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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Scheinwahl durch die Stimmen der Patricier und ihrer
Clienten 98).

Auch für das dritte Jahr, 402, behaupteten sich die
Patricier in dem gesetzwidrigen Besitz. Aber jetzt muß
die Gährung so heftig geworden seyn daß der Senat der
Macht des Consulats mißtraute. Während fünf sich fol-
gender Jahre (402 -- 6) ward alljährlich, in Frieden
oder unter unbedeutenden Kriegen, ein Dictator ernannt,
sichtbar immer, wenn auch nicht immer mit Erfolg, um
die Wahlen nach den Ansprüchen der Patricier durchzu-
führen. Die größere Gewaltsamkeit rief heftigeren Wi-
derstand hervor. T. Manlius, als Dictator, war ent-
schlossen lieber das Consulat untergehen zu lassen als
einen plebejischen Consul zu dulden 99). Aber die Tri-
bunen gestatteten ihm nicht die Wahl zu halten; die Zeit
seiner Magistratur verfloß, und ein Interregnum trat ein
welches sich durch gleiche Hartnäckigkeit beyder Partheyen
bis zum elften Interrex verlängerte. Endlich befahl der
Senat, das licinische Gesetz solle beobachtet werden.
Doch war es nur erzwungene Nachgiebigkeit für ein
einziges Mal: eben wie ein dem Frieden gebrachtes
Opfer 600) genannt ward, was schlechthin Pflicht, kei-
nes Danks werth war, und keineswegs auch nur die ge-
häuften Sünden der Widerspenstigkeit gegen das Gesetz
versöhnte. Im folgenden Jahr siegten die Patricier durch
zwey Interregnen; für das Jahr 405 behauptete das Volk
die Kraft seines Gesetzes: aber der Dictator L. Furius Ca-

98) Livius VII. c. 18.
99) Ebendaselbst c. 21.
600) Concordiae causa. Livius a. a. O.

Scheinwahl durch die Stimmen der Patricier und ihrer
Clienten 98).

Auch fuͤr das dritte Jahr, 402, behaupteten ſich die
Patricier in dem geſetzwidrigen Beſitz. Aber jetzt muß
die Gaͤhrung ſo heftig geworden ſeyn daß der Senat der
Macht des Conſulats mißtraute. Waͤhrend fuͤnf ſich fol-
gender Jahre (402 — 6) ward alljaͤhrlich, in Frieden
oder unter unbedeutenden Kriegen, ein Dictator ernannt,
ſichtbar immer, wenn auch nicht immer mit Erfolg, um
die Wahlen nach den Anſpruͤchen der Patricier durchzu-
fuͤhren. Die groͤßere Gewaltſamkeit rief heftigeren Wi-
derſtand hervor. T. Manlius, als Dictator, war ent-
ſchloſſen lieber das Conſulat untergehen zu laſſen als
einen plebejiſchen Conſul zu dulden 99). Aber die Tri-
bunen geſtatteten ihm nicht die Wahl zu halten; die Zeit
ſeiner Magiſtratur verfloß, und ein Interregnum trat ein
welches ſich durch gleiche Hartnaͤckigkeit beyder Partheyen
bis zum elften Interrex verlaͤngerte. Endlich befahl der
Senat, das liciniſche Geſetz ſolle beobachtet werden.
Doch war es nur erzwungene Nachgiebigkeit fuͤr ein
einziges Mal: eben wie ein dem Frieden gebrachtes
Opfer 600) genannt ward, was ſchlechthin Pflicht, kei-
nes Danks werth war, und keineswegs auch nur die ge-
haͤuften Suͤnden der Widerſpenſtigkeit gegen das Geſetz
verſoͤhnte. Im folgenden Jahr ſiegten die Patricier durch
zwey Interregnen; fuͤr das Jahr 405 behauptete das Volk
die Kraft ſeines Geſetzes: aber der Dictator L. Furius Ca-

98) Livius VII. c. 18.
99) Ebendaſelbſt c. 21.
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[428/0444] Scheinwahl durch die Stimmen der Patricier und ihrer Clienten 98). Auch fuͤr das dritte Jahr, 402, behaupteten ſich die Patricier in dem geſetzwidrigen Beſitz. Aber jetzt muß die Gaͤhrung ſo heftig geworden ſeyn daß der Senat der Macht des Conſulats mißtraute. Waͤhrend fuͤnf ſich fol- gender Jahre (402 — 6) ward alljaͤhrlich, in Frieden oder unter unbedeutenden Kriegen, ein Dictator ernannt, ſichtbar immer, wenn auch nicht immer mit Erfolg, um die Wahlen nach den Anſpruͤchen der Patricier durchzu- fuͤhren. Die groͤßere Gewaltſamkeit rief heftigeren Wi- derſtand hervor. T. Manlius, als Dictator, war ent- ſchloſſen lieber das Conſulat untergehen zu laſſen als einen plebejiſchen Conſul zu dulden 99). Aber die Tri- bunen geſtatteten ihm nicht die Wahl zu halten; die Zeit ſeiner Magiſtratur verfloß, und ein Interregnum trat ein welches ſich durch gleiche Hartnaͤckigkeit beyder Partheyen bis zum elften Interrex verlaͤngerte. Endlich befahl der Senat, das liciniſche Geſetz ſolle beobachtet werden. Doch war es nur erzwungene Nachgiebigkeit fuͤr ein einziges Mal: eben wie ein dem Frieden gebrachtes Opfer 600) genannt ward, was ſchlechthin Pflicht, kei- nes Danks werth war, und keineswegs auch nur die ge- haͤuften Suͤnden der Widerſpenſtigkeit gegen das Geſetz verſoͤhnte. Im folgenden Jahr ſiegten die Patricier durch zwey Interregnen; fuͤr das Jahr 405 behauptete das Volk die Kraft ſeines Geſetzes: aber der Dictator L. Furius Ca- 98) Livius VII. c. 18. 99) Ebendaſelbſt c. 21. 600) Concordiæ causa. Livius a. a. O.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/444>, abgerufen am 22.11.2024.