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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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kaufen können, und dabey gewinnt er gegen ein solches
Anleihegeschäft: hat er so viel Eigenthum nicht, so wird
ihm keiner leihen. Wer aber zu Speculationen Geld auf-
nimmt, der kann, vorzüglich auf Bodmerey, allerdings
hohe Zinsen zahlen, aber es gehört zu den allereinzelnsten
Glücksfällen daß jemand, auch in den entlegensten Gegen-
den, mehr als Capital auf Capital durch ein planmäßiges
Geschäft gewinne. Im Lande selbst ist es unmöglich:
sonst könnte der Kaufwerth aller Dinge nur ihrem jährli-
chen Ertrag gleichstehen, während die Capitalanhäufung
durch den Zinsfuß wieder eine die Preise sehr steigernde
Concurrenz hervorbringen müßte. Denn hier ist von einer
Regel, nicht von äußerst einzelnen Wucherenormitäten
gegen Thoren und Unerfahrne die Rede. Ferner, was
gesetzlich als Erleichterung des Volks, und von ihm, zum
Kummer der Patricier, leidenschaftlich verfügt ward 8),
mußte einen noch ungleich höheren früher gebräuchlichen
Zinsfuß abschaffen. Man möchte fragen ob denn wohl
früher 200 Procent der legale oder auch nur gebräuchliche
Zinsfuß gewesen wären, wie man bald nachher auf die
Hälfte, oder nach dieser Hypothese, auf 50 Procent her-
abkam? Hingegen nach dem licinischen Schuldgesetz selbst
mußte nothwendig nach Abzug der gezahlten Zinsen ein Rest
des Capitals übrig bleiben. Im Gegentheil würde es,
mit Consequenz, zur Palintokie geführt haben 9).


8) Livius VII. c. 16. Haud aeque laeta Patribus -- rogatio:
et plebs aliquanto cam cupidius scivit.
9) Plutarch quaest. Graec. p. 295. C.
Zweiter Theil. E e

kaufen koͤnnen, und dabey gewinnt er gegen ein ſolches
Anleihegeſchaͤft: hat er ſo viel Eigenthum nicht, ſo wird
ihm keiner leihen. Wer aber zu Speculationen Geld auf-
nimmt, der kann, vorzuͤglich auf Bodmerey, allerdings
hohe Zinſen zahlen, aber es gehoͤrt zu den allereinzelnſten
Gluͤcksfaͤllen daß jemand, auch in den entlegenſten Gegen-
den, mehr als Capital auf Capital durch ein planmaͤßiges
Geſchaͤft gewinne. Im Lande ſelbſt iſt es unmoͤglich:
ſonſt koͤnnte der Kaufwerth aller Dinge nur ihrem jaͤhrli-
chen Ertrag gleichſtehen, waͤhrend die Capitalanhaͤufung
durch den Zinsfuß wieder eine die Preiſe ſehr ſteigernde
Concurrenz hervorbringen muͤßte. Denn hier iſt von einer
Regel, nicht von aͤußerſt einzelnen Wucherenormitaͤten
gegen Thoren und Unerfahrne die Rede. Ferner, was
geſetzlich als Erleichterung des Volks, und von ihm, zum
Kummer der Patricier, leidenſchaftlich verfuͤgt ward 8),
mußte einen noch ungleich hoͤheren fruͤher gebraͤuchlichen
Zinsfuß abſchaffen. Man moͤchte fragen ob denn wohl
fruͤher 200 Procent der legale oder auch nur gebraͤuchliche
Zinsfuß geweſen waͤren, wie man bald nachher auf die
Haͤlfte, oder nach dieſer Hypotheſe, auf 50 Procent her-
abkam? Hingegen nach dem liciniſchen Schuldgeſetz ſelbſt
mußte nothwendig nach Abzug der gezahlten Zinſen ein Reſt
des Capitals uͤbrig bleiben. Im Gegentheil wuͤrde es,
mit Conſequenz, zur Palintokie gefuͤhrt haben 9).


8) Livius VII. c. 16. Haud æque læta Patribus — rogatio:
et plebs aliquanto cam cupidius scivit.
9) Plutarch quæst. Græc. p. 295. C.
Zweiter Theil. E e
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[433/0449] kaufen koͤnnen, und dabey gewinnt er gegen ein ſolches Anleihegeſchaͤft: hat er ſo viel Eigenthum nicht, ſo wird ihm keiner leihen. Wer aber zu Speculationen Geld auf- nimmt, der kann, vorzuͤglich auf Bodmerey, allerdings hohe Zinſen zahlen, aber es gehoͤrt zu den allereinzelnſten Gluͤcksfaͤllen daß jemand, auch in den entlegenſten Gegen- den, mehr als Capital auf Capital durch ein planmaͤßiges Geſchaͤft gewinne. Im Lande ſelbſt iſt es unmoͤglich: ſonſt koͤnnte der Kaufwerth aller Dinge nur ihrem jaͤhrli- chen Ertrag gleichſtehen, waͤhrend die Capitalanhaͤufung durch den Zinsfuß wieder eine die Preiſe ſehr ſteigernde Concurrenz hervorbringen muͤßte. Denn hier iſt von einer Regel, nicht von aͤußerſt einzelnen Wucherenormitaͤten gegen Thoren und Unerfahrne die Rede. Ferner, was geſetzlich als Erleichterung des Volks, und von ihm, zum Kummer der Patricier, leidenſchaftlich verfuͤgt ward 8), mußte einen noch ungleich hoͤheren fruͤher gebraͤuchlichen Zinsfuß abſchaffen. Man moͤchte fragen ob denn wohl fruͤher 200 Procent der legale oder auch nur gebraͤuchliche Zinsfuß geweſen waͤren, wie man bald nachher auf die Haͤlfte, oder nach dieſer Hypotheſe, auf 50 Procent her- abkam? Hingegen nach dem liciniſchen Schuldgeſetz ſelbſt mußte nothwendig nach Abzug der gezahlten Zinſen ein Reſt des Capitals uͤbrig bleiben. Im Gegentheil wuͤrde es, mit Conſequenz, zur Palintokie gefuͤhrt haben 9). 8) Livius VII. c. 16. Haud æque læta Patribus — rogatio: et plebs aliquanto cam cupidius scivit. 9) Plutarch quæst. Græc. p. 295. C. Zweiter Theil. E e

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/449>, abgerufen am 22.11.2024.