Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

dienst durch das Vermögen bestimmte, und sogar den
ausschloß der nichts als eine sehr geringe Habe eigen-
thümlich besaß.

Wie die zwölf Tafeln in der bürgerlichen Gesetzge-
bung überhaupt mehr das alte Recht verzeichneten als
neues feststellten, ist es wahrscheinlich daß ihre Verord-
nungen über das Schuldrecht aus derselben Quelle ge-
flossen sind. Haben sie geändert, so läßt sich Milde-
rung, nicht Schärfung erwarten; aber bey der Dunkel-
heit die hierüber ewig herrschen muß, ist es passender
die Untersuchung des alten Schuldrechts bis zur Dar-
stellung einer späteren Zeit zu verschieben. Das ist außer
Zweifel daß der Schuldner, wenn er keine Zahlung lei-
stete zum körperlichen Knechtsdienst verfallen war. Dies
war auch altes attisches Recht, welches Solon abschaffte,
und ohne Zweifel allgemeines griechisches: denn die rauh-
sten Formen der attischen ältesten Einrichtungen sind
gewiß den roheren Stämmen gemeinschaftlich gewesen,
und haben sich bey ihnen erhalten als zu Athen mildere
herrschend geworden waren. Es ist das alte Recht von
ganz Asien und des Nordens. Der Schuldherr war
sicher auch schon damals berechtigt den ihm verfallnen
Schuldner in die Fremde zu verkaufen. Auch dieses
war attisches Recht vor Solon: jede Schuld begründete
eine persönliche Verpfändung des Leibes. Das Loos des
dienenden Schuldners war nicht besser als des Skla-
ven, er trug Ketten und ward von seinem Brodherrn
mit willkührlichen Züchtigungen zum Frohndienst an-
gehalten.


Bey

dienſt durch das Vermoͤgen beſtimmte, und ſogar den
ausſchloß der nichts als eine ſehr geringe Habe eigen-
thuͤmlich beſaß.

Wie die zwoͤlf Tafeln in der buͤrgerlichen Geſetzge-
bung uͤberhaupt mehr das alte Recht verzeichneten als
neues feſtſtellten, iſt es wahrſcheinlich daß ihre Verord-
nungen uͤber das Schuldrecht aus derſelben Quelle ge-
floſſen ſind. Haben ſie geaͤndert, ſo laͤßt ſich Milde-
rung, nicht Schaͤrfung erwarten; aber bey der Dunkel-
heit die hieruͤber ewig herrſchen muß, iſt es paſſender
die Unterſuchung des alten Schuldrechts bis zur Dar-
ſtellung einer ſpaͤteren Zeit zu verſchieben. Das iſt außer
Zweifel daß der Schuldner, wenn er keine Zahlung lei-
ſtete zum koͤrperlichen Knechtsdienſt verfallen war. Dies
war auch altes attiſches Recht, welches Solon abſchaffte,
und ohne Zweifel allgemeines griechiſches: denn die rauh-
ſten Formen der attiſchen aͤlteſten Einrichtungen ſind
gewiß den roheren Staͤmmen gemeinſchaftlich geweſen,
und haben ſich bey ihnen erhalten als zu Athen mildere
herrſchend geworden waren. Es iſt das alte Recht von
ganz Aſien und des Nordens. Der Schuldherr war
ſicher auch ſchon damals berechtigt den ihm verfallnen
Schuldner in die Fremde zu verkaufen. Auch dieſes
war attiſches Recht vor Solon: jede Schuld begruͤndete
eine perſoͤnliche Verpfaͤndung des Leibes. Das Loos des
dienenden Schuldners war nicht beſſer als des Skla-
ven, er trug Ketten und ward von ſeinem Brodherrn
mit willkuͤhrlichen Zuͤchtigungen zum Frohndienſt an-
gehalten.


Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0422" n="400"/>
dien&#x017F;t durch das Vermo&#x0364;gen be&#x017F;timmte, und &#x017F;ogar den<lb/>
aus&#x017F;chloß der nichts als eine &#x017F;ehr geringe Habe eigen-<lb/>
thu&#x0364;mlich be&#x017F;aß.</p><lb/>
          <p>Wie die zwo&#x0364;lf Tafeln in der bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etzge-<lb/>
bung u&#x0364;berhaupt mehr das alte Recht verzeichneten als<lb/>
neues fe&#x017F;t&#x017F;tellten, i&#x017F;t es wahr&#x017F;cheinlich daß ihre Verord-<lb/>
nungen u&#x0364;ber das Schuldrecht aus der&#x017F;elben Quelle ge-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. Haben &#x017F;ie gea&#x0364;ndert, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich Milde-<lb/>
rung, nicht Scha&#x0364;rfung erwarten; aber bey der Dunkel-<lb/>
heit die hieru&#x0364;ber ewig herr&#x017F;chen muß, i&#x017F;t es pa&#x017F;&#x017F;ender<lb/>
die Unter&#x017F;uchung des alten Schuldrechts bis zur Dar-<lb/>
&#x017F;tellung einer &#x017F;pa&#x0364;teren Zeit zu ver&#x017F;chieben. Das i&#x017F;t außer<lb/>
Zweifel daß der Schuldner, wenn er keine Zahlung lei-<lb/>
&#x017F;tete zum ko&#x0364;rperlichen Knechtsdien&#x017F;t verfallen war. Dies<lb/>
war auch altes atti&#x017F;ches Recht, welches Solon ab&#x017F;chaffte,<lb/>
und ohne Zweifel allgemeines griechi&#x017F;ches: denn die rauh-<lb/>
&#x017F;ten Formen der atti&#x017F;chen a&#x0364;lte&#x017F;ten Einrichtungen &#x017F;ind<lb/>
gewiß den roheren Sta&#x0364;mmen gemein&#x017F;chaftlich gewe&#x017F;en,<lb/>
und haben &#x017F;ich bey ihnen erhalten als zu Athen mildere<lb/>
herr&#x017F;chend geworden waren. Es i&#x017F;t das alte Recht von<lb/>
ganz A&#x017F;ien und des Nordens. Der Schuldherr war<lb/>
&#x017F;icher auch &#x017F;chon damals berechtigt den ihm verfallnen<lb/>
Schuldner in die Fremde zu verkaufen. Auch die&#x017F;es<lb/>
war atti&#x017F;ches Recht vor Solon: jede Schuld begru&#x0364;ndete<lb/>
eine per&#x017F;o&#x0364;nliche Verpfa&#x0364;ndung des Leibes. Das Loos des<lb/>
dienenden Schuldners war nicht be&#x017F;&#x017F;er als des Skla-<lb/>
ven, er trug Ketten und ward von &#x017F;einem Brodherrn<lb/>
mit willku&#x0364;hrlichen Zu&#x0364;chtigungen zum Frohndien&#x017F;t an-<lb/>
gehalten.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[400/0422] dienſt durch das Vermoͤgen beſtimmte, und ſogar den ausſchloß der nichts als eine ſehr geringe Habe eigen- thuͤmlich beſaß. Wie die zwoͤlf Tafeln in der buͤrgerlichen Geſetzge- bung uͤberhaupt mehr das alte Recht verzeichneten als neues feſtſtellten, iſt es wahrſcheinlich daß ihre Verord- nungen uͤber das Schuldrecht aus derſelben Quelle ge- floſſen ſind. Haben ſie geaͤndert, ſo laͤßt ſich Milde- rung, nicht Schaͤrfung erwarten; aber bey der Dunkel- heit die hieruͤber ewig herrſchen muß, iſt es paſſender die Unterſuchung des alten Schuldrechts bis zur Dar- ſtellung einer ſpaͤteren Zeit zu verſchieben. Das iſt außer Zweifel daß der Schuldner, wenn er keine Zahlung lei- ſtete zum koͤrperlichen Knechtsdienſt verfallen war. Dies war auch altes attiſches Recht, welches Solon abſchaffte, und ohne Zweifel allgemeines griechiſches: denn die rauh- ſten Formen der attiſchen aͤlteſten Einrichtungen ſind gewiß den roheren Staͤmmen gemeinſchaftlich geweſen, und haben ſich bey ihnen erhalten als zu Athen mildere herrſchend geworden waren. Es iſt das alte Recht von ganz Aſien und des Nordens. Der Schuldherr war ſicher auch ſchon damals berechtigt den ihm verfallnen Schuldner in die Fremde zu verkaufen. Auch dieſes war attiſches Recht vor Solon: jede Schuld begruͤndete eine perſoͤnliche Verpfaͤndung des Leibes. Das Loos des dienenden Schuldners war nicht beſſer als des Skla- ven, er trug Ketten und ward von ſeinem Brodherrn mit willkuͤhrlichen Zuͤchtigungen zum Frohndienſt an- gehalten. Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/422
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/422>, abgerufen am 16.06.2024.