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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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Bündniß so wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der
Souverain mit einer unterthänigen Stadt ein Bündniß
schloß, dieses Glückswechsel oder eine freywillige Eman-
cipation voraussetzt. Beaufort hat aus Plinius eine äu-
ßerst merkwürdige Stelle angeführt, welche am allerklar-
sten darthut wie tief Rom durch diesen Krieg gesunken
war. Das Bündniß mit Porsena untersagte den Römern
allen Gebrauch des Eisens, ausgenommen bey dem Acker-
bau 18). Wenn aber Plinius nicht Bündniß nennt was
Gesetz des Oberherrn war, so gehört es, mit dieser trauri-
gen Verfügung schon der Zeit an worin das Verhältniß
Roms der Form nach gemildert, und ihm schon eine zwar
noch wehrlose und nichtige, aber doch eine Selbstständig-
keit wiedergegeben war.

Aber wenn auch die schonende Ausschmückung des
Gedichts, schnell über den herben Augenblick hineilend,
schon die älteren Geschichtschreiber getäuscht hätte, so
verbirgt doch selbst ihre Erzählung sehr unvollkommen daß
sich kein andrer Ausgang denken läßt. Unter solchen Um-
ständen, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem
Beystand verlaßnen Feind, schlossen altitalische Völker
kein Bündniß als mit Gleichen, sie benutzten den Sieg
immer bis auf das äußerste, und das besiegte Volk rettete

sein
18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi-
bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre-
hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur
.
Ich verdanke die Kenntniß dieser mir entgangnen Stelle
zuerst dem Micali, der sie aber, eben wie Levesque, still-
schweigend aus Beaufort entlehnt hat.

Buͤndniß ſo wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der
Souverain mit einer unterthaͤnigen Stadt ein Buͤndniß
ſchloß, dieſes Gluͤckswechſel oder eine freywillige Eman-
cipation vorausſetzt. Beaufort hat aus Plinius eine aͤu-
ßerſt merkwuͤrdige Stelle angefuͤhrt, welche am allerklar-
ſten darthut wie tief Rom durch dieſen Krieg geſunken
war. Das Buͤndniß mit Porſena unterſagte den Roͤmern
allen Gebrauch des Eiſens, ausgenommen bey dem Acker-
bau 18). Wenn aber Plinius nicht Buͤndniß nennt was
Geſetz des Oberherrn war, ſo gehoͤrt es, mit dieſer trauri-
gen Verfuͤgung ſchon der Zeit an worin das Verhaͤltniß
Roms der Form nach gemildert, und ihm ſchon eine zwar
noch wehrloſe und nichtige, aber doch eine Selbſtſtaͤndig-
keit wiedergegeben war.

Aber wenn auch die ſchonende Ausſchmuͤckung des
Gedichts, ſchnell uͤber den herben Augenblick hineilend,
ſchon die aͤlteren Geſchichtſchreiber getaͤuſcht haͤtte, ſo
verbirgt doch ſelbſt ihre Erzaͤhlung ſehr unvollkommen daß
ſich kein andrer Ausgang denken laͤßt. Unter ſolchen Um-
ſtaͤnden, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem
Beyſtand verlaßnen Feind, ſchloſſen altitaliſche Voͤlker
kein Buͤndniß als mit Gleichen, ſie benutzten den Sieg
immer bis auf das aͤußerſte, und das beſiegte Volk rettete

ſein
18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi-
bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre-
hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur
.
Ich verdanke die Kenntniß dieſer mir entgangnen Stelle
zuerſt dem Micali, der ſie aber, eben wie Levesque, ſtill-
ſchweigend aus Beaufort entlehnt hat.
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[352/0374] Buͤndniß ſo wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der Souverain mit einer unterthaͤnigen Stadt ein Buͤndniß ſchloß, dieſes Gluͤckswechſel oder eine freywillige Eman- cipation vorausſetzt. Beaufort hat aus Plinius eine aͤu- ßerſt merkwuͤrdige Stelle angefuͤhrt, welche am allerklar- ſten darthut wie tief Rom durch dieſen Krieg geſunken war. Das Buͤndniß mit Porſena unterſagte den Roͤmern allen Gebrauch des Eiſens, ausgenommen bey dem Acker- bau 18). Wenn aber Plinius nicht Buͤndniß nennt was Geſetz des Oberherrn war, ſo gehoͤrt es, mit dieſer trauri- gen Verfuͤgung ſchon der Zeit an worin das Verhaͤltniß Roms der Form nach gemildert, und ihm ſchon eine zwar noch wehrloſe und nichtige, aber doch eine Selbſtſtaͤndig- keit wiedergegeben war. Aber wenn auch die ſchonende Ausſchmuͤckung des Gedichts, ſchnell uͤber den herben Augenblick hineilend, ſchon die aͤlteren Geſchichtſchreiber getaͤuſcht haͤtte, ſo verbirgt doch ſelbſt ihre Erzaͤhlung ſehr unvollkommen daß ſich kein andrer Ausgang denken laͤßt. Unter ſolchen Um- ſtaͤnden, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem Beyſtand verlaßnen Feind, ſchloſſen altitaliſche Voͤlker kein Buͤndniß als mit Gleichen, ſie benutzten den Sieg immer bis auf das aͤußerſte, und das beſiegte Volk rettete ſein 18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi- bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre- hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur. Ich verdanke die Kenntniß dieſer mir entgangnen Stelle zuerſt dem Micali, der ſie aber, eben wie Levesque, ſtill- ſchweigend aus Beaufort entlehnt hat.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/374>, abgerufen am 25.11.2024.