von einem einzigen Gedanken ab? -- Wenn wir von einem Ende des Jahrs bis zum andern über unsre Gedanken wachen; sie nach den Regeln der Wahr- heit und des Rechts prüfen; sie oft und gern auf die würdigsten und besten Gegenstände, auf Gott, auf seine Vollkommenheiten und Wohlthaten, auf Jesum Christum, seine unendlichen Verdienste um die Menschen, sein Beyspiel im Leben und im Tode, auf die Wohlfahrt unsrer Nebenmenschen und die Mittel sie zu befördern, auf unser eignes Verhalten, unsre gegenwärtige und künftige Bestimmung rich- ten: wie weit müssen wir es da in der Erkenntniß und Tugend bringen! Welchen Vorrath von nütz- lichen Gedanken und Kenntnissen uns dadurch samm- len! Welchen fruchtbaren Saamen dadurch in der Seele ausstreuen!
Aber nun, auf der andern Seite, ein ganzes Jahr lang auf das, was man denkt, keine Auf- merksamkeit haben; seine Seele einem jeden Ein- druck der uns umgebenden Dinge bloß stellen; nie sichs nur einfallen lassen, ob man etwas Nützliches oder Schädliches denke, und ob man nichts besseres denken könne; welche Zerrüttung vielleicht das in unsern Begierden, in unsern Geschäfften, in unsern ernsthaftesten Berufsarbeiten zur Folge haben wer-
de,
von einem einzigen Gedanken ab? — Wenn wir von einem Ende des Jahrs bis zum andern über unſre Gedanken wachen; ſie nach den Regeln der Wahr- heit und des Rechts prüfen; ſie oft und gern auf die würdigſten und beſten Gegenſtände, auf Gott, auf ſeine Vollkommenheiten und Wohlthaten, auf Jeſum Chriſtum, ſeine unendlichen Verdienſte um die Menſchen, ſein Beyſpiel im Leben und im Tode, auf die Wohlfahrt unſrer Nebenmenſchen und die Mittel ſie zu befördern, auf unſer eignes Verhalten, unſre gegenwärtige und künftige Beſtimmung rich- ten: wie weit müſſen wir es da in der Erkenntniß und Tugend bringen! Welchen Vorrath von nütz- lichen Gedanken und Kenntniſſen uns dadurch ſamm- len! Welchen fruchtbaren Saamen dadurch in der Seele ausſtreuen!
Aber nun, auf der andern Seite, ein ganzes Jahr lang auf das, was man denkt, keine Auf- merkſamkeit haben; ſeine Seele einem jeden Ein- druck der uns umgebenden Dinge bloß ſtellen; nie ſichs nur einfallen laſſen, ob man etwas Nützliches oder Schädliches denke, und ob man nichts beſſeres denken könne; welche Zerrüttung vielleicht das in unſern Begierden, in unſern Geſchäfften, in unſern ernſthafteſten Berufsarbeiten zur Folge haben wer-
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[66[78]/0082]
von einem einzigen Gedanken ab? — Wenn wir von
einem Ende des Jahrs bis zum andern über unſre
Gedanken wachen; ſie nach den Regeln der Wahr-
heit und des Rechts prüfen; ſie oft und gern auf
die würdigſten und beſten Gegenſtände, auf Gott,
auf ſeine Vollkommenheiten und Wohlthaten, auf
Jeſum Chriſtum, ſeine unendlichen Verdienſte um
die Menſchen, ſein Beyſpiel im Leben und im Tode,
auf die Wohlfahrt unſrer Nebenmenſchen und die
Mittel ſie zu befördern, auf unſer eignes Verhalten,
unſre gegenwärtige und künftige Beſtimmung rich-
ten: wie weit müſſen wir es da in der Erkenntniß
und Tugend bringen! Welchen Vorrath von nütz-
lichen Gedanken und Kenntniſſen uns dadurch ſamm-
len! Welchen fruchtbaren Saamen dadurch in der
Seele ausſtreuen!
Aber nun, auf der andern Seite, ein ganzes
Jahr lang auf das, was man denkt, keine Auf-
merkſamkeit haben; ſeine Seele einem jeden Ein-
druck der uns umgebenden Dinge bloß ſtellen; nie
ſichs nur einfallen laſſen, ob man etwas Nützliches
oder Schädliches denke, und ob man nichts beſſeres
denken könne; welche Zerrüttung vielleicht das in
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 66[78]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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