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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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ner als völlige Vergessenheit so lange die Geschichte im
Grabe lag 29).

Wie nach Mälius Tode dem Volk wohlfeile Getreide-
preise gegeben wurden, so beschloß jetzt (372) der Senat
die Assignation des pomptinischen Gebiets, welche schon
vor vier Jahren (368) von den Tribunen gefordert
war 30). Doch war das Volk zu sehr verarmt um diese
Freygebigkeit mit Freude aufzunehmen, weil es am
Gelde fehlte die Wirthschaften einzurichten. Auch war
der Besitz in dieser entlegnen Gegend wohl sehr unsicher,
und ward durch den Verlust von Satricum wieder zerstört,
bey dem die unglücklichen Colonisten dieser Stadt Leben
oder Freyheit verlohren. Unter glücklicheren Auspicien zo-
gen die aus welche um Eigenthum zu erlangen, in die lati-
nischen Colonieen Sutrium (372) 31), Setia (376) 32)
und Nepete (372) 33) wandernd, dem Bürgerrecht ent-
sagten.

Wichtig ist für die Geschichte der Verfassung die Er-
wähnung daß die Comitien der Tribus jetzt über Kriegs-

29) Die Geschichte von Camillus hat schon bey Servius (ad
Aeneid. VI. v.
826.) offenbare Züge einer solchen Gestal-
tung. Eigenthümlich ist daß er nach dem Sieg in das Exil
zurückgeht. Sichtbar jung ist die Angabe vom Ort des
Siegs: bey Pisaurum; etymologisch daher erklärt: es muß
schon Pesaurum ausgesprochen seyn, von dem italienischen
pesare. Dachte man nicht an Stilicho bey jenen Sagen?
30) Livius VI. c. 5. 21.
31) Vellejus I. c. 14.
32) Livius VI. c. 30. Aber nach Vellejus a. a. O. 373.
33) Livius VI. c. 21: nach Vellejus a. a. O. 382.

ner als voͤllige Vergeſſenheit ſo lange die Geſchichte im
Grabe lag 29).

Wie nach Maͤlius Tode dem Volk wohlfeile Getreide-
preiſe gegeben wurden, ſo beſchloß jetzt (372) der Senat
die Aſſignation des pomptiniſchen Gebiets, welche ſchon
vor vier Jahren (368) von den Tribunen gefordert
war 30). Doch war das Volk zu ſehr verarmt um dieſe
Freygebigkeit mit Freude aufzunehmen, weil es am
Gelde fehlte die Wirthſchaften einzurichten. Auch war
der Beſitz in dieſer entlegnen Gegend wohl ſehr unſicher,
und ward durch den Verluſt von Satricum wieder zerſtoͤrt,
bey dem die ungluͤcklichen Coloniſten dieſer Stadt Leben
oder Freyheit verlohren. Unter gluͤcklicheren Auſpicien zo-
gen die aus welche um Eigenthum zu erlangen, in die lati-
niſchen Colonieen Sutrium (372) 31), Setia (376) 32)
und Nepete (372) 33) wandernd, dem Buͤrgerrecht ent-
ſagten.

Wichtig iſt fuͤr die Geſchichte der Verfaſſung die Er-
waͤhnung daß die Comitien der Tribus jetzt uͤber Kriegs-

29) Die Geſchichte von Camillus hat ſchon bey Servius (ad
Aeneid. VI. v.
826.) offenbare Zuͤge einer ſolchen Geſtal-
tung. Eigenthuͤmlich iſt daß er nach dem Sieg in das Exil
zuruͤckgeht. Sichtbar jung iſt die Angabe vom Ort des
Siegs: bey Piſaurum; etymologiſch daher erklaͤrt: es muß
ſchon Peſaurum ausgeſprochen ſeyn, von dem italieniſchen
pesare. Dachte man nicht an Stilicho bey jenen Sagen?
30) Livius VI. c. 5. 21.
31) Vellejus I. c. 14.
32) Livius VI. c. 30. Aber nach Vellejus a. a. O. 373.
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[333/0349] ner als voͤllige Vergeſſenheit ſo lange die Geſchichte im Grabe lag 29). Wie nach Maͤlius Tode dem Volk wohlfeile Getreide- preiſe gegeben wurden, ſo beſchloß jetzt (372) der Senat die Aſſignation des pomptiniſchen Gebiets, welche ſchon vor vier Jahren (368) von den Tribunen gefordert war 30). Doch war das Volk zu ſehr verarmt um dieſe Freygebigkeit mit Freude aufzunehmen, weil es am Gelde fehlte die Wirthſchaften einzurichten. Auch war der Beſitz in dieſer entlegnen Gegend wohl ſehr unſicher, und ward durch den Verluſt von Satricum wieder zerſtoͤrt, bey dem die ungluͤcklichen Coloniſten dieſer Stadt Leben oder Freyheit verlohren. Unter gluͤcklicheren Auſpicien zo- gen die aus welche um Eigenthum zu erlangen, in die lati- niſchen Colonieen Sutrium (372) 31), Setia (376) 32) und Nepete (372) 33) wandernd, dem Buͤrgerrecht ent- ſagten. Wichtig iſt fuͤr die Geſchichte der Verfaſſung die Er- waͤhnung daß die Comitien der Tribus jetzt uͤber Kriegs- 29) Die Geſchichte von Camillus hat ſchon bey Servius (ad Aeneid. VI. v. 826.) offenbare Zuͤge einer ſolchen Geſtal- tung. Eigenthuͤmlich iſt daß er nach dem Sieg in das Exil zuruͤckgeht. Sichtbar jung iſt die Angabe vom Ort des Siegs: bey Piſaurum; etymologiſch daher erklaͤrt: es muß ſchon Peſaurum ausgeſprochen ſeyn, von dem italieniſchen pesare. Dachte man nicht an Stilicho bey jenen Sagen? 30) Livius VI. c. 5. 21. 31) Vellejus I. c. 14. 32) Livius VI. c. 30. Aber nach Vellejus a. a. O. 373. 33) Livius VI. c. 21: nach Vellejus a. a. O. 382.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/349>, abgerufen am 22.11.2024.