nicht auf den Senat, oder doch nur in sofern dieser da- mals vielleicht ganz aus Patriciern bestand, und ihren Stand repräsentirte, bezogen werden -- ein feyerliches Bündniß geschlossen. Livius schweigt von den Bedingun- gen zum Vortheil der Schuldner: aber da hierin die Ur- sache des Aufstands lag, so kann man nicht annehmen daß es möglich war ihn zu dämpfen, ohne die ursprüng- lichen Forderungen, wahrscheinlich aber noch weit mehr einzuräumen. Auch bezieht sich Agrippas Fabel nicht auf politische Verhältnisse des Standes, sondern auf das der Reichen zu den Armen. Wenigstens also wurden alle Schuldknechte freygegeben: vielleicht aber verdient sogar Dionysius Erzählung Glauben, daß die Schulden allge- mein getilgt wurden. Solche Dinge waren Livius, der in den alten Tagen der Republik nur Tugend und Recht sucht, zu schmerzlich als daß er sie nicht hätte verschweigen und verschleyern sollen. Indessen war was auch gesche- hen seyn mag, nur vorübergehendes Unglück. Aus der Noth dieser Zeit entstand eine Einrichtung, die, eine schwache Aehnlichkeit mit den spartanischen Ephoren aus- genommen, Rom ganz eigenthümlich, gefährlich nur wie große Geistesgaben und Lebensfülle, Rom zu der Höhe der Größe und innern Vortrefflichkeit erhob, wo es so lange glänzte, bis diese Herrlichkeit dadurch unterging daß der gewaltige Staat ähnliche Mittel der Verjüngung verschmähte.
Gerechte Gesetze hatten dem Plebejer das Gericht sei- ner Gemeinde zugesagt, aber der Genuß dieses Rechts hing von dem Gewissen und dem Wohlwollen eines Stan-
nicht auf den Senat, oder doch nur in ſofern dieſer da- mals vielleicht ganz aus Patriciern beſtand, und ihren Stand repraͤſentirte, bezogen werden — ein feyerliches Buͤndniß geſchloſſen. Livius ſchweigt von den Bedingun- gen zum Vortheil der Schuldner: aber da hierin die Ur- ſache des Aufſtands lag, ſo kann man nicht annehmen daß es moͤglich war ihn zu daͤmpfen, ohne die urſpruͤng- lichen Forderungen, wahrſcheinlich aber noch weit mehr einzuraͤumen. Auch bezieht ſich Agrippas Fabel nicht auf politiſche Verhaͤltniſſe des Standes, ſondern auf das der Reichen zu den Armen. Wenigſtens alſo wurden alle Schuldknechte freygegeben: vielleicht aber verdient ſogar Dionyſius Erzaͤhlung Glauben, daß die Schulden allge- mein getilgt wurden. Solche Dinge waren Livius, der in den alten Tagen der Republik nur Tugend und Recht ſucht, zu ſchmerzlich als daß er ſie nicht haͤtte verſchweigen und verſchleyern ſollen. Indeſſen war was auch geſche- hen ſeyn mag, nur voruͤbergehendes Ungluͤck. Aus der Noth dieſer Zeit entſtand eine Einrichtung, die, eine ſchwache Aehnlichkeit mit den ſpartaniſchen Ephoren aus- genommen, Rom ganz eigenthuͤmlich, gefaͤhrlich nur wie große Geiſtesgaben und Lebensfuͤlle, Rom zu der Hoͤhe der Groͤße und innern Vortrefflichkeit erhob, wo es ſo lange glaͤnzte, bis dieſe Herrlichkeit dadurch unterging daß der gewaltige Staat aͤhnliche Mittel der Verjuͤngung verſchmaͤhte.
Gerechte Geſetze hatten dem Plebejer das Gericht ſei- ner Gemeinde zugeſagt, aber der Genuß dieſes Rechts hing von dem Gewiſſen und dem Wohlwollen eines Stan-
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nicht auf den Senat, oder doch nur in ſofern dieſer da-
mals vielleicht ganz aus Patriciern beſtand, und ihren
Stand repraͤſentirte, bezogen werden — ein feyerliches
Buͤndniß geſchloſſen. Livius ſchweigt von den Bedingun-
gen zum Vortheil der Schuldner: aber da hierin die Ur-
ſache des Aufſtands lag, ſo kann man nicht annehmen
daß es moͤglich war ihn zu daͤmpfen, ohne die urſpruͤng-
lichen Forderungen, wahrſcheinlich aber noch weit mehr
einzuraͤumen. Auch bezieht ſich Agrippas Fabel nicht auf
politiſche Verhaͤltniſſe des Standes, ſondern auf das der
Reichen zu den Armen. Wenigſtens alſo wurden alle
Schuldknechte freygegeben: vielleicht aber verdient ſogar
Dionyſius Erzaͤhlung Glauben, daß die Schulden allge-
mein getilgt wurden. Solche Dinge waren Livius, der
in den alten Tagen der Republik nur Tugend und Recht
ſucht, zu ſchmerzlich als daß er ſie nicht haͤtte verſchweigen
und verſchleyern ſollen. Indeſſen war was auch geſche-
hen ſeyn mag, nur voruͤbergehendes Ungluͤck. Aus der
Noth dieſer Zeit entſtand eine Einrichtung, die, eine
ſchwache Aehnlichkeit mit den ſpartaniſchen Ephoren aus-
genommen, Rom ganz eigenthuͤmlich, gefaͤhrlich nur wie
große Geiſtesgaben und Lebensfuͤlle, Rom zu der Hoͤhe
der Groͤße und innern Vortrefflichkeit erhob, wo es ſo
lange glaͤnzte, bis dieſe Herrlichkeit dadurch unterging
daß der gewaltige Staat aͤhnliche Mittel der Verjuͤngung
verſchmaͤhte.
Gerechte Geſetze hatten dem Plebejer das Gericht ſei-
ner Gemeinde zugeſagt, aber der Genuß dieſes Rechts
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/436>, abgerufen am 24.11.2024.
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