Wird es uns aber erst leicht und lieb, so laßt uns sicher auf den Nutzen rechnen!
Jch habe oft über die weniger zweckmäßige Ein- richtung unsers öffentlichen Gottesdienstes klagen hö- ren. Man beschwert sich bald über manches An- stößige, bald über zu wenig Belehrung und Unter- haltung, die man in den Predigten finde. Von Herzen wünsch ich auch, daß alle, die etwas dazu thun können, daß diesen Beschwerden, so fern sie ge- recht sind, abgeholfen werde, ein warmer Eifer be- leben möge, an der gemeinschaftlichen Erbauung zu arbeiten, wie sie können und vermögen. Nur kann ich doch auch euch, meine Lieben, die Furcht nicht verbergen, daß viele, die so sehr beredt hierüber ge- rade dann sind, wenn man sie an ihre Pflicht erin- nert, vielleicht mit diesen Klagen dem Vorwurf aus- weichen wollen, daß sie undankbar gegen fromme und im Ganzen so nützliche Einrichtungen sind. Warum lenkten sie sonst so schnell das Gespräch von dem, was sie thun oder nicht thun, auf das was andre unterlassen, oder thun sollten? Je mehr je- mand im Stande ist, die, wie ich gern zugeben will, unverkennbaren Fehler zu bemerken, desto fä- higer wird er auch seyn, das Gute von den Män- geln zu sondern, und, gleich der Biene, jenes dar-
aus
B 3
Wird es uns aber erſt leicht und lieb, ſo laßt uns ſicher auf den Nutzen rechnen!
Jch habe oft über die weniger zweckmäßige Ein- richtung unſers öffentlichen Gottesdienſtes klagen hö- ren. Man beſchwert ſich bald über manches An- ſtößige, bald über zu wenig Belehrung und Unter- haltung, die man in den Predigten finde. Von Herzen wünſch ich auch, daß alle, die etwas dazu thun können, daß dieſen Beſchwerden, ſo fern ſie ge- recht ſind, abgeholfen werde, ein warmer Eifer be- leben möge, an der gemeinſchaftlichen Erbauung zu arbeiten, wie ſie können und vermögen. Nur kann ich doch auch euch, meine Lieben, die Furcht nicht verbergen, daß viele, die ſo ſehr beredt hierüber ge- rade dann ſind, wenn man ſie an ihre Pflicht erin- nert, vielleicht mit dieſen Klagen dem Vorwurf aus- weichen wollen, daß ſie undankbar gegen fromme und im Ganzen ſo nützliche Einrichtungen ſind. Warum lenkten ſie ſonſt ſo ſchnell das Geſpräch von dem, was ſie thun oder nicht thun, auf das was andre unterlaſſen, oder thun ſollten? Je mehr je- mand im Stande iſt, die, wie ich gern zugeben will, unverkennbaren Fehler zu bemerken, deſto fä- higer wird er auch ſeyn, das Gute von den Män- geln zu ſondern, und, gleich der Biene, jenes dar-
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[21[33]/0037]
Wird es uns aber erſt leicht und lieb, ſo laßt uns
ſicher auf den Nutzen rechnen!
Jch habe oft über die weniger zweckmäßige Ein-
richtung unſers öffentlichen Gottesdienſtes klagen hö-
ren. Man beſchwert ſich bald über manches An-
ſtößige, bald über zu wenig Belehrung und Unter-
haltung, die man in den Predigten finde. Von
Herzen wünſch ich auch, daß alle, die etwas dazu
thun können, daß dieſen Beſchwerden, ſo fern ſie ge-
recht ſind, abgeholfen werde, ein warmer Eifer be-
leben möge, an der gemeinſchaftlichen Erbauung zu
arbeiten, wie ſie können und vermögen. Nur kann
ich doch auch euch, meine Lieben, die Furcht nicht
verbergen, daß viele, die ſo ſehr beredt hierüber ge-
rade dann ſind, wenn man ſie an ihre Pflicht erin-
nert, vielleicht mit dieſen Klagen dem Vorwurf aus-
weichen wollen, daß ſie undankbar gegen fromme
und im Ganzen ſo nützliche Einrichtungen ſind.
Warum lenkten ſie ſonſt ſo ſchnell das Geſpräch von
dem, was ſie thun oder nicht thun, auf das was
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 21[33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/37>, abgerufen am 15.06.2024.
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