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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Es ist unbegreiflich daß jene alten Historiker nicht
fühlten wie unsinnig es sey anzunehmen daß das Ge-
pränge der Magistratur der Tochter eines Patriciers
fremd gewesen sey, der vier Jahre früher das Consular-
tribunat bekleidet hatte? Und was hätte sie für ihren
Mann gewünscht? Doch wohl, als eitle Frau, was er-
reichbar schien, was gewöhnlich war, nicht, wonach
trachtend, das erreichbare und befriedigende aufgeopfert
ward: wie die Erzählung sagt, Gleichheit mit ihrer
Schwester; also das Consulartribunat. Nicht das Con-
sulat, welches als eine veraltete Institution seit der Ein-
nahme der Stadt gar nicht mehr zur Rede kam: dessen
Erreichung für die Plebejer unter weit günstigeren Um-
ständen entschieden vereitelt war, und auch der leichtblü-
tigsten Phantasie kaum als eine entfernte dunkle Möglich-
keit erscheinen konnte, nur dem kühnen und großen Mann
als der Kranz der heftigsten Kämpfe auf Sieg oder Unter-
gang. Dahin hätten sich die Wünsche einer eiteln Frau
gerichtet, während die Theilnahme am Consulartribunat
nicht nur gesetzlich zugesagt war, sondern auch in der
That von Zeit zu Zeit wirklich ward? Und keine plebejische
Familie konnte den Genuß des Rechts mit größerer Leich-
tigkeit erlangen als die licinische, welche schon drey Ahnen-
bilder zählte; ja, ein C. Licinius Calvus war gerade im
vorhergehenden Jahr (377) Consulartribun gewesen.
Kaum scheint es denkbar das in einer Familie zwey Män-
ner desselben Vornahmens gleichzeitig Ansprüche auf die
höchste Magistratur hätten erheben können, ein Zufall von
dem sich in der römischen Geschichte selbst unter den Pa-

Es iſt unbegreiflich daß jene alten Hiſtoriker nicht
fuͤhlten wie unſinnig es ſey anzunehmen daß das Ge-
praͤnge der Magiſtratur der Tochter eines Patriciers
fremd geweſen ſey, der vier Jahre fruͤher das Conſular-
tribunat bekleidet hatte? Und was haͤtte ſie fuͤr ihren
Mann gewuͤnſcht? Doch wohl, als eitle Frau, was er-
reichbar ſchien, was gewoͤhnlich war, nicht, wonach
trachtend, das erreichbare und befriedigende aufgeopfert
ward: wie die Erzaͤhlung ſagt, Gleichheit mit ihrer
Schweſter; alſo das Conſulartribunat. Nicht das Con-
ſulat, welches als eine veraltete Inſtitution ſeit der Ein-
nahme der Stadt gar nicht mehr zur Rede kam: deſſen
Erreichung fuͤr die Plebejer unter weit guͤnſtigeren Um-
ſtaͤnden entſchieden vereitelt war, und auch der leichtbluͤ-
tigſten Phantaſie kaum als eine entfernte dunkle Moͤglich-
keit erſcheinen konnte, nur dem kuͤhnen und großen Mann
als der Kranz der heftigſten Kaͤmpfe auf Sieg oder Unter-
gang. Dahin haͤtten ſich die Wuͤnſche einer eiteln Frau
gerichtet, waͤhrend die Theilnahme am Conſulartribunat
nicht nur geſetzlich zugeſagt war, ſondern auch in der
That von Zeit zu Zeit wirklich ward? Und keine plebejiſche
Familie konnte den Genuß des Rechts mit groͤßerer Leich-
tigkeit erlangen als die liciniſche, welche ſchon drey Ahnen-
bilder zaͤhlte; ja, ein C. Licinius Calvus war gerade im
vorhergehenden Jahr (377) Conſulartribun geweſen.
Kaum ſcheint es denkbar das in einer Familie zwey Maͤn-
ner deſſelben Vornahmens gleichzeitig Anſpruͤche auf die
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[338/0354] Es iſt unbegreiflich daß jene alten Hiſtoriker nicht fuͤhlten wie unſinnig es ſey anzunehmen daß das Ge- praͤnge der Magiſtratur der Tochter eines Patriciers fremd geweſen ſey, der vier Jahre fruͤher das Conſular- tribunat bekleidet hatte? Und was haͤtte ſie fuͤr ihren Mann gewuͤnſcht? Doch wohl, als eitle Frau, was er- reichbar ſchien, was gewoͤhnlich war, nicht, wonach trachtend, das erreichbare und befriedigende aufgeopfert ward: wie die Erzaͤhlung ſagt, Gleichheit mit ihrer Schweſter; alſo das Conſulartribunat. Nicht das Con- ſulat, welches als eine veraltete Inſtitution ſeit der Ein- nahme der Stadt gar nicht mehr zur Rede kam: deſſen Erreichung fuͤr die Plebejer unter weit guͤnſtigeren Um- ſtaͤnden entſchieden vereitelt war, und auch der leichtbluͤ- tigſten Phantaſie kaum als eine entfernte dunkle Moͤglich- keit erſcheinen konnte, nur dem kuͤhnen und großen Mann als der Kranz der heftigſten Kaͤmpfe auf Sieg oder Unter- gang. Dahin haͤtten ſich die Wuͤnſche einer eiteln Frau gerichtet, waͤhrend die Theilnahme am Conſulartribunat nicht nur geſetzlich zugeſagt war, ſondern auch in der That von Zeit zu Zeit wirklich ward? Und keine plebejiſche Familie konnte den Genuß des Rechts mit groͤßerer Leich- tigkeit erlangen als die liciniſche, welche ſchon drey Ahnen- bilder zaͤhlte; ja, ein C. Licinius Calvus war gerade im vorhergehenden Jahr (377) Conſulartribun geweſen. Kaum ſcheint es denkbar das in einer Familie zwey Maͤn- ner deſſelben Vornahmens gleichzeitig Anſpruͤche auf die hoͤchſte Magiſtratur haͤtten erheben koͤnnen, ein Zufall von dem ſich in der roͤmiſchen Geſchichte ſelbſt unter den Pa-

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/354>, abgerufen am 22.11.2024.