seine bessere Existenz nichts seyn kann, daß er durch sie die Bildung nicht gewinnt, die er bedarf und die er bei dem Weibe finden soll: noch weit schlimmer aber ist, daß die Frau selbst, wenn sie dem Manne nichts weiter seyn kann als eine Magd, von dem Manne auch nicht ihm gleich geachtet und behandelt wird, den bessern, allein achtbaren, Theil der Zuneigung des Mannes entbehrt, und, indem sie von dem Manne nicht erhoben wird, auch die Bildung verliert, die sie in seinem Umgange gewinnen würde, eben dadurch aber auch für die Kinder das weder ist noch wird, was sie seyn sollte; während auf der andern Seite der Mann, den sie nicht zu fesseln vermag, außer dem Hause sucht, was er in demselben nicht findet, der Fa- milie seine Erholungszeit, die ihr gebührte, entzieht, in zerstreuenden Vergnügungen, die er mit Ausschluß sei- ner Familie sucht, Geld, das ihr gemeinschaftlich ge- hört, verzehrt, und sich Verführungen aussetzt, indeß je- ne eigensüchtige Parteilichkeit zu Hause ähnliche Ver- schwendungen veranlaßt, und jene gleichgültige Ver- nachlässigung zu Schadloshaltungen anreizt, die das Familienglück moralisch und selbst oft physisch vergif- ten.
Darauf erwiedert man vielleicht: "Gerade dar- um wolle man sich jene erniedrigende Forderung, daß die Frau sich um das Hauswesen bekümmern solle, nicht wieder aufdringen lassen, damit die Frau nicht an gemeine Arbeit ihre Zeit verlieren müsse, die sie weit edler den Künsten und den Wissenschaften und aller
Vierter Abſchnitt.
ſeine beſſere Exiſtenz nichts ſeyn kann, daß er durch ſie die Bildung nicht gewinnt, die er bedarf und die er bei dem Weibe finden ſoll: noch weit ſchlimmer aber iſt, daß die Frau ſelbſt, wenn ſie dem Manne nichts weiter ſeyn kann als eine Magd, von dem Manne auch nicht ihm gleich geachtet und behandelt wird, den beſſern, allein achtbaren, Theil der Zuneigung des Mannes entbehrt, und, indem ſie von dem Manne nicht erhoben wird, auch die Bildung verliert, die ſie in ſeinem Umgange gewinnen wuͤrde, eben dadurch aber auch fuͤr die Kinder das weder iſt noch wird, was ſie ſeyn ſollte; waͤhrend auf der andern Seite der Mann, den ſie nicht zu feſſeln vermag, außer dem Hauſe ſucht, was er in demſelben nicht findet, der Fa- milie ſeine Erholungszeit, die ihr gebuͤhrte, entzieht, in zerſtreuenden Vergnuͤgungen, die er mit Ausſchluß ſei- ner Familie ſucht, Geld, das ihr gemeinſchaftlich ge- hoͤrt, verzehrt, und ſich Verfuͤhrungen ausſetzt, indeß je- ne eigenſuͤchtige Parteilichkeit zu Hauſe aͤhnliche Ver- ſchwendungen veranlaßt, und jene gleichguͤltige Ver- nachlaͤſſigung zu Schadloshaltungen anreizt, die das Familiengluͤck moraliſch und ſelbſt oft phyſiſch vergif- ten.
Darauf erwiedert man vielleicht: „Gerade dar- um wolle man ſich jene erniedrigende Forderung, daß die Frau ſich um das Hausweſen bekuͤmmern ſolle, nicht wieder aufdringen laſſen, damit die Frau nicht an gemeine Arbeit ihre Zeit verlieren muͤſſe, die ſie weit edler den Kuͤnſten und den Wiſſenſchaften und aller
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Vierter Abſchnitt.
ſeine beſſere Exiſtenz nichts ſeyn kann, daß er durch
ſie die Bildung nicht gewinnt, die er bedarf und die
er bei dem Weibe finden ſoll: noch weit ſchlimmer
aber iſt, daß die Frau ſelbſt, wenn ſie dem Manne nichts
weiter ſeyn kann als eine Magd, von dem Manne
auch nicht ihm gleich geachtet und behandelt wird, den
beſſern, allein achtbaren, Theil der Zuneigung des
Mannes entbehrt, und, indem ſie von dem Manne
nicht erhoben wird, auch die Bildung verliert, die ſie
in ſeinem Umgange gewinnen wuͤrde, eben dadurch
aber auch fuͤr die Kinder das weder iſt noch wird,
was ſie ſeyn ſollte; waͤhrend auf der andern Seite
der Mann, den ſie nicht zu feſſeln vermag, außer dem
Hauſe ſucht, was er in demſelben nicht findet, der Fa-
milie ſeine Erholungszeit, die ihr gebuͤhrte, entzieht, in
zerſtreuenden Vergnuͤgungen, die er mit Ausſchluß ſei-
ner Familie ſucht, Geld, das ihr gemeinſchaftlich ge-
hoͤrt, verzehrt, und ſich Verfuͤhrungen ausſetzt, indeß je-
ne eigenſuͤchtige Parteilichkeit zu Hauſe aͤhnliche Ver-
ſchwendungen veranlaßt, und jene gleichguͤltige Ver-
nachlaͤſſigung zu Schadloshaltungen anreizt, die das
Familiengluͤck moraliſch und ſelbſt oft phyſiſch vergif-
ten.
Darauf erwiedert man vielleicht: „Gerade dar-
um wolle man ſich jene erniedrigende Forderung, daß
die Frau ſich um das Hausweſen bekuͤmmern ſolle,
nicht wieder aufdringen laſſen, damit die Frau nicht
an gemeine Arbeit ihre Zeit verlieren muͤſſe, die ſie weit
edler den Kuͤnſten und den Wiſſenſchaften und aller
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Niethammer, Friedrich Immanuel: Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit. Jena, 1808, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niethammer_philantropinismus_1808/360>, abgerufen am 18.02.2025.
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