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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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den Charakter des plebejischen Standes verkannte, und
gar nicht geahndet hat. Daher, und weil noch spät, in
veränderter Gestalt, eine Clientel bestand wodurch Plebe-
jer von den Großen abhängig waren, verfiel er in den al-
les zerstörenden Irrthum, dieses Verhältniß habe ur-
sprünglich beyde Stände verbunden, und die Plebejer
seyen der Patricier Clienten gewesen: eine Ansicht wonach
allerdings das Volk in dem Licht einer Klasse erbunter-
thäniger Landleute erscheint, welche, wie sehr auch ihr
Loos Mitgefühl erregt, dennoch keineswegs fähig scheinen
können, die Souverainetät zu theilen, oder auch nur
schnell und allgemein zum Genuß voller Freyheit zu
gelangen.

Aber in der ältesten Zeit Roms gab es noch keine
Plebs, wenn gleich die damals noch nicht zum Patriciat
erhobenen Rittergeschlechter mit ihr verglichen werden
können: und sie wird später von den Clienten der Patri-
cier mit ganz unbestreitbarer Bestimmtheit unterschieden.
Livius hat sich hierüber nicht getäuscht, und wenn selbst
bey ihm die Unterscheidung wie sie die ältesten Annalen ge-
zeichnet haben müssen, an vielen Stellen verwischt ist, an
andern hat sie sich unzweydeutig erhalten.

Er erzählt: bey einer heftigen Spannung zwischen
Patriciern und Plebejern, hätte sich das Volk ganz von
der Consulwahl zurückgezogen, und diese sey nur von jenen
und ihren Clienten gehalten worden 39): vor dem Gericht

39) Livius II. c. 64. Irata plebs interesse consularibus co-
mitiis noluit. Per Patres clientesque Patrum consules
creati.

den Charakter des plebejiſchen Standes verkannte, und
gar nicht geahndet hat. Daher, und weil noch ſpaͤt, in
veraͤnderter Geſtalt, eine Clientel beſtand wodurch Plebe-
jer von den Großen abhaͤngig waren, verfiel er in den al-
les zerſtoͤrenden Irrthum, dieſes Verhaͤltniß habe ur-
ſpruͤnglich beyde Staͤnde verbunden, und die Plebejer
ſeyen der Patricier Clienten geweſen: eine Anſicht wonach
allerdings das Volk in dem Licht einer Klaſſe erbunter-
thaͤniger Landleute erſcheint, welche, wie ſehr auch ihr
Loos Mitgefuͤhl erregt, dennoch keineswegs faͤhig ſcheinen
koͤnnen, die Souverainetaͤt zu theilen, oder auch nur
ſchnell und allgemein zum Genuß voller Freyheit zu
gelangen.

Aber in der aͤlteſten Zeit Roms gab es noch keine
Plebs, wenn gleich die damals noch nicht zum Patriciat
erhobenen Rittergeſchlechter mit ihr verglichen werden
koͤnnen: und ſie wird ſpaͤter von den Clienten der Patri-
cier mit ganz unbeſtreitbarer Beſtimmtheit unterſchieden.
Livius hat ſich hieruͤber nicht getaͤuſcht, und wenn ſelbſt
bey ihm die Unterſcheidung wie ſie die aͤlteſten Annalen ge-
zeichnet haben muͤſſen, an vielen Stellen verwiſcht iſt, an
andern hat ſie ſich unzweydeutig erhalten.

Er erzaͤhlt: bey einer heftigen Spannung zwiſchen
Patriciern und Plebejern, haͤtte ſich das Volk ganz von
der Conſulwahl zuruͤckgezogen, und dieſe ſey nur von jenen
und ihren Clienten gehalten worden 39): vor dem Gericht

39) Livius II. c. 64. Irata plebs interesse consularibus co-
mitiis noluit. Per Patres clientesque Patrum consules
creati.
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[381/0403] den Charakter des plebejiſchen Standes verkannte, und gar nicht geahndet hat. Daher, und weil noch ſpaͤt, in veraͤnderter Geſtalt, eine Clientel beſtand wodurch Plebe- jer von den Großen abhaͤngig waren, verfiel er in den al- les zerſtoͤrenden Irrthum, dieſes Verhaͤltniß habe ur- ſpruͤnglich beyde Staͤnde verbunden, und die Plebejer ſeyen der Patricier Clienten geweſen: eine Anſicht wonach allerdings das Volk in dem Licht einer Klaſſe erbunter- thaͤniger Landleute erſcheint, welche, wie ſehr auch ihr Loos Mitgefuͤhl erregt, dennoch keineswegs faͤhig ſcheinen koͤnnen, die Souverainetaͤt zu theilen, oder auch nur ſchnell und allgemein zum Genuß voller Freyheit zu gelangen. Aber in der aͤlteſten Zeit Roms gab es noch keine Plebs, wenn gleich die damals noch nicht zum Patriciat erhobenen Rittergeſchlechter mit ihr verglichen werden koͤnnen: und ſie wird ſpaͤter von den Clienten der Patri- cier mit ganz unbeſtreitbarer Beſtimmtheit unterſchieden. Livius hat ſich hieruͤber nicht getaͤuſcht, und wenn ſelbſt bey ihm die Unterſcheidung wie ſie die aͤlteſten Annalen ge- zeichnet haben muͤſſen, an vielen Stellen verwiſcht iſt, an andern hat ſie ſich unzweydeutig erhalten. Er erzaͤhlt: bey einer heftigen Spannung zwiſchen Patriciern und Plebejern, haͤtte ſich das Volk ganz von der Conſulwahl zuruͤckgezogen, und dieſe ſey nur von jenen und ihren Clienten gehalten worden 39): vor dem Gericht 39) Livius II. c. 64. Irata plebs interesse consularibus co- mitiis noluit. Per Patres clientesque Patrum consules creati.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/403>, abgerufen am 24.11.2024.