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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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des ab, zu dessen Gesinnungen das Volk nach entscheiden-
den Erfahrungen nicht länger mit unschuldigem Vertrauen
hinaufblicken konnte. Jede verbotne Bedrückung machte
Widerstand gesetzmäßig; aber der Widerstand des einzel-
nen war ohnmächtig, gewaltsamer Schutz der Mitbürger
sehr ungewiß, und, wenn die Verfassung auf ihn ver-
wies, zuletzt der gänzliche Untergang des Staats. Wie
sehr auch die späteren Römer den Nahmen der tribunici-
Gewalt haßten, als sie, da alle Zwecke ihrer Errichtung er-
reicht, oder die Gegenstände ihrer Thätigkeit verschwunden
waren, sich gegen ihr eignes Werk zerstörend richtete, so
überwand doch ein richtiger Sinn in der Beurtheilung der
Vergangenheit Ciceros Vorurtheile über diesen Gegen-
stand. Entweder, sagt er, mußte die Monarchie nicht
abgeschafft werden, oder man mußte dem Volk die Frey-
heit in der That nicht mit leeren Worten geben 69).

Patricier und Plebejer standen neben einander, zwey
unter einer Regierung vereinigten Nationen ähnlicher als
zwey Ständen. Gleichgewicht bestand in der That, so-
weit die Gemeinden der Centurien und der Curien, oder
jene und der Senat zusammen, Gesetzgebung oder Wah-
len vollbrachten: aber außer diesen seltnen Fällen war
Herrschaft der Antheil der Patricier, Gehorsam das Loos
der Plebejer; und mit Ausnahme sehr weniger Fälle
war es in der Macht des Senats die Versammlung der
Centurien zu hindern, welche nur durch die Consuln beru-
fen werden konnten, und von allen Förmlichkeiten der Re-
ligion abhingen. Hatten nun die Plebejer, wenn auch

69) De legibus III. c. 10.

des ab, zu deſſen Geſinnungen das Volk nach entſcheiden-
den Erfahrungen nicht laͤnger mit unſchuldigem Vertrauen
hinaufblicken konnte. Jede verbotne Bedruͤckung machte
Widerſtand geſetzmaͤßig; aber der Widerſtand des einzel-
nen war ohnmaͤchtig, gewaltſamer Schutz der Mitbuͤrger
ſehr ungewiß, und, wenn die Verfaſſung auf ihn ver-
wies, zuletzt der gaͤnzliche Untergang des Staats. Wie
ſehr auch die ſpaͤteren Roͤmer den Nahmen der tribunici-
Gewalt haßten, als ſie, da alle Zwecke ihrer Errichtung er-
reicht, oder die Gegenſtaͤnde ihrer Thaͤtigkeit verſchwunden
waren, ſich gegen ihr eignes Werk zerſtoͤrend richtete, ſo
uͤberwand doch ein richtiger Sinn in der Beurtheilung der
Vergangenheit Ciceros Vorurtheile uͤber dieſen Gegen-
ſtand. Entweder, ſagt er, mußte die Monarchie nicht
abgeſchafft werden, oder man mußte dem Volk die Frey-
heit in der That nicht mit leeren Worten geben 69).

Patricier und Plebejer ſtanden neben einander, zwey
unter einer Regierung vereinigten Nationen aͤhnlicher als
zwey Staͤnden. Gleichgewicht beſtand in der That, ſo-
weit die Gemeinden der Centurien und der Curien, oder
jene und der Senat zuſammen, Geſetzgebung oder Wah-
len vollbrachten: aber außer dieſen ſeltnen Faͤllen war
Herrſchaft der Antheil der Patricier, Gehorſam das Loos
der Plebejer; und mit Ausnahme ſehr weniger Faͤlle
war es in der Macht des Senats die Verſammlung der
Centurien zu hindern, welche nur durch die Conſuln beru-
fen werden konnten, und von allen Foͤrmlichkeiten der Re-
ligion abhingen. Hatten nun die Plebejer, wenn auch

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[415/0437] des ab, zu deſſen Geſinnungen das Volk nach entſcheiden- den Erfahrungen nicht laͤnger mit unſchuldigem Vertrauen hinaufblicken konnte. Jede verbotne Bedruͤckung machte Widerſtand geſetzmaͤßig; aber der Widerſtand des einzel- nen war ohnmaͤchtig, gewaltſamer Schutz der Mitbuͤrger ſehr ungewiß, und, wenn die Verfaſſung auf ihn ver- wies, zuletzt der gaͤnzliche Untergang des Staats. Wie ſehr auch die ſpaͤteren Roͤmer den Nahmen der tribunici- Gewalt haßten, als ſie, da alle Zwecke ihrer Errichtung er- reicht, oder die Gegenſtaͤnde ihrer Thaͤtigkeit verſchwunden waren, ſich gegen ihr eignes Werk zerſtoͤrend richtete, ſo uͤberwand doch ein richtiger Sinn in der Beurtheilung der Vergangenheit Ciceros Vorurtheile uͤber dieſen Gegen- ſtand. Entweder, ſagt er, mußte die Monarchie nicht abgeſchafft werden, oder man mußte dem Volk die Frey- heit in der That nicht mit leeren Worten geben 69). Patricier und Plebejer ſtanden neben einander, zwey unter einer Regierung vereinigten Nationen aͤhnlicher als zwey Staͤnden. Gleichgewicht beſtand in der That, ſo- weit die Gemeinden der Centurien und der Curien, oder jene und der Senat zuſammen, Geſetzgebung oder Wah- len vollbrachten: aber außer dieſen ſeltnen Faͤllen war Herrſchaft der Antheil der Patricier, Gehorſam das Loos der Plebejer; und mit Ausnahme ſehr weniger Faͤlle war es in der Macht des Senats die Verſammlung der Centurien zu hindern, welche nur durch die Conſuln beru- fen werden konnten, und von allen Foͤrmlichkeiten der Re- ligion abhingen. Hatten nun die Plebejer, wenn auch 69) De legibus III. c. 10.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/437>, abgerufen am 24.11.2024.