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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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dem die Republik krankte, war nur dadurch möglich daß
Alles gewonnen ward. Denn ohne einen plebejischen
Consul wäre kein Gesetz über das Gemeinland ausge-
führt worden: ohne dessen Besteurung und ohne Her-
stellung des Wohlstands blieb das Volk verzweiflungs-
voll gleichgültig über jede Maaßregel welche die Erhal-
tung der Republik forderte, und der Staat schwand
hin. Auch ward freylich wohl durch die Gesammtheit
der Gesetze eine heftigere Erbitterung erregt: aber die-
ser waren die Tribunen durch unermüdliche Ausdauer zu
begegnen entschlossen: der Widerstand gegen alle licinische
Rogationen konnte nicht hartnäckiger seyn als er gegen
jede einzelne erhoben seyn würde. Sehr ruhig konnten
die Tribunen die Drohung eines Bürgerkriegs und ge-
waltsamen Widerstands vernehmen, sobald das Volk
sich gewöhnte als ein Mann um sie versammelt zu ste-
hen, wie die Patricier durch den Senat vereinigt waren.

Es ist früher erörtert, wie wahrscheinlich es sey
daß durch die zwölf Tafeln diejenigen unter den Clien-
ten der Patricier welche cäritisches Bürgerrecht hatten
in die Tribus aufgenommen, und nach Errichtung der
Censur darin eingeschrieben seyen: es ist angedeutet wie
sichtbar, und sonst unerklärlich, der Geist der plebeji-
schen Gemeinde seitdem verändert erscheine 40). Nur
dadurch wird auch der Einfluß der Patricier auf die
tribunicischen Wahlen zur Zeit der licinischen Rogatio-
nen begreiflich, wo anfänglich acht Tribunen die Oppo-
sition bildeten: anstatt jener Einträchtigkeit der alten

40) Th. II. S. 196. 197.

dem die Republik krankte, war nur dadurch moͤglich daß
Alles gewonnen ward. Denn ohne einen plebejiſchen
Conſul waͤre kein Geſetz uͤber das Gemeinland ausge-
fuͤhrt worden: ohne deſſen Beſteurung und ohne Her-
ſtellung des Wohlſtands blieb das Volk verzweiflungs-
voll gleichguͤltig uͤber jede Maaßregel welche die Erhal-
tung der Republik forderte, und der Staat ſchwand
hin. Auch ward freylich wohl durch die Geſammtheit
der Geſetze eine heftigere Erbitterung erregt: aber die-
ſer waren die Tribunen durch unermuͤdliche Ausdauer zu
begegnen entſchloſſen: der Widerſtand gegen alle liciniſche
Rogationen konnte nicht hartnaͤckiger ſeyn als er gegen
jede einzelne erhoben ſeyn wuͤrde. Sehr ruhig konnten
die Tribunen die Drohung eines Buͤrgerkriegs und ge-
waltſamen Widerſtands vernehmen, ſobald das Volk
ſich gewoͤhnte als ein Mann um ſie verſammelt zu ſte-
hen, wie die Patricier durch den Senat vereinigt waren.

Es iſt fruͤher eroͤrtert, wie wahrſcheinlich es ſey
daß durch die zwoͤlf Tafeln diejenigen unter den Clien-
ten der Patricier welche caͤritiſches Buͤrgerrecht hatten
in die Tribus aufgenommen, und nach Errichtung der
Cenſur darin eingeſchrieben ſeyen: es iſt angedeutet wie
ſichtbar, und ſonſt unerklaͤrlich, der Geiſt der plebeji-
ſchen Gemeinde ſeitdem veraͤndert erſcheine 40). Nur
dadurch wird auch der Einfluß der Patricier auf die
tribuniciſchen Wahlen zur Zeit der liciniſchen Rogatio-
nen begreiflich, wo anfaͤnglich acht Tribunen die Oppo-
ſition bildeten: anſtatt jener Eintraͤchtigkeit der alten

40) Th. II. S. 196. 197.
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[340/0356] dem die Republik krankte, war nur dadurch moͤglich daß Alles gewonnen ward. Denn ohne einen plebejiſchen Conſul waͤre kein Geſetz uͤber das Gemeinland ausge- fuͤhrt worden: ohne deſſen Beſteurung und ohne Her- ſtellung des Wohlſtands blieb das Volk verzweiflungs- voll gleichguͤltig uͤber jede Maaßregel welche die Erhal- tung der Republik forderte, und der Staat ſchwand hin. Auch ward freylich wohl durch die Geſammtheit der Geſetze eine heftigere Erbitterung erregt: aber die- ſer waren die Tribunen durch unermuͤdliche Ausdauer zu begegnen entſchloſſen: der Widerſtand gegen alle liciniſche Rogationen konnte nicht hartnaͤckiger ſeyn als er gegen jede einzelne erhoben ſeyn wuͤrde. Sehr ruhig konnten die Tribunen die Drohung eines Buͤrgerkriegs und ge- waltſamen Widerſtands vernehmen, ſobald das Volk ſich gewoͤhnte als ein Mann um ſie verſammelt zu ſte- hen, wie die Patricier durch den Senat vereinigt waren. Es iſt fruͤher eroͤrtert, wie wahrſcheinlich es ſey daß durch die zwoͤlf Tafeln diejenigen unter den Clien- ten der Patricier welche caͤritiſches Buͤrgerrecht hatten in die Tribus aufgenommen, und nach Errichtung der Cenſur darin eingeſchrieben ſeyen: es iſt angedeutet wie ſichtbar, und ſonſt unerklaͤrlich, der Geiſt der plebeji- ſchen Gemeinde ſeitdem veraͤndert erſcheine 40). Nur dadurch wird auch der Einfluß der Patricier auf die tribuniciſchen Wahlen zur Zeit der liciniſchen Rogatio- nen begreiflich, wo anfaͤnglich acht Tribunen die Oppo- ſition bildeten: anſtatt jener Eintraͤchtigkeit der alten 40) Th. II. S. 196. 197.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/356>, abgerufen am 22.11.2024.