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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Krieg bezwungen habe, und ihm und den Römern von
allen zwölf Städten die oberste Hoheit übertragen worden
sey. Ein Gleiches erzählt er von den Sabinern. Livius
hingegen schweigt ganz von dieser angeblichen gewaltigen
Macht Roms in jener alten Zeit: und der Vejentische
Waffenstillstand, welcher unter Servius Tullius abgelau-
fen war, ist, nach Livius Sinn als er das erste Buch
schrieb, der des Romulus, obgleich es gegen die Zeitrech-
nung streitet. Unter den Römischen Schriftstellern scheut
sich Florus allein vor der sichtbaren Fabel nicht. Ob sie alte
Verherrlichung über alles Glaubliche hinaus im Gedicht,
oder ob sie späte Verfälschung ist, läßt sich bey diesem
Stillschweigen nicht errathen.

Auf diesen Krieg bezieht Dionysius daß Tarquinius
die etruskischen Insignien der Königswürde, dargeboten
von der besiegten Nation, angenommen habe. Andere er-
zählen es von Tullus: nach Livius hat Romulus bey der
ersten Anordnung des Staats die königliche Würde damit
ausgezeichnet; und dieses, daß Rom auch hierin vom An-
beginn etruskische Sitte beobachtete, ist das glaublichste.
In der Pracht dieses königlichen Schmucks soll Tarquinius
wegen des Sabinerkriegs den ersten Triumph geführt ha-
ben; auch diese Feyer kam aus Etrurien und wird auf ih-
ren Denkmählern dargestellt.

Eben so waren die Schauspiele etruskisch, mit denen
der König das hartdienende Volk tröstete. Von den Wett-
spielen welche die Griechen zu Olympia versammelten, wa-
ren nur Wagenrennen und Faustkampf bey den Etruskern
gebräuchlich. An dem Schauspiel ergötzten sich die Itali-

Krieg bezwungen habe, und ihm und den Roͤmern von
allen zwoͤlf Staͤdten die oberſte Hoheit uͤbertragen worden
ſey. Ein Gleiches erzaͤhlt er von den Sabinern. Livius
hingegen ſchweigt ganz von dieſer angeblichen gewaltigen
Macht Roms in jener alten Zeit: und der Vejentiſche
Waffenſtillſtand, welcher unter Servius Tullius abgelau-
fen war, iſt, nach Livius Sinn als er das erſte Buch
ſchrieb, der des Romulus, obgleich es gegen die Zeitrech-
nung ſtreitet. Unter den Roͤmiſchen Schriftſtellern ſcheut
ſich Florus allein vor der ſichtbaren Fabel nicht. Ob ſie alte
Verherrlichung uͤber alles Glaubliche hinaus im Gedicht,
oder ob ſie ſpaͤte Verfaͤlſchung iſt, laͤßt ſich bey dieſem
Stillſchweigen nicht errathen.

Auf dieſen Krieg bezieht Dionyſius daß Tarquinius
die etruskiſchen Inſignien der Koͤnigswuͤrde, dargeboten
von der beſiegten Nation, angenommen habe. Andere er-
zaͤhlen es von Tullus: nach Livius hat Romulus bey der
erſten Anordnung des Staats die koͤnigliche Wuͤrde damit
ausgezeichnet; und dieſes, daß Rom auch hierin vom An-
beginn etruskiſche Sitte beobachtete, iſt das glaublichſte.
In der Pracht dieſes koͤniglichen Schmucks ſoll Tarquinius
wegen des Sabinerkriegs den erſten Triumph gefuͤhrt ha-
ben; auch dieſe Feyer kam aus Etrurien und wird auf ih-
ren Denkmaͤhlern dargeſtellt.

Eben ſo waren die Schauſpiele etruskiſch, mit denen
der Koͤnig das hartdienende Volk troͤſtete. Von den Wett-
ſpielen welche die Griechen zu Olympia verſammelten, wa-
ren nur Wagenrennen und Fauſtkampf bey den Etruskern
gebraͤuchlich. An dem Schauſpiel ergoͤtzten ſich die Itali-

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[218/0240] Krieg bezwungen habe, und ihm und den Roͤmern von allen zwoͤlf Staͤdten die oberſte Hoheit uͤbertragen worden ſey. Ein Gleiches erzaͤhlt er von den Sabinern. Livius hingegen ſchweigt ganz von dieſer angeblichen gewaltigen Macht Roms in jener alten Zeit: und der Vejentiſche Waffenſtillſtand, welcher unter Servius Tullius abgelau- fen war, iſt, nach Livius Sinn als er das erſte Buch ſchrieb, der des Romulus, obgleich es gegen die Zeitrech- nung ſtreitet. Unter den Roͤmiſchen Schriftſtellern ſcheut ſich Florus allein vor der ſichtbaren Fabel nicht. Ob ſie alte Verherrlichung uͤber alles Glaubliche hinaus im Gedicht, oder ob ſie ſpaͤte Verfaͤlſchung iſt, laͤßt ſich bey dieſem Stillſchweigen nicht errathen. Auf dieſen Krieg bezieht Dionyſius daß Tarquinius die etruskiſchen Inſignien der Koͤnigswuͤrde, dargeboten von der beſiegten Nation, angenommen habe. Andere er- zaͤhlen es von Tullus: nach Livius hat Romulus bey der erſten Anordnung des Staats die koͤnigliche Wuͤrde damit ausgezeichnet; und dieſes, daß Rom auch hierin vom An- beginn etruskiſche Sitte beobachtete, iſt das glaublichſte. In der Pracht dieſes koͤniglichen Schmucks ſoll Tarquinius wegen des Sabinerkriegs den erſten Triumph gefuͤhrt ha- ben; auch dieſe Feyer kam aus Etrurien und wird auf ih- ren Denkmaͤhlern dargeſtellt. Eben ſo waren die Schauſpiele etruskiſch, mit denen der Koͤnig das hartdienende Volk troͤſtete. Von den Wett- ſpielen welche die Griechen zu Olympia verſammelten, wa- ren nur Wagenrennen und Fauſtkampf bey den Etruskern gebraͤuchlich. An dem Schauſpiel ergoͤtzten ſich die Itali-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/240>, abgerufen am 21.11.2024.