merkwürdig und folgenreich, die bestimmte und geschlos- sene Zahl der Geschlechter, das eigenthümliche dieser Zahl, und daß der Begriff gemeinschaftlicher Abstammung aus- drücklich geläugnet wird.
Es war eine ursprüngliche Eintheilung welche wie die auf den Wohnort aller Bürger zur Zeit einer späteren Ge- setzgebung gegründete, der Demen, auf die Nachkommen forterbte, welche nie aus dem Genos ihrer Vorfahren traten: weder aber konnte ein neues Genos gebildet wer- den, noch, wer nicht von seinen Vorfahren diesen Adel des uralten Bürgerrechts empfangen hatte, in eine Phra- tria, folglich auch nicht in ein Genos eintreten 92). Auf die Stämme des Klisthenes haben weder Phratrien noch die Geschlechter die geringste Beziehung, jene theilten sich in Demen; die Geneten eines Geschlechts gehörten in die verschiedensten Demen 93): und Fremde welche das Bürgerrecht erhielten, wurden allerdings einer Phyle und einem Demus zugeschrieben, aber keiner Phratria und keinem Genos 94): so bezeichnet Aristophanes mehrmals neue Bürger höhnend als die welche keine oder barbarische Phratoren hätten 95).
92) Es ist völlig derselbe Begriff wie, wenigstens vormals, der eines Altchristen in Spanien.
93) Ein Beyspiel von den Brytiaden in der Rede gegen Neära, unter den Demosthenischen, p. 1365. ed: Reiske.
94) S. das Decret welches den Platäern das Bürgerrecht schenkt, in derselben Rede p. 1385.
95) Es verdient eine besondere Rüge, und mag über Bar- thelemys allgemeine Unzuverläßigkeit warnen, daß er, mit den ausdrücklichsten Zeugnissen vor den Augen, dennoch an-
merkwuͤrdig und folgenreich, die beſtimmte und geſchloſ- ſene Zahl der Geſchlechter, das eigenthuͤmliche dieſer Zahl, und daß der Begriff gemeinſchaftlicher Abſtammung aus- druͤcklich gelaͤugnet wird.
Es war eine urſpruͤngliche Eintheilung welche wie die auf den Wohnort aller Buͤrger zur Zeit einer ſpaͤteren Ge- ſetzgebung gegruͤndete, der Demen, auf die Nachkommen forterbte, welche nie aus dem Genos ihrer Vorfahren traten: weder aber konnte ein neues Genos gebildet wer- den, noch, wer nicht von ſeinen Vorfahren dieſen Adel des uralten Buͤrgerrechts empfangen hatte, in eine Phra- tria, folglich auch nicht in ein Genos eintreten 92). Auf die Staͤmme des Kliſthenes haben weder Phratrien noch die Geſchlechter die geringſte Beziehung, jene theilten ſich in Demen; die Geneten eines Geſchlechts gehoͤrten in die verſchiedenſten Demen 93): und Fremde welche das Buͤrgerrecht erhielten, wurden allerdings einer Phyle und einem Demus zugeſchrieben, aber keiner Phratria und keinem Genos 94): ſo bezeichnet Ariſtophanes mehrmals neue Buͤrger hoͤhnend als die welche keine oder barbariſche Phratoren haͤtten 95).
92) Es iſt voͤllig derſelbe Begriff wie, wenigſtens vormals, der eines Altchriſten in Spanien.
93) Ein Beyſpiel von den Brytiaden in der Rede gegen Neaͤra, unter den Demoſtheniſchen, p. 1365. ed: Reiske.
94) S. das Decret welches den Plataͤern das Buͤrgerrecht ſchenkt, in derſelben Rede p. 1385.
95) Es verdient eine beſondere Ruͤge, und mag uͤber Bar- thelemys allgemeine Unzuverlaͤßigkeit warnen, daß er, mit den ausdruͤcklichſten Zeugniſſen vor den Augen, dennoch an-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="230"/>
merkwuͤrdig und folgenreich, die beſtimmte und geſchloſ-<lb/>ſene Zahl der Geſchlechter, das eigenthuͤmliche dieſer Zahl,<lb/>
und daß der Begriff gemeinſchaftlicher Abſtammung aus-<lb/>
druͤcklich gelaͤugnet wird.</p><lb/><p>Es war eine urſpruͤngliche Eintheilung welche wie die<lb/>
auf den Wohnort aller Buͤrger zur Zeit einer ſpaͤteren Ge-<lb/>ſetzgebung gegruͤndete, der Demen, auf die Nachkommen<lb/>
forterbte, welche nie aus dem Genos ihrer Vorfahren<lb/>
traten: weder aber konnte ein neues Genos gebildet wer-<lb/>
den, noch, wer nicht von ſeinen Vorfahren dieſen Adel<lb/>
des uralten Buͤrgerrechts empfangen hatte, in eine Phra-<lb/>
tria, folglich auch nicht in ein Genos eintreten <noteplace="foot"n="92)">Es iſt voͤllig derſelbe Begriff wie, wenigſtens vormals,<lb/>
der eines Altchriſten in Spanien.</note>. Auf<lb/>
die Staͤmme des Kliſthenes haben weder Phratrien noch<lb/>
die Geſchlechter die geringſte Beziehung, jene theilten ſich<lb/>
in Demen; die Geneten eines Geſchlechts gehoͤrten in die<lb/>
verſchiedenſten Demen <noteplace="foot"n="93)">Ein Beyſpiel von den Brytiaden in der Rede gegen Neaͤra,<lb/>
unter den Demoſtheniſchen, <hirendition="#aq">p. 1365. ed: Reiske.</hi></note>: und Fremde welche das<lb/>
Buͤrgerrecht erhielten, wurden allerdings einer Phyle und<lb/>
einem Demus zugeſchrieben, aber keiner Phratria und<lb/>
keinem Genos <noteplace="foot"n="94)">S. das Decret welches den Plataͤern das Buͤrgerrecht<lb/>ſchenkt, in derſelben Rede <hirendition="#aq">p. 1385.</hi></note>: ſo bezeichnet Ariſtophanes mehrmals<lb/>
neue Buͤrger hoͤhnend als die welche keine oder barbariſche<lb/>
Phratoren haͤtten <notexml:id="note-0252"next="#note-0253"place="foot"n="95)">Es verdient eine beſondere Ruͤge, und mag uͤber Bar-<lb/>
thelemys allgemeine Unzuverlaͤßigkeit warnen, daß er, mit<lb/>
den ausdruͤcklichſten Zeugniſſen vor den Augen, dennoch an-</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[230/0252]
merkwuͤrdig und folgenreich, die beſtimmte und geſchloſ-
ſene Zahl der Geſchlechter, das eigenthuͤmliche dieſer Zahl,
und daß der Begriff gemeinſchaftlicher Abſtammung aus-
druͤcklich gelaͤugnet wird.
Es war eine urſpruͤngliche Eintheilung welche wie die
auf den Wohnort aller Buͤrger zur Zeit einer ſpaͤteren Ge-
ſetzgebung gegruͤndete, der Demen, auf die Nachkommen
forterbte, welche nie aus dem Genos ihrer Vorfahren
traten: weder aber konnte ein neues Genos gebildet wer-
den, noch, wer nicht von ſeinen Vorfahren dieſen Adel
des uralten Buͤrgerrechts empfangen hatte, in eine Phra-
tria, folglich auch nicht in ein Genos eintreten 92). Auf
die Staͤmme des Kliſthenes haben weder Phratrien noch
die Geſchlechter die geringſte Beziehung, jene theilten ſich
in Demen; die Geneten eines Geſchlechts gehoͤrten in die
verſchiedenſten Demen 93): und Fremde welche das
Buͤrgerrecht erhielten, wurden allerdings einer Phyle und
einem Demus zugeſchrieben, aber keiner Phratria und
keinem Genos 94): ſo bezeichnet Ariſtophanes mehrmals
neue Buͤrger hoͤhnend als die welche keine oder barbariſche
Phratoren haͤtten 95).
92) Es iſt voͤllig derſelbe Begriff wie, wenigſtens vormals,
der eines Altchriſten in Spanien.
93) Ein Beyſpiel von den Brytiaden in der Rede gegen Neaͤra,
unter den Demoſtheniſchen, p. 1365. ed: Reiske.
94) S. das Decret welches den Plataͤern das Buͤrgerrecht
ſchenkt, in derſelben Rede p. 1385.
95) Es verdient eine beſondere Ruͤge, und mag uͤber Bar-
thelemys allgemeine Unzuverlaͤßigkeit warnen, daß er, mit
den ausdruͤcklichſten Zeugniſſen vor den Augen, dennoch an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/252>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.