Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Dritter Abschnitt. unter der allgemeinen Ansicht von dem Reiche desGeistes leichter mehrere unaufgelöste Gegensätze ver- stecken. Man begnügt sich meistens, das Gebiet der geistigen Gegenstände durch den Gegensatz bloß negativ bestimmt zu denken, und begreift darunter in einem unbestimmten Gedanken alles was nicht Sache, nicht dem materiellen räumlichen Object ange- hörig ist. Allein die Negation an sich giebt überhaupt keine Bestimmung, und das durch diese Negation abge- sonderte geistige Gebiet enthält eine verwirrende Mannichfaltigkeit von Gegenständen, die überdies nichts Stehendes sind und für die Betrachtung sich schwer fixiren lassen; es bedarf also hier der sorgfältigsten Unterscheidung derselben, um eine klare Uebersicht zu gewinnen und festzuhalten. Nehmen wir den Geist überhaupt in seiner gänz- Dritter Abſchnitt. unter der allgemeinen Anſicht von dem Reiche desGeiſtes leichter mehrere unaufgeloͤſte Gegenſaͤtze ver- ſtecken. Man begnuͤgt ſich meiſtens, das Gebiet der geiſtigen Gegenſtaͤnde durch den Gegenſatz bloß negativ beſtimmt zu denken, und begreift darunter in einem unbeſtimmten Gedanken alles was nicht Sache, nicht dem materiellen raͤumlichen Object ange- hoͤrig iſt. Allein die Negation an ſich giebt uͤberhaupt keine Beſtimmung, und das durch dieſe Negation abge- ſonderte geiſtige Gebiet enthaͤlt eine verwirrende Mannichfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die uͤberdies nichts Stehendes ſind und fuͤr die Betrachtung ſich ſchwer fixiren laſſen; es bedarf alſo hier der ſorgfaͤltigſten Unterſcheidung derſelben, um eine klare Ueberſicht zu gewinnen und feſtzuhalten. Nehmen wir den Geiſt uͤberhaupt in ſeiner gaͤnz- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0180" n="168"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dritter Abſchnitt</hi>.</fw><lb/> unter der allgemeinen Anſicht von dem <hi rendition="#g">Reiche des<lb/> Geiſtes</hi> leichter mehrere unaufgeloͤſte Gegenſaͤtze ver-<lb/> ſtecken. Man begnuͤgt ſich meiſtens, das Gebiet der<lb/><hi rendition="#g">geiſtigen Gegenſtaͤnde</hi> durch den Gegenſatz bloß<lb/> negativ beſtimmt zu denken, und begreift darunter in<lb/> einem unbeſtimmten Gedanken <hi rendition="#g">alles was nicht<lb/> Sache</hi>, nicht dem materiellen raͤumlichen Object ange-<lb/> hoͤrig iſt. Allein die Negation an ſich giebt uͤberhaupt<lb/> keine Beſtimmung, und das durch dieſe Negation abge-<lb/> ſonderte <hi rendition="#g">geiſtige Gebiet</hi> enthaͤlt eine verwirrende<lb/> Mannichfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die uͤberdies nichts<lb/> Stehendes ſind und fuͤr die Betrachtung ſich ſchwer<lb/> fixiren laſſen; es bedarf alſo hier der ſorgfaͤltigſten<lb/> Unterſcheidung derſelben, um eine klare Ueberſicht zu<lb/> gewinnen und feſtzuhalten.</p><lb/> <p>Nehmen wir den <hi rendition="#g">Geiſt</hi> uͤberhaupt in ſeiner gaͤnz-<lb/> lichen Abſonderung von allem <hi rendition="#g">Koͤrperlichen</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Materiellen</hi>, ſo bleibt uns gar nichts uͤbrig,<lb/> als ſein freies <hi rendition="#g">Thun</hi> und <hi rendition="#g">Denken</hi> und das <hi rendition="#g">Geſetz</hi><lb/> von beiden: darauf beſchraͤnkte ſich das <hi rendition="#g">rein geiſtige<lb/> Gebiet</hi>. Aber eben dieſes rein geiſtige Gebiet iſt<lb/> voͤllig inhaltleer, und wir koͤnnen dabei gar nichts<lb/> Beſtimmtes und — da ein unbeſtimmtes Denken kein<lb/> Denken iſt — uͤberall gar nichts denken. Wir muͤſſen<lb/> alſo, um irgend einen ſogenannten <hi rendition="#g">geiſtigen Ge-<lb/> genſtand</hi> denken zu koͤnnen, jene Abſonderung zum<lb/> Theil wieder aufheben, und den in der Abſtraction<lb/> abgeſonderten <hi rendition="#g">Geiſt</hi> in ſeiner Beziehung zu einem <hi rendition="#g">Ob-<lb/> jectiven</hi> denken. Naͤhmen wir nun dieſes Objective<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0180]
Dritter Abſchnitt.
unter der allgemeinen Anſicht von dem Reiche des
Geiſtes leichter mehrere unaufgeloͤſte Gegenſaͤtze ver-
ſtecken. Man begnuͤgt ſich meiſtens, das Gebiet der
geiſtigen Gegenſtaͤnde durch den Gegenſatz bloß
negativ beſtimmt zu denken, und begreift darunter in
einem unbeſtimmten Gedanken alles was nicht
Sache, nicht dem materiellen raͤumlichen Object ange-
hoͤrig iſt. Allein die Negation an ſich giebt uͤberhaupt
keine Beſtimmung, und das durch dieſe Negation abge-
ſonderte geiſtige Gebiet enthaͤlt eine verwirrende
Mannichfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die uͤberdies nichts
Stehendes ſind und fuͤr die Betrachtung ſich ſchwer
fixiren laſſen; es bedarf alſo hier der ſorgfaͤltigſten
Unterſcheidung derſelben, um eine klare Ueberſicht zu
gewinnen und feſtzuhalten.
Nehmen wir den Geiſt uͤberhaupt in ſeiner gaͤnz-
lichen Abſonderung von allem Koͤrperlichen und
Materiellen, ſo bleibt uns gar nichts uͤbrig,
als ſein freies Thun und Denken und das Geſetz
von beiden: darauf beſchraͤnkte ſich das rein geiſtige
Gebiet. Aber eben dieſes rein geiſtige Gebiet iſt
voͤllig inhaltleer, und wir koͤnnen dabei gar nichts
Beſtimmtes und — da ein unbeſtimmtes Denken kein
Denken iſt — uͤberall gar nichts denken. Wir muͤſſen
alſo, um irgend einen ſogenannten geiſtigen Ge-
genſtand denken zu koͤnnen, jene Abſonderung zum
Theil wieder aufheben, und den in der Abſtraction
abgeſonderten Geiſt in ſeiner Beziehung zu einem Ob-
jectiven denken. Naͤhmen wir nun dieſes Objective
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