sandte. Allenthalben fließt in Livius die alte Sage weit ungetrübter als bey Dionysius. Ueberrascht oder an ihren Kräften verzagend, wagten die Römer keinen Versuch im Felde Widerstand zu leisten: sie beschränkten sich auf die Vertheidigung ihrer Mauern. Die Menge unabhän- giger Staaten konnte leicht eine ihnen günstige Diver- sion veranlassen, und unter diesen Umständen war damals eine belagerte Stadt keine eroberte. Der Hunger war der furchtbarste Feind: Verrath fürchtete man, da die Ver- dächtigen ausgewandert waren weniger als überdrüssige Ermattung des Volks. Worte und unbestimmte Gefühle reissen das Volk so lange es von ihnen entzündet ist noch heftiger fort, als die höheren Stände: aber ihre Kraft verschwindet und sie werden verhaßt unter dem Druck ge- genwärtiger Noth. Es scheint daß die Zeit zu kurz war Vorräthe anzuschaffen um die Einschließung zu bestehen: aber damit das Volk nicht unter der Theurung erliege, übernahm der Staat den Salzhandel, und verkaufte ohne Vortheil; die Accise ward abgeschafft, und die Armee von der Steuer befreyt.
Selbst das Janiculum, noch keine Vorstadt, sondern nur ein befestigter Hügel der Stadt gegenüber, ward im ersten Angriff genommen. Die römische Besatzung floh verwirrt über die Brücke in die am Strohm offene Stadt: die Etrusker verfolgten sie ungestüm den Hügel hinab. Alles war verlohren wenn sie sich der Brücke bemächtig- ten. Diese zu zerstören beschwor Horatius Cocles die Flie- henden: er selbst unternahm es das Heer und die Stadt zu decken, bis die Brücke abgebrochen sey. Beschämung
ſandte. Allenthalben fließt in Livius die alte Sage weit ungetruͤbter als bey Dionyſius. Ueberraſcht oder an ihren Kraͤften verzagend, wagten die Roͤmer keinen Verſuch im Felde Widerſtand zu leiſten: ſie beſchraͤnkten ſich auf die Vertheidigung ihrer Mauern. Die Menge unabhaͤn- giger Staaten konnte leicht eine ihnen guͤnſtige Diver- ſion veranlaſſen, und unter dieſen Umſtaͤnden war damals eine belagerte Stadt keine eroberte. Der Hunger war der furchtbarſte Feind: Verrath fuͤrchtete man, da die Ver- daͤchtigen ausgewandert waren weniger als uͤberdruͤſſige Ermattung des Volks. Worte und unbeſtimmte Gefuͤhle reiſſen das Volk ſo lange es von ihnen entzuͤndet iſt noch heftiger fort, als die hoͤheren Staͤnde: aber ihre Kraft verſchwindet und ſie werden verhaßt unter dem Druck ge- genwaͤrtiger Noth. Es ſcheint daß die Zeit zu kurz war Vorraͤthe anzuſchaffen um die Einſchließung zu beſtehen: aber damit das Volk nicht unter der Theurung erliege, uͤbernahm der Staat den Salzhandel, und verkaufte ohne Vortheil; die Acciſe ward abgeſchafft, und die Armee von der Steuer befreyt.
Selbſt das Janiculum, noch keine Vorſtadt, ſondern nur ein befeſtigter Huͤgel der Stadt gegenuͤber, ward im erſten Angriff genommen. Die roͤmiſche Beſatzung floh verwirrt uͤber die Bruͤcke in die am Strohm offene Stadt: die Etrusker verfolgten ſie ungeſtuͤm den Huͤgel hinab. Alles war verlohren wenn ſie ſich der Bruͤcke bemaͤchtig- ten. Dieſe zu zerſtoͤren beſchwor Horatius Cocles die Flie- henden: er ſelbſt unternahm es das Heer und die Stadt zu decken, bis die Bruͤcke abgebrochen ſey. Beſchaͤmung
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ſandte. Allenthalben fließt in Livius die alte Sage weit
ungetruͤbter als bey Dionyſius. Ueberraſcht oder an ihren
Kraͤften verzagend, wagten die Roͤmer keinen Verſuch im
Felde Widerſtand zu leiſten: ſie beſchraͤnkten ſich auf
die Vertheidigung ihrer Mauern. Die Menge unabhaͤn-
giger Staaten konnte leicht eine ihnen guͤnſtige Diver-
ſion veranlaſſen, und unter dieſen Umſtaͤnden war damals
eine belagerte Stadt keine eroberte. Der Hunger war der
furchtbarſte Feind: Verrath fuͤrchtete man, da die Ver-
daͤchtigen ausgewandert waren weniger als uͤberdruͤſſige
Ermattung des Volks. Worte und unbeſtimmte Gefuͤhle
reiſſen das Volk ſo lange es von ihnen entzuͤndet iſt noch
heftiger fort, als die hoͤheren Staͤnde: aber ihre Kraft
verſchwindet und ſie werden verhaßt unter dem Druck ge-
genwaͤrtiger Noth. Es ſcheint daß die Zeit zu kurz war
Vorraͤthe anzuſchaffen um die Einſchließung zu beſtehen:
aber damit das Volk nicht unter der Theurung erliege,
uͤbernahm der Staat den Salzhandel, und verkaufte ohne
Vortheil; die Acciſe ward abgeſchafft, und die Armee von
der Steuer befreyt.
Selbſt das Janiculum, noch keine Vorſtadt, ſondern
nur ein befeſtigter Huͤgel der Stadt gegenuͤber, ward im
erſten Angriff genommen. Die roͤmiſche Beſatzung floh
verwirrt uͤber die Bruͤcke in die am Strohm offene Stadt:
die Etrusker verfolgten ſie ungeſtuͤm den Huͤgel hinab.
Alles war verlohren wenn ſie ſich der Bruͤcke bemaͤchtig-
ten. Dieſe zu zerſtoͤren beſchwor Horatius Cocles die Flie-
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zu decken, bis die Bruͤcke abgebrochen ſey. Beſchaͤmung
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/370>, abgerufen am 24.11.2024.
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