Bündniß so wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der Souverain mit einer unterthänigen Stadt ein Bündniß schloß, dieses Glückswechsel oder eine freywillige Eman- cipation voraussetzt. Beaufort hat aus Plinius eine äu- ßerst merkwürdige Stelle angeführt, welche am allerklar- sten darthut wie tief Rom durch diesen Krieg gesunken war. Das Bündniß mit Porsena untersagte den Römern allen Gebrauch des Eisens, ausgenommen bey dem Acker- bau 18). Wenn aber Plinius nicht Bündniß nennt was Gesetz des Oberherrn war, so gehört es, mit dieser trauri- gen Verfügung schon der Zeit an worin das Verhältniß Roms der Form nach gemildert, und ihm schon eine zwar noch wehrlose und nichtige, aber doch eine Selbstständig- keit wiedergegeben war.
Aber wenn auch die schonende Ausschmückung des Gedichts, schnell über den herben Augenblick hineilend, schon die älteren Geschichtschreiber getäuscht hätte, so verbirgt doch selbst ihre Erzählung sehr unvollkommen daß sich kein andrer Ausgang denken läßt. Unter solchen Um- ständen, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem Beystand verlaßnen Feind, schlossen altitalische Völker kein Bündniß als mit Gleichen, sie benutzten den Sieg immer bis auf das äußerste, und das besiegte Volk rettete
sein
18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi- bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre- hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur. Ich verdanke die Kenntniß dieser mir entgangnen Stelle zuerst dem Micali, der sie aber, eben wie Levesque, still- schweigend aus Beaufort entlehnt hat.
Buͤndniß ſo wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der Souverain mit einer unterthaͤnigen Stadt ein Buͤndniß ſchloß, dieſes Gluͤckswechſel oder eine freywillige Eman- cipation vorausſetzt. Beaufort hat aus Plinius eine aͤu- ßerſt merkwuͤrdige Stelle angefuͤhrt, welche am allerklar- ſten darthut wie tief Rom durch dieſen Krieg geſunken war. Das Buͤndniß mit Porſena unterſagte den Roͤmern allen Gebrauch des Eiſens, ausgenommen bey dem Acker- bau 18). Wenn aber Plinius nicht Buͤndniß nennt was Geſetz des Oberherrn war, ſo gehoͤrt es, mit dieſer trauri- gen Verfuͤgung ſchon der Zeit an worin das Verhaͤltniß Roms der Form nach gemildert, und ihm ſchon eine zwar noch wehrloſe und nichtige, aber doch eine Selbſtſtaͤndig- keit wiedergegeben war.
Aber wenn auch die ſchonende Ausſchmuͤckung des Gedichts, ſchnell uͤber den herben Augenblick hineilend, ſchon die aͤlteren Geſchichtſchreiber getaͤuſcht haͤtte, ſo verbirgt doch ſelbſt ihre Erzaͤhlung ſehr unvollkommen daß ſich kein andrer Ausgang denken laͤßt. Unter ſolchen Um- ſtaͤnden, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem Beyſtand verlaßnen Feind, ſchloſſen altitaliſche Voͤlker kein Buͤndniß als mit Gleichen, ſie benutzten den Sieg immer bis auf das aͤußerſte, und das beſiegte Volk rettete
ſein
18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi- bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre- hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur. Ich verdanke die Kenntniß dieſer mir entgangnen Stelle zuerſt dem Micali, der ſie aber, eben wie Levesque, ſtill- ſchweigend aus Beaufort entlehnt hat.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0374"n="352"/>
Buͤndniß ſo wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der<lb/>
Souverain mit einer unterthaͤnigen Stadt ein Buͤndniß<lb/>ſchloß, dieſes Gluͤckswechſel oder eine freywillige Eman-<lb/>
cipation vorausſetzt. Beaufort hat aus Plinius eine aͤu-<lb/>
ßerſt merkwuͤrdige Stelle angefuͤhrt, welche am allerklar-<lb/>ſten darthut wie tief Rom durch dieſen Krieg geſunken<lb/>
war. Das Buͤndniß mit Porſena unterſagte den Roͤmern<lb/>
allen Gebrauch des Eiſens, ausgenommen bey dem Acker-<lb/>
bau <noteplace="foot"n="18)">Plinius <hirendition="#aq">XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi-<lb/>
bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre-<lb/>
hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur</hi>.<lb/>
Ich verdanke die Kenntniß dieſer mir entgangnen Stelle<lb/>
zuerſt dem Micali, der ſie aber, eben wie Levesque, ſtill-<lb/>ſchweigend aus Beaufort entlehnt hat.</note>. Wenn aber Plinius nicht Buͤndniß nennt was<lb/>
Geſetz des Oberherrn war, ſo gehoͤrt es, mit dieſer trauri-<lb/>
gen Verfuͤgung ſchon der Zeit an worin das Verhaͤltniß<lb/>
Roms der Form nach gemildert, und ihm ſchon eine zwar<lb/>
noch wehrloſe und nichtige, aber doch eine Selbſtſtaͤndig-<lb/>
keit wiedergegeben war.</p><lb/><p>Aber wenn auch die ſchonende Ausſchmuͤckung des<lb/>
Gedichts, ſchnell uͤber den herben Augenblick hineilend,<lb/>ſchon die aͤlteren Geſchichtſchreiber getaͤuſcht haͤtte, ſo<lb/>
verbirgt doch ſelbſt ihre Erzaͤhlung ſehr unvollkommen daß<lb/>ſich kein andrer Ausgang denken laͤßt. Unter ſolchen Um-<lb/>ſtaͤnden, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem<lb/>
Beyſtand verlaßnen Feind, ſchloſſen altitaliſche Voͤlker<lb/>
kein Buͤndniß als mit Gleichen, ſie benutzten den Sieg<lb/>
immer bis auf das aͤußerſte, und das beſiegte Volk rettete<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſein</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[352/0374]
Buͤndniß ſo wenig die Rede, daß vielmehr, wenn der
Souverain mit einer unterthaͤnigen Stadt ein Buͤndniß
ſchloß, dieſes Gluͤckswechſel oder eine freywillige Eman-
cipation vorausſetzt. Beaufort hat aus Plinius eine aͤu-
ßerſt merkwuͤrdige Stelle angefuͤhrt, welche am allerklar-
ſten darthut wie tief Rom durch dieſen Krieg geſunken
war. Das Buͤndniß mit Porſena unterſagte den Roͤmern
allen Gebrauch des Eiſens, ausgenommen bey dem Acker-
bau 18). Wenn aber Plinius nicht Buͤndniß nennt was
Geſetz des Oberherrn war, ſo gehoͤrt es, mit dieſer trauri-
gen Verfuͤgung ſchon der Zeit an worin das Verhaͤltniß
Roms der Form nach gemildert, und ihm ſchon eine zwar
noch wehrloſe und nichtige, aber doch eine Selbſtſtaͤndig-
keit wiedergegeben war.
Aber wenn auch die ſchonende Ausſchmuͤckung des
Gedichts, ſchnell uͤber den herben Augenblick hineilend,
ſchon die aͤlteren Geſchichtſchreiber getaͤuſcht haͤtte, ſo
verbirgt doch ſelbſt ihre Erzaͤhlung ſehr unvollkommen daß
ſich kein andrer Ausgang denken laͤßt. Unter ſolchen Um-
ſtaͤnden, mit einem vom Hunger verzehrten, von allem
Beyſtand verlaßnen Feind, ſchloſſen altitaliſche Voͤlker
kein Buͤndniß als mit Gleichen, ſie benutzten den Sieg
immer bis auf das aͤußerſte, und das beſiegte Volk rettete
ſein
18) Plinius XXXIV. c. 39. In foedere quod expulsis regi-
bus populo Romano dedit Porsena, nominatim compre-
hensum invenimus ne ferro nisi in agricultura uterentur.
Ich verdanke die Kenntniß dieſer mir entgangnen Stelle
zuerſt dem Micali, der ſie aber, eben wie Levesque, ſtill-
ſchweigend aus Beaufort entlehnt hat.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/374>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.