Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808.Von d. Grunds. d. Erziehungsunterr. im Allgem. nur als die Körperwelt, und den Geist als Den-kendes bloß in seiner Beziehung zu dieser, so müßten wir das ganze Gebiet des Geistes auf Begriffe und Empfindungen von der Körperwelt und seinem Thun und Leiden in derselben reduciren; dann wäre die ganze geistige Welt nichts anderes als der Be- griff der körperlichen, das durch die Abstractions- kraft des Geistes zu Stande gebrachte ideale Gegen- bild der körperlichen Welt. Dann gäbe es auch keinen andern Unterschied zwischen materiellen und geistigen Gegenständen, als den zwischen Sache und Begriff, Gegenstand und Ab- stractum. Auf dieser unvollkommnen Unterscheidung beruht Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem. nur als die Koͤrperwelt, und den Geiſt als Den-kendes bloß in ſeiner Beziehung zu dieſer, ſo muͤßten wir das ganze Gebiet des Geiſtes auf Begriffe und Empfindungen von der Koͤrperwelt und ſeinem Thun und Leiden in derſelben reduciren; dann waͤre die ganze geiſtige Welt nichts anderes als der Be- griff der koͤrperlichen, das durch die Abſtractions- kraft des Geiſtes zu Stande gebrachte ideale Gegen- bild der koͤrperlichen Welt. Dann gaͤbe es auch keinen andern Unterſchied zwiſchen materiellen und geiſtigen Gegenſtaͤnden, als den zwiſchen Sache und Begriff, Gegenſtand und Ab- ſtractum. Auf dieſer unvollkommnen Unterſcheidung beruht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0181" n="169"/><fw place="top" type="header">Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.</fw><lb/> nur als die <hi rendition="#g">Koͤrperwelt</hi>, und den Geiſt als Den-<lb/> kendes bloß in ſeiner Beziehung zu dieſer, ſo muͤßten<lb/> wir das ganze <hi rendition="#g">Gebiet des Geiſtes</hi> auf <hi rendition="#g">Begriffe</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Empfindungen</hi> von der Koͤrperwelt und ſeinem<lb/><hi rendition="#g">Thun</hi> und <hi rendition="#g">Leiden</hi> in derſelben reduciren; dann waͤre<lb/> die ganze <hi rendition="#g">geiſtige Welt</hi> nichts anderes als der <hi rendition="#g">Be-<lb/> griff der koͤrperlichen</hi>, das durch die Abſtractions-<lb/> kraft des Geiſtes zu Stande gebrachte <hi rendition="#g">ideale Gegen-<lb/> bild der koͤrperlichen Welt</hi>. Dann gaͤbe es<lb/> auch keinen andern Unterſchied zwiſchen <hi rendition="#g">materiellen</hi><lb/> und <hi rendition="#g">geiſtigen Gegenſtaͤnden</hi>, als den zwiſchen<lb/><hi rendition="#g">Sache</hi> und <hi rendition="#g">Begriff, Gegenſtand</hi> und <hi rendition="#g">Ab-<lb/> ſtractum</hi>.</p><lb/> <p>Auf dieſer unvollkommnen Unterſcheidung beruht<lb/> jener Vorwurf, den der Philanthropiniſmus dem Hu-<lb/> maniſmus macht, daß er gaͤnzlich verabſaͤume, die<lb/> Lehrlinge mit <hi rendition="#g">Sachen</hi> zu beſchaͤftigen oder — wie es<lb/> die Peſtalozziſche Schule ausdruͤckt — ſie zur <hi rendition="#g">An-<lb/> ſchauung</hi> zu fuͤhren, durch welches Verſaͤumniß alle<lb/> Lebendigkeit der Erkenntniß verloren gehe und ſich in<lb/> eine bloß formelle Einſicht verwandle. Inſofern die aͤltere<lb/> Paͤdagogik in der That den Fehler begangen haͤtte, im<lb/> Unterricht uͤber <hi rendition="#g">materielle Gegenſtaͤnde</hi> anſtatt<lb/> der <hi rendition="#g">anſchaulichen Belehrung</hi> ſich bloß <hi rendition="#g">abſtracter<lb/> Beſchreibungen</hi> ſolcher Gegenſtaͤnde zu bedienen,<lb/> waͤre jener Vorwurf nicht ungegruͤndet, und die Zu-<lb/> ruͤckfuͤhrung auf <hi rendition="#g">Anſchauung</hi> eine weſentliche Ver-<lb/> beſſerung des Unterrichts uͤber <hi rendition="#g">materielle Gegen-<lb/> ſtaͤnde</hi>. Aber es beſteht weder der eigentliche Fehler<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0181]
Von d. Grundſ. d. Erziehungsunterr. im Allgem.
nur als die Koͤrperwelt, und den Geiſt als Den-
kendes bloß in ſeiner Beziehung zu dieſer, ſo muͤßten
wir das ganze Gebiet des Geiſtes auf Begriffe
und Empfindungen von der Koͤrperwelt und ſeinem
Thun und Leiden in derſelben reduciren; dann waͤre
die ganze geiſtige Welt nichts anderes als der Be-
griff der koͤrperlichen, das durch die Abſtractions-
kraft des Geiſtes zu Stande gebrachte ideale Gegen-
bild der koͤrperlichen Welt. Dann gaͤbe es
auch keinen andern Unterſchied zwiſchen materiellen
und geiſtigen Gegenſtaͤnden, als den zwiſchen
Sache und Begriff, Gegenſtand und Ab-
ſtractum.
Auf dieſer unvollkommnen Unterſcheidung beruht
jener Vorwurf, den der Philanthropiniſmus dem Hu-
maniſmus macht, daß er gaͤnzlich verabſaͤume, die
Lehrlinge mit Sachen zu beſchaͤftigen oder — wie es
die Peſtalozziſche Schule ausdruͤckt — ſie zur An-
ſchauung zu fuͤhren, durch welches Verſaͤumniß alle
Lebendigkeit der Erkenntniß verloren gehe und ſich in
eine bloß formelle Einſicht verwandle. Inſofern die aͤltere
Paͤdagogik in der That den Fehler begangen haͤtte, im
Unterricht uͤber materielle Gegenſtaͤnde anſtatt
der anſchaulichen Belehrung ſich bloß abſtracter
Beſchreibungen ſolcher Gegenſtaͤnde zu bedienen,
waͤre jener Vorwurf nicht ungegruͤndet, und die Zu-
ruͤckfuͤhrung auf Anſchauung eine weſentliche Ver-
beſſerung des Unterrichts uͤber materielle Gegen-
ſtaͤnde. Aber es beſteht weder der eigentliche Fehler
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