Grabmahl des Porsena, welches Plinius 12) beschreibt. Denn zwar ist das historische Daseyn dieses Riesengebäu- des als eines Weltwunders nicht nur dadurch zweifelhaft daß Plinius nur nach Varro beschreibt was auch dieser nicht nach eigner Anschauung sondern nach etruskischen Annalen geschildert hatte, zwar ist es schon im höchsten Grade unwahrscheinlich daß ein solches Gebäude in weni- ger als fünfhundert Jahren bis zur Unkenntlichkeit seiner ersten Anlage zerstört worden sey, endlich darf vor allem gegen die absolute innre Unmöglichkeit solcher Stockwerke von Pyramiden kein Zeugniß der Annalen einer Nation gelten die nichts als eine mährchenvolle Priesterlitteratur besaß: aber an dem Daseyn eines ungeheuern Monuments zu zweifeln weil die alte Beschreibung in das traumhaft ungeheure eines morgenländischen Feenmährchens über- trieben ist, verbieten die Beyspiele morgenländischer Schilderungen der Pracht und Größe alter Gebäude, an deren Daseyn, aber in einer weit mäßigeren Möglichkeit nicht der geringste Zweifel ist, wie wir sie auch noch gro- ßentheils in ihren Trümmern sehen. Das historisch wahre an diesem Monument dürften wohl Pyramiden auf einer gemeinsamen fast cubischen oder sehr niedrig abgeschnitte- nen pyramidalischen Basis seyn. Aber so mährchenhaft verkünstelt, und einem Könige zugeschrieben, den die Un- abhängigkeit der etruskischen Nation nur um zwey Jahr- hunderte überlebte, erregt vielleicht schon diese Erzählung einen gegründeten Verdacht gegen das Daseyn des Por- sena als einer historischen Person in diesem dichterischen
12)H. N. XXXVI. c. 19.
Grabmahl des Porſena, welches Plinius 12) beſchreibt. Denn zwar iſt das hiſtoriſche Daſeyn dieſes Rieſengebaͤu- des als eines Weltwunders nicht nur dadurch zweifelhaft daß Plinius nur nach Varro beſchreibt was auch dieſer nicht nach eigner Anſchauung ſondern nach etruskiſchen Annalen geſchildert hatte, zwar iſt es ſchon im hoͤchſten Grade unwahrſcheinlich daß ein ſolches Gebaͤude in weni- ger als fuͤnfhundert Jahren bis zur Unkenntlichkeit ſeiner erſten Anlage zerſtoͤrt worden ſey, endlich darf vor allem gegen die abſolute innre Unmoͤglichkeit ſolcher Stockwerke von Pyramiden kein Zeugniß der Annalen einer Nation gelten die nichts als eine maͤhrchenvolle Prieſterlitteratur beſaß: aber an dem Daſeyn eines ungeheuern Monuments zu zweifeln weil die alte Beſchreibung in das traumhaft ungeheure eines morgenlaͤndiſchen Feenmaͤhrchens uͤber- trieben iſt, verbieten die Beyſpiele morgenlaͤndiſcher Schilderungen der Pracht und Groͤße alter Gebaͤude, an deren Daſeyn, aber in einer weit maͤßigeren Moͤglichkeit nicht der geringſte Zweifel iſt, wie wir ſie auch noch gro- ßentheils in ihren Truͤmmern ſehen. Das hiſtoriſch wahre an dieſem Monument duͤrften wohl Pyramiden auf einer gemeinſamen faſt cubiſchen oder ſehr niedrig abgeſchnitte- nen pyramidaliſchen Baſis ſeyn. Aber ſo maͤhrchenhaft verkuͤnſtelt, und einem Koͤnige zugeſchrieben, den die Un- abhaͤngigkeit der etruskiſchen Nation nur um zwey Jahr- hunderte uͤberlebte, erregt vielleicht ſchon dieſe Erzaͤhlung einen gegruͤndeten Verdacht gegen das Daſeyn des Por- ſena als einer hiſtoriſchen Perſon in dieſem dichteriſchen
12)H. N. XXXVI. c. 19.
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Grabmahl des Porſena, welches Plinius 12) beſchreibt.
Denn zwar iſt das hiſtoriſche Daſeyn dieſes Rieſengebaͤu-
des als eines Weltwunders nicht nur dadurch zweifelhaft
daß Plinius nur nach Varro beſchreibt was auch dieſer
nicht nach eigner Anſchauung ſondern nach etruskiſchen
Annalen geſchildert hatte, zwar iſt es ſchon im hoͤchſten
Grade unwahrſcheinlich daß ein ſolches Gebaͤude in weni-
ger als fuͤnfhundert Jahren bis zur Unkenntlichkeit ſeiner
erſten Anlage zerſtoͤrt worden ſey, endlich darf vor allem
gegen die abſolute innre Unmoͤglichkeit ſolcher Stockwerke
von Pyramiden kein Zeugniß der Annalen einer Nation
gelten die nichts als eine maͤhrchenvolle Prieſterlitteratur
beſaß: aber an dem Daſeyn eines ungeheuern Monuments
zu zweifeln weil die alte Beſchreibung in das traumhaft
ungeheure eines morgenlaͤndiſchen Feenmaͤhrchens uͤber-
trieben iſt, verbieten die Beyſpiele morgenlaͤndiſcher
Schilderungen der Pracht und Groͤße alter Gebaͤude, an
deren Daſeyn, aber in einer weit maͤßigeren Moͤglichkeit
nicht der geringſte Zweifel iſt, wie wir ſie auch noch gro-
ßentheils in ihren Truͤmmern ſehen. Das hiſtoriſch wahre
an dieſem Monument duͤrften wohl Pyramiden auf einer
gemeinſamen faſt cubiſchen oder ſehr niedrig abgeſchnitte-
nen pyramidaliſchen Baſis ſeyn. Aber ſo maͤhrchenhaft
verkuͤnſtelt, und einem Koͤnige zugeſchrieben, den die Un-
abhaͤngigkeit der etruskiſchen Nation nur um zwey Jahr-
hunderte uͤberlebte, erregt vielleicht ſchon dieſe Erzaͤhlung
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ſena als einer hiſtoriſchen Perſon in dieſem dichteriſchen
12) H. N. XXXVI. c. 19.
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/368>, abgerufen am 16.06.2024.
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