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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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Weise fällt, verrathen den Mann der die Geschichte
nicht im Licht des Forums und der Feldläger, sondern
nur in seinem Municipium anschauen gelernt hatte.
Vielleicht wollte Asinius Pollio nichts anders als dieses,
was auch später in den militarischen Darstellungen oft
anstößig erscheint, und die zuweilen flimmernde, den
Personen und der Zeit manchmal wenig angemessene,
mehr aus der Litteratur und der Schule, als, wie bey
Thukydides, aus der ernsten Fülle des Lebens geschöpfte,
Eloquenz seiner Reden, durch den Tadel der Patavini-
tät bezeichnen.

Er fährt fort: dieses Heer sey von Lautulä ohne
Plan, ohne Anführer, gegen Rom gezogen. Sie wären
aber doch inne geworden daß ihnen ein Haupt fehle, und
hätten beschlossen, sich dazu einen edeln Herrn, wie die
Bauern den Göz, mit Gewalt zu holen. In der albani-
schen Feldmark habe ein alter Patricier T. Quinctius
auf seinem Gut gelebt, am Fuß gelähmt, nach glorrei-
chen Feldzügen vom Staat zurückgezogen 22). Sein
Haus hätten sie Nachts überfallen, und ihn durch Todes-
drohung gezwungen den angetragenen Befehl zu über-
nehmen. Er sey darauf als Feldherr begrüßt, und mit
allen Ehren dieser Würde empfangen und bekleidet wor-
den. Sie hätten sich acht Millien von Rom gelagert,
und wären im Begriff gewesen gegen die Stadt aufzu-
brechen, als sie vernahmen, es rücke ein Heer ge-

22) Die Annalisten haben wohl entweder an den Consul des
Jahrs 401 (T. Quinctius Pennus) oder an den des Jahrs
404 (T. Quinctius Cincinnatus) gedacht.

Weiſe faͤllt, verrathen den Mann der die Geſchichte
nicht im Licht des Forums und der Feldlaͤger, ſondern
nur in ſeinem Municipium anſchauen gelernt hatte.
Vielleicht wollte Aſinius Pollio nichts anders als dieſes,
was auch ſpaͤter in den militariſchen Darſtellungen oft
anſtoͤßig erſcheint, und die zuweilen flimmernde, den
Perſonen und der Zeit manchmal wenig angemeſſene,
mehr aus der Litteratur und der Schule, als, wie bey
Thukydides, aus der ernſten Fuͤlle des Lebens geſchoͤpfte,
Eloquenz ſeiner Reden, durch den Tadel der Patavini-
taͤt bezeichnen.

Er faͤhrt fort: dieſes Heer ſey von Lautulaͤ ohne
Plan, ohne Anfuͤhrer, gegen Rom gezogen. Sie waͤren
aber doch inne geworden daß ihnen ein Haupt fehle, und
haͤtten beſchloſſen, ſich dazu einen edeln Herrn, wie die
Bauern den Goͤz, mit Gewalt zu holen. In der albani-
ſchen Feldmark habe ein alter Patricier T. Quinctius
auf ſeinem Gut gelebt, am Fuß gelaͤhmt, nach glorrei-
chen Feldzuͤgen vom Staat zuruͤckgezogen 22). Sein
Haus haͤtten ſie Nachts uͤberfallen, und ihn durch Todes-
drohung gezwungen den angetragenen Befehl zu uͤber-
nehmen. Er ſey darauf als Feldherr begruͤßt, und mit
allen Ehren dieſer Wuͤrde empfangen und bekleidet wor-
den. Sie haͤtten ſich acht Millien von Rom gelagert,
und waͤren im Begriff geweſen gegen die Stadt aufzu-
brechen, als ſie vernahmen, es ruͤcke ein Heer ge-

22) Die Annaliſten haben wohl entweder an den Conſul des
Jahrs 401 (T. Quinctius Pennus) oder an den des Jahrs
404 (T. Quinctius Cincinnatus) gedacht.
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[444/0460] Weiſe faͤllt, verrathen den Mann der die Geſchichte nicht im Licht des Forums und der Feldlaͤger, ſondern nur in ſeinem Municipium anſchauen gelernt hatte. Vielleicht wollte Aſinius Pollio nichts anders als dieſes, was auch ſpaͤter in den militariſchen Darſtellungen oft anſtoͤßig erſcheint, und die zuweilen flimmernde, den Perſonen und der Zeit manchmal wenig angemeſſene, mehr aus der Litteratur und der Schule, als, wie bey Thukydides, aus der ernſten Fuͤlle des Lebens geſchoͤpfte, Eloquenz ſeiner Reden, durch den Tadel der Patavini- taͤt bezeichnen. Er faͤhrt fort: dieſes Heer ſey von Lautulaͤ ohne Plan, ohne Anfuͤhrer, gegen Rom gezogen. Sie waͤren aber doch inne geworden daß ihnen ein Haupt fehle, und haͤtten beſchloſſen, ſich dazu einen edeln Herrn, wie die Bauern den Goͤz, mit Gewalt zu holen. In der albani- ſchen Feldmark habe ein alter Patricier T. Quinctius auf ſeinem Gut gelebt, am Fuß gelaͤhmt, nach glorrei- chen Feldzuͤgen vom Staat zuruͤckgezogen 22). Sein Haus haͤtten ſie Nachts uͤberfallen, und ihn durch Todes- drohung gezwungen den angetragenen Befehl zu uͤber- nehmen. Er ſey darauf als Feldherr begruͤßt, und mit allen Ehren dieſer Wuͤrde empfangen und bekleidet wor- den. Sie haͤtten ſich acht Millien von Rom gelagert, und waͤren im Begriff geweſen gegen die Stadt aufzu- brechen, als ſie vernahmen, es ruͤcke ein Heer ge- 22) Die Annaliſten haben wohl entweder an den Conſul des Jahrs 401 (T. Quinctius Pennus) oder an den des Jahrs 404 (T. Quinctius Cincinnatus) gedacht.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/460>, abgerufen am 22.11.2024.