de, was wir am meisten und häufigsten denken; ein ganzes Jahr wohl mit Vorsatz seine Seele von allem, was sie besser machen würde, abziehn, und auf Nichtswürdigk iten hinlenken, jede Ruhe und Stille scheuen, in der der arme verwahrloste Geist sich etwa zu den bessern Quellen, wie mans nennt, verirren könnte, -- o Gott! wie weit muß das in einem Jahre diesen zu ganz etwas anderm bestimm- ten Geist zurück bringen! Wie viel Nahrung müssen dadurch alle böse Neigungen bekommen! Wie un- geschickt muß er zum Widerstande gegen die Versu- chungen und Reizungen zur Sünde werden! Wie viel der bösen Gedanken müssen sich in böse Thaten verwandeln! Wie viel Keime von künftigen unrich- tigen Urtheilen, bösen Lüsten und Handlungen wer- den nicht dadurch in seine Seele gelegt, die sich zu seiner Zeit entwickeln, im Verborgnen heranwachsen, und zuletzt Früchte des Verderbens tragen!
Und dies sind noch immer nur Gedanken! Wie oft verwandeln sich diese in Worte! Was läßt sich in einem Jahre -- wie viel Gutes, wie viel Böses reden! Und wenn von einem guten oder bösen Wort oft schon so unendlich viel abhängen, jenes die größesten Unordnungen veranlassen, dieses sie in Ordnung bringen; jenes Tugend und Wahrheit
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de, was wir am meiſten und häufigſten denken; ein ganzes Jahr wohl mit Vorſatz ſeine Seele von allem, was ſie beſſer machen würde, abziehn, und auf Nichtswürdigk iten hinlenken, jede Ruhe und Stille ſcheuen, in der der arme verwahrloſte Geiſt ſich etwa zu den beſſern Quellen, wie mans nennt, verirren könnte, — o Gott! wie weit muß das in einem Jahre dieſen zu ganz etwas anderm beſtimm- ten Geiſt zurück bringen! Wie viel Nahrung müſſen dadurch alle böſe Neigungen bekommen! Wie un- geſchickt muß er zum Widerſtande gegen die Verſu- chungen und Reizungen zur Sünde werden! Wie viel der böſen Gedanken müſſen ſich in böſe Thaten verwandeln! Wie viel Keime von künftigen unrich- tigen Urtheilen, böſen Lüſten und Handlungen wer- den nicht dadurch in ſeine Seele gelegt, die ſich zu ſeiner Zeit entwickeln, im Verborgnen heranwachſen, und zuletzt Früchte des Verderbens tragen!
Und dies ſind noch immer nur Gedanken! Wie oft verwandeln ſich dieſe in Worte! Was läßt ſich in einem Jahre — wie viel Gutes, wie viel Böſes reden! Und wenn von einem guten oder böſen Wort oft ſchon ſo unendlich viel abhängen, jenes die größeſten Unordnungen veranlaſſen, dieſes ſie in Ordnung bringen; jenes Tugend und Wahrheit
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[67[79]/0083]
de, was wir am meiſten und häufigſten denken;
ein ganzes Jahr wohl mit Vorſatz ſeine Seele von
allem, was ſie beſſer machen würde, abziehn, und
auf Nichtswürdigk iten hinlenken, jede Ruhe und
Stille ſcheuen, in der der arme verwahrloſte Geiſt
ſich etwa zu den beſſern Quellen, wie mans nennt,
verirren könnte, — o Gott! wie weit muß das in
einem Jahre dieſen zu ganz etwas anderm beſtimm-
ten Geiſt zurück bringen! Wie viel Nahrung müſſen
dadurch alle böſe Neigungen bekommen! Wie un-
geſchickt muß er zum Widerſtande gegen die Verſu-
chungen und Reizungen zur Sünde werden! Wie
viel der böſen Gedanken müſſen ſich in böſe Thaten
verwandeln! Wie viel Keime von künftigen unrich-
tigen Urtheilen, böſen Lüſten und Handlungen wer-
den nicht dadurch in ſeine Seele gelegt, die ſich zu
ſeiner Zeit entwickeln, im Verborgnen heranwachſen,
und zuletzt Früchte des Verderbens tragen!
Und dies ſind noch immer nur Gedanken! Wie
oft verwandeln ſich dieſe in Worte! Was läßt ſich
in einem Jahre — wie viel Gutes, wie viel Böſes
reden! Und wenn von einem guten oder böſen
Wort oft ſchon ſo unendlich viel abhängen, jenes
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Niemeyer, August Hermann: Timotheus. Bd. 1. 2. Aufl. Frankfurt (Main) u.a., 1790, S. 67[79]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niemeyer_timotheus01_1790/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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