Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.Der Zauberer. 1. Als aber Zarathustra um einen Felsen herumbog, Wer wärmt mich, wer liebt mich noch? Gebt heisse Hände! gebt Herzens-Kohlenbecken! Hingestreckt, schaudernd,Halbtodtem gleich, dem man die Füsse wärmt -- Der Zauberer. 1. Als aber Zarathustra um einen Felsen herumbog, Wer wärmt mich, wer liebt mich noch? Gebt heisse Hände! gebt Herzens-Kohlenbecken! Hingestreckt, schaudernd,Halbtodtem gleich, dem man die Füsse wärmt — <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0033" n="26"/> <div n="1"> <head>Der Zauberer.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>1.<lb/></head> <p>Als aber Zarathustra um einen Felsen herumbog,<lb/> da sahe er, nicht weit unter sich, auf dem gleichen<lb/> Wege, einen Menschen, der die Glieder warf wie ein<lb/> Tobsüchtiger und endlich bäuchlings zur Erde nieder¬<lb/> stürzte. „Halt! sprach da Zarathustra zu seinem Herzen,<lb/> Der dort muss wohl der höhere Mensch sein, von ihm<lb/> kam jener schlimme Nothschrei, — ich will sehn, ob da<lb/> zu helfen ist.“ Als er aber hinzulief, an die Stelle, wo<lb/> der Mensch auf dem Boden lag, fand er einen zitternden<lb/> alten Mann mit stieren Augen; und wie sehr sich<lb/> Zarathustra mühte, dass er ihn aufrichte und wieder<lb/> auf seine Beine stelle, es war umsonst. Auch schien<lb/> der Unglückliche nicht zu merken, dass Jemand um ihn<lb/> sei; vielmehr sah er sich immer mit rührenden Gebär¬<lb/> den um, wie ein von aller Welt Verlassener und Ver¬<lb/> einsamter. Zuletzt aber, nach vielem Zittern, Zucken<lb/> und Sich-zusammen-Krümmen, begann er also zu<lb/> jammern:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wer wärmt mich, wer liebt mich noch?</l><lb/> <l rendition="#et">Gebt heisse Hände!</l><lb/> <l rendition="#et">gebt Herzens-Kohlenbecken!</l><lb/> <l>Hingestreckt, schaudernd,</l><lb/> <l>Halbtodtem gleich, dem man die Füsse wärmt —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0033]
Der Zauberer.
1.
Als aber Zarathustra um einen Felsen herumbog,
da sahe er, nicht weit unter sich, auf dem gleichen
Wege, einen Menschen, der die Glieder warf wie ein
Tobsüchtiger und endlich bäuchlings zur Erde nieder¬
stürzte. „Halt! sprach da Zarathustra zu seinem Herzen,
Der dort muss wohl der höhere Mensch sein, von ihm
kam jener schlimme Nothschrei, — ich will sehn, ob da
zu helfen ist.“ Als er aber hinzulief, an die Stelle, wo
der Mensch auf dem Boden lag, fand er einen zitternden
alten Mann mit stieren Augen; und wie sehr sich
Zarathustra mühte, dass er ihn aufrichte und wieder
auf seine Beine stelle, es war umsonst. Auch schien
der Unglückliche nicht zu merken, dass Jemand um ihn
sei; vielmehr sah er sich immer mit rührenden Gebär¬
den um, wie ein von aller Welt Verlassener und Ver¬
einsamter. Zuletzt aber, nach vielem Zittern, Zucken
und Sich-zusammen-Krümmen, begann er also zu
jammern:
Wer wärmt mich, wer liebt mich noch?
Gebt heisse Hände!
gebt Herzens-Kohlenbecken!
Hingestreckt, schaudernd,
Halbtodtem gleich, dem man die Füsse wärmt —
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