiligthuͤmer, — etwas ver-<lb/>ſchieden von der Virgiliſchen Dichtung, — und die Ein-<lb/>ſchiffung Aeneas und der Seinigen nach Heſperien. Ste-<lb/>ſichorns, der in der ſechs und funfzigſten Olympiade ſtarb,<lb/>
lebte in der andern Haͤlfte des zweyten Jahrhunderts:<lb/>
doch von unbeſtimmter Erzaͤhlung daß Aeneas Troer<lb/>
nach Heſperien gefuͤhrt habe, bis zu der daß er eine Co-<lb/>
lonie in Latium geſtiftet, iſt allerdings noch ein weiter<lb/>
Schritt: und es iſt ſehr zweifelhaft, ob Steſichorus an<lb/>
dieſes aͤußerſte Ziel trat.</p><lb/><p>Bey Arktinus wenigſtens war Rettung des Palladi-<lb/>
ums die Hauptthat des Heros: unter den Heiligthuͤmern<lb/>
bey Steſichorus war dieſes ſicher auch der koͤſtlichſte<lb/>
Schatz: dieſes Palladium aber glaubten die Griechen bey<lb/>
der Troiſchen Colonie zu <hirendition="#g">Siris</hi> in Oenotrien geborgen;<lb/>
an <hirendition="#g">der</hi> Kuͤſte wohin ſie ſo viele troiſche Erinnerungen ver-<lb/>ſetzten, Philoktetes zu Petelia, Epeus zu Lagaria, Pylier<lb/>
zu Metapontum. Auch ſie war im Umfang Heſperiens,<lb/>
und dieſſeits dem furchtbaren Fabellande Sicilien; die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Erſter Theil. J</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0151]
daß und wie Piſander beſungen hat daß Aeneas mit einem
Theil der Troer, nach dem Ungluͤck der Stadt, ſich ret-
tete, und fortzog: aber Folgerungen wegen der ferneren
Uebereinſtimmung ſeiner Fabel mit der virgiliſchen ſind
unbefugt. Piſanders Zeitalter, wenn er der Kamiraͤer
war, iſt ganz unbeſtimmt, vom Heſiodiſchen herab bis
zur drey und dreyßigſten Olympiade.
Aber Steſichorus ſang von Aeneas Auswanderung
faſt wie Virgil; denn die Darſtellungen der iliſchen Tafel
ſcheinen Vertrauen zu verdienen. Hier findet ſich die
Rettung des Vaters und der Heiligthuͤmer, — etwas ver-
ſchieden von der Virgiliſchen Dichtung, — und die Ein-
ſchiffung Aeneas und der Seinigen nach Heſperien. Ste-
ſichorns, der in der ſechs und funfzigſten Olympiade ſtarb,
lebte in der andern Haͤlfte des zweyten Jahrhunderts:
doch von unbeſtimmter Erzaͤhlung daß Aeneas Troer
nach Heſperien gefuͤhrt habe, bis zu der daß er eine Co-
lonie in Latium geſtiftet, iſt allerdings noch ein weiter
Schritt: und es iſt ſehr zweifelhaft, ob Steſichorus an
dieſes aͤußerſte Ziel trat.
Bey Arktinus wenigſtens war Rettung des Palladi-
ums die Hauptthat des Heros: unter den Heiligthuͤmern
bey Steſichorus war dieſes ſicher auch der koͤſtlichſte
Schatz: dieſes Palladium aber glaubten die Griechen bey
der Troiſchen Colonie zu Siris in Oenotrien geborgen;
an der Kuͤſte wohin ſie ſo viele troiſche Erinnerungen ver-
ſetzten, Philoktetes zu Petelia, Epeus zu Lagaria, Pylier
zu Metapontum. Auch ſie war im Umfang Heſperiens,
und dieſſeits dem furchtbaren Fabellande Sicilien; die
Erſter Theil. J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/151>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.